Many East German cities face long-term shrinking processes, which contribute to declining city centers. This is particularly noticeable in small and medium-sized cities with low human and financial resources. A funding program that helps to regenerate inner cities is the regional city competition „Ab in die Mitte! Die City-Offensive Sachsen“ (AMS) in Saxony, organized as a public-private partnership. This study aims to (1) research AMS concerning its factors of success and obstacles, (2) analyze its role for small and medium-sized cities and, (3) give recommendations to improve AMS. The low-threshold of participation mainly encourages small and medium-sized cities to take part. AMS strengthens exchange and knowledge transfer and promotes endogenous planning strategies. The city competition offers low funding possibilities; therefore, it can only serve as an incentive system. AMS should improve transparency within the evaluation process and, realign its concept to future urban development strategies.
Globale Transformationsprozesse haben entscheidenden Einfluss auf die Stadtentwicklung. Prozesse wie Klimawandel (Klimaanpassungs- und -schutzmaßnahmen, nachhaltige Mobilität), der Einsatz neuer Technologien (Digitalisierung, KI) und sich wandelnde gesellschaftliche Rahmenbedingungen (Konsumverhalten, Work-Life-Balance) erfordern komplexe und umfassende Anpassungsstrategien der Städte (Sousa et al., 2020; Rink und Haase, 2018; Dietrich et al., 2014). Öffentliche Austragungsorte dieser Transformationsprozesse sind insbesondere die Zentren europäischer Städte. Der Einzelhandel als Leitfunktion der Innenstädte gerät zunehmend unter Druck (Korzer et al., 2020: 207). Gründe sind unter anderem der immer größer werdende Umsatzanteil des Onlinehandels und die gleichzeitig erschwerten Bedingungen für den inhabergeführten, stationären Einzelhandel. Die hohen Mieten können sich nahezu ausschließlich größere Handelsketten leisten; zudem sind diese mit ihren internationalen Strukturen besser auf Digitalisierung und damit die Gleichzeitigkeit von stationärem und digitalem Geschäft eingestellt als kleine, lokal verankerte Betriebe (Stepper, 2015: 99). Mit der Zunahme von Einzelhandelsketten und dem Rückgang des inhabergeführten Einzelhandels liegt die Austauschbarkeit europäischer Innenstädte auf der Hand (Kunzmann, 2012: 163). Eine stärkere, veränderte Form der Nutzungsmischung wird seitens verschiedenster institutioneller, unternehmerischer, privater wie städtischer Akteure gefordert (Sperle, 2011: 124).
Als seien diese Herausforderungen nicht komplex genug, gestalten sich die Auswirkungen in Städten unter Schrumpfungsbedingungen noch problematischer. Schrumpfende Klein- und Mittelstädte haben aufgrund räumlicher Disparitäten (ländlich-periphere Räume vs. Verdichtungsräume), sozioökonomischer (Abwanderung durch Arbeitsplatzverluste) und soziodemographischer Veränderungen (Demographischer Wandel, starke Suburbanisierungstendenzen und dabei fehlender Bezug zur Innenstadt) sowie geringer personeller wie finanzieller Ressourcen noch größere Verluste in den Innenstädten zu verzeichnen (Ries, 2018; Bojarra-Becker et al., 2017; BBSR, 2012). Viele dieser Städte befinden sich in einem Zustand von Existenzsicherung und Konsolidierung ihres Finanzhaushaltes statt von zukunftsgerichteter, strategischer Stadtplanung. Für eigene Projekte und Investitionen in die Innenstadtentwicklung fehlen finanzielle Mittel, dementsprechend stark sind Klein- und Mittelstädte von Förderinstrumenten abhängig, beispielsweise im Rahmen der Städtebauförderung (Wiesner, 2018: 48). Jedoch stehen dem meist hohen administrativen Aufwand einer Bewerbung zur Förderung die knappen personellen Ressourcen der Städte gegenüber (Schneider et al., 2018: 10). Es bedarf daher eines kontinuierlichen Monitorings von Förderinstrumenten in der Stadtentwicklung (ex-post), weil nicht jede Förderstrategie (für Klein- und Mittelstädte) wirksam zu sein scheint (Busch et al., 2018: 276). Ziel muss es sein, bestehende Instrumente zu optimieren (Diller, 2018: 296), um sie auch auf die Bedarfe von Klein- und Mittelstädten zuzuschneiden.
Ein Beispiel für eine Fördermaßnahme zur Regenerierung von Innenstädten, der es gelingt, eine Vielzahl von Klein- und Mittelstädten einzubinden, ist der Wettbewerb „Ab in die Mitte! Die City-Offensive Sachsen“ (AMS). Die von einer Public-private-Partnership organisierte, in Form eines Städtewettbewerbs ausgerichtete Initiative spiegelt einerseits die steigende Bedeutung privater Unternehmen in der Stadtentwicklung wider (Kleine-König, 2018: 4). Andererseits fördert AMS vor allem Projekte, die Austauschbeziehungen zwischen Bürgern, Multiplikatoren und Institutionen hervorbringen (Ab in die Mitte, 2020). Dies entspricht der in dieser Studie verstandenen Form von „Regenerierung“ als Prozess, die neben einer physisch-materiellen bzw. städtebaulichen Form eine immateriell-kommunikative Ausrichtung nachhaltiger Stadtplanung unter Einbeziehung vielfältiger Akteure verfolgt (Bürkner et al., 2005: 7).
AMS richtet sich an Städte aller Größenklassen und
unterstützt Projekte in den Bereichen Einzelhandel, öffentlicher
Raum sowie Kultur und Freizeit (Ab in die Mitte, 2020). Trotz der
Langfristigkeit (seit 2004 ununterbrochen durchgeführt) und der
insgesamt hohen Anzahl teilnehmender Projekte ( Welche Erfolgsfaktoren und Hemmnisse ergeben sich im Wettbewerbsprozess aus
Akteursperspektive? Welche Rolle spielt AMS für die Beteiligung von Klein- und
Mittelstädten? Wie sehen konkrete Handlungsempfehlungen zur Verbesserung des
Wettbewerbsprozesses aus?
Damit will diese Studie einerseits einen Beitrag zur Evaluation als Methodik
leisten, bei der qualitative Methoden bisher nur partiell zum Einsatz kamen
(von Kardorff und Schönberger, 2020: 140). Andererseits wird die Klein-
und Mittelstadtforschung in den Blick genommen, die in den vergangenen
Jahrzehnten zunächst vernachlässigt wurde und seit einigen Jahren
eine Renaissance erfährt (Altrock et al., 2020; Harfst und Wirth, 2014).
Die Studie bedient sich einer mehrstufigen Methodik, welche neben kartographischen Methoden zu den 450 Projekten auch 40 qualitative, leitfadengestützte Experteninterviews einbindet. Außerdem wurden Vor-Ort-Begehungen in Verbindung mit 19 qualitativen Interviews mit lokalen Akteuren durchgeführt. Zunächst wird jedoch in Abschnitt 2 die Situation von Innenstädten in Sachsen beleuchtet. Der Fokus dieser Betrachtung liegt auf Klein- und Mittelstädten, weil diese Stadtgrößen aktuell am stärksten von Schrumpfungsprozessen betroffen sind und spezifischen Herausforderungen obliegen. Außerdem bilden sie die Mehrzahl der teilnehmenden Städte an AMS. Daran anschließend wird AMS vorgestellt und in die bestehende Förderkulisse eingeordnet (Abschnitt 3). Der vierte Abschnitt beleuchtet die gewählte Methodik mit dem Ansatz der Evaluation. Abschnitt 5 beschreibt die Ergebnisse der Studie und diskutiert die Rolle von AMS für Klein- und Mittelstädte sowie Erfolgsfaktoren und Hemmnisse aus Akteursperspektive. Der letzte Abschnitt fasst die Ergebnisse zusammen und diskutiert inhaltliche sowie konzeptionelle Handlungsempfehlungen für AMS.
Wachstum und Schrumpfung sind in Deutschland ungleich verteilt (Abb. 2). Auch wenn sich Schrumpfungs- und Wachstumsprozesse nicht ausschließlich in eine Ost-West-Logik einordnen lassen, so fallen die ostdeutschen Bundesländer dennoch durch eine höhere Anzahl an schrumpfenden Regionen und eine zum Teil stärkere Schrumpfungsintensität auf (BBSR, 2015: 6). Außerdem zeigt sich, dass Schrumpfungsprozesse bei kleineren Städten stärker ausgeprägt sind, insbesondere, wenn sie weiter entfernt vom nächstgrößeren Zentrum liegen (BBSR, 2018). Das Siedlungssystem Ostdeutschlands ist weiträumiger, Städte unterschiedlicher Größen sind weiter voneinander entfernt, und Klein- und Mittelstädte sind in der Regel kleiner als in der alten Bundesrepublik. Aus raumplanerischer Perspektive beginnt Forschung zu ostdeutschen Mittelstädten beispielsweise schon bei Städten mit einer Größe von 15 000 Einwohnern und reicht bis zu einer Größe von 100 000 Einwohnern, während westdeutsche Mittelstädte sich zwischen 50 000 und 250 000 Einwohnern bewegen (Lindner, 2010: 37).
Die Bedeutung von Klein- und Mittelstädten in Deutschland. Eigene Darstellung. Datengrundlage: BBSR (2012).
Wachsende und schrumpfende Städte und Gemeinden in Deutschland, Wanderungssaldo 2011–2016. Eigene Darstellung, Datengrundlage: BBSR (2018).
Diese Sonderrolle ostdeutscher Städtelandschaften äußert sich auch auf kleinräumiger Ebene wie den Innenstädten, deren Herausforderungen zurückzuführen sind auf eine historische, regionsspezifische Entwicklung nach der Wende sowie globale Transformationsprozesse.
Die Sanierung ostdeutscher Innenstädte seit 1990 verzögerte sich aufgrund von ungeklärten Eigentumsverhältnissen und fehlendem Eigenkapital der privaten Hausbesitzer. Verstärkt wurden stagnierende innerstädtische Investitionen durch staatliche Förderungen von Neuerschließungen und -bebauungen von Flächen am Stadtrand (Suburbanisierung bzw. Deurbanisierung; von Beyme, 2001: 155–166; Weith und Strauß, 2017: 127–128). Die damit verbundene strukturelle Schwächung von Kernstädten wird in der Wissenschaft als Donut-Effekt bezeichnet und meint damit eine Verödung der Innenstädte (Michaeli, 2017). Die Bestandsimmobilien in der Innenstadt finden keine Käufer, während am Stadtrand neu gebaut wird (Nagel, 2018: 22). Durch Alterung der in Innenstädten lebenden Bewohner und eine monofunktionale Siedlungserweiterung mit Ausbildung eigener Subzentren an den Stadträndern entleeren sich identitätsprägende Innenstädte, und Handelsflächen werden unattraktiv für Gewerbetreibende (Dünkel et al., 2019: 109). Durch den daraus resultierenden Verfall entstehen ein schlechtes Image und eine sinkende Bereitschaft potentieller Bewohner, in betroffene Innenstädte zu ziehen. Eine entscheidende Folge dieser Entwicklung ist, dass die für eine Kernstadt typische Bündelung von öffentlichen Einrichtungen, Handel und Gastronomie heute in vielen Klein- und Mittelstädten nur noch minimal vorhanden ist. Der Einzelhandel als Impulsgeber für lebendige Innenstädte funktioniert nicht mehr in dieser Rolle (Mensing, 2019: 192). Dies geht neben Suburbanisierung auch auf globale Transformationsprozesse wie die Bedeutungszunahme des Onlinehandels zurück (Abschnitt 1; Schade et al., 2018: 147).
Die besondere Situation der Innenstädte, speziell der Klein- und
Mittelstädte Sachsens, lässt sich aus der regionalen Entwicklung des
Bundeslandes und den zuvor beschriebenen Transformationsprozessen herleiten.
Sachsen tritt einerseits als ostdeutsches Flächenland mit einer relativ
großen Anzahl an Klein- und Mittelstädten und sogar der höchsten
Bevölkerungsdichte hervor, welche höher als der EU-Durchschnitt ist
und sich nahe dem bundesdeutschen Mittelwert befindet (Sächsische
Staatskanzlei, 2020: 5). Andererseits ist Sachsen zwischen 1991 und 2018 das
Bundesland mit dem viertstärksten Bevölkerungsrückgang
(
Zur Regenerierung (ostdeutscher) Innenstädte sind zwei Strategien von Bedeutung. Erstens sollten Politik und Stadtverwaltung die Innen- vor der Außenentwicklung fördern (Meinel et al., 2013: 4). Zweitens benötigen betroffene Städte innovative Konzepte, die unter Einbeziehung der Bevölkerung entwickelt werden und sich mit der Frage beschäftigen, wie der Leerstand in der Mitte gefüllt werden kann (ARL, 2020: 2). Durch die Einbindung der Bürgerschaft steigt das Verantwortungsbewusstsein für die eigene Kommune sowie der Qualitätsanspruch und die Motivation zur Entwicklung der Innenstadt (Hartwig, 2014: 3). Es ist das Ziel zahlreicher öffentlicher Förderinstrumente, ebendiese Entwicklungsprozesse zu initiieren und zu unterstützen (Wiesner, 2018: 54). Die Entstehung des Städtewettbewerbs „Ab in die Mitte! Die City-Offensive“ (AM) in Deutschland und dessen besondere Rolle im Bundesland Sachsen ist vor dem Hintergrund der beschriebenen, spezifischen Herausforderungen naheliegend und verdeutlicht die Rolle der Förderinstrumente in diesem Entwicklungsprozess.
Wettbewerbsverfahren haben sich seit den 1990er Jahren zu einem der gängigsten Mittel etabliert, um Ressourcen für die Stadtentwicklung zu verteilen (Taylor et al., 2001: 45). Neoliberale Logiken und der Wandel vom hierarchisch organisierten Steuerungsstaat zum „enabling state“ (Gilbert und Gilbert, 1989) stellen den Kontext dieser Entwicklung dar. Trotz der Popularität städtischer Wettbewerbe beobachten Cowley und Joss (2020: 1), dass Wettbewerbsverfahren in der Forschung nicht ausreichend untersucht werden.
Fördermaßnahmen mit Stadtentwicklungsbezug sind durch ihre Vielfalt in Bezug auf Form und Fokus gekennzeichnet. Das Ringen um den Austragungsort der Olympischen Spiele gilt hierbei als höchster Preis im internationalen Wettbewerb (Gold und Gold, 2008: 300). Auch auf anderen Ebenen werden unterschiedlichste Formate durchgeführt, wie beispielsweise die „Kulturhauptstadt Europas“ der Europäischen Union (Bıçakçı, 2012). In Deutschland bestehen nationale Programme wie „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“, „Stadtumbau“ oder „Städtebaulicher Denkmalschutz“ (Böhme et al., 2018: 218), deren Ziel der Abbau räumlicher Disparitäten ist (Wiesner, 2018: 39–57). Diese nationalen Programme stellen das endogene Potenzial und die Selbstmotivation der Regionen in den Fokus. Auf regionaler Ebene sind zum Beispiel die „Regionale“ in Nordrhein-Westfalen (MHKBG, 2021) und „Ab in die Mitte! Die City-Offensive“ zu nennen.
So unterschiedlich diese Programme sind, folgen sie dennoch der Antragslogik. Städte oder Gemeinden formulieren einen Antrag und erhalten anschließend ggf. Finanzhilfen. Wie viele erfolgreiche Bewerbungen es gibt bzw. welchen Umfang die Unterstützungen haben, hängt dabei sehr stark ab von den Spezifika des jeweiligen Wettbewerbs. Die Elemente der klassischen Städtebauförderung in Deutschland erfuhren bereits eine wissenschaftliche Begleitung, während andere Programme meist weniger Betrachtung erfahren (siehe z.B. Blume et al., 2004).
Der Wettbewerb „Ab in die Mitte! Die City-Offensive“ in Deutschland steht im Kontrast zu den genannten klassischen Programmen. Er entstand 1999 in Nordrhein-Westfalen und wurde kurz darauf auch in Hessen und Niedersachsen (2003), Sachsen (2004) sowie Berlin (2005) aufgegriffen (Ferger-Heiter und Mandac, 2011: 302). Übergeordnetes Ziel von „Ab in die Mitte! Die City-Offensive“ ist es, die Attraktivität der Innenstädte in Deutschland zu erhöhen, um Erlebnisqualität und Verweildauer zu steigern. Die konkrete Ausgestaltung von „Ab in die Mitte! Die City-Offensive“ ist in den jeweiligen Bundesländern unterschiedlich. In Sachsen sind die Hauptsponsoren das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sowie seit 2020 das Sächsische Staatsministerium für Regionalentwicklung, die drei sächsischen Industrie- und Handelskammern (sIHK), die sächsischen Volksbanken Raiffeisenbanken, die Edeka Grundstücksgesellschaft Nordbayern-Sachsen-Thüringen, die MK Illumination Handels GmbH sowie die w3work – Agentur für Online Marketing. Der Wettbewerb wird unter einem jährlich wechselnden Motto ausgerufen und durch den sogenannten Initiativkreis organisiert. Dieser besteht aus Sponsoren und Unterstützern, darunter der Freistaat Sachsen, die sIHK und diverse sächsische Unternehmen, die neben Preisgeldern auch Sachpreise einbringen. Daneben unterstützen Hochschuleinrichtungen mit begleitender Forschung (Universität Leipzig, HTWK Leipzig, TU Bergakademie Freiberg). Zudem organisiert der Initiativkreis den Ablauf des gesamten Wettbewerbs, inklusive Eröffnungs- und Abschlussveranstaltung nebst Workshops für teilnehmende oder interessierte Städte. Teilnahmeberechtigt sind Städte und Gemeinden im Freistaat Sachsen. Auch private und institutionelle Gemeinschaften können Projektinitiatoren und -träger sein, was dem Netzwerkgedanken von AMS entspricht. Eine Zustimmung bzw. Mitwirkung der Stadt muss allerdings nachgewiesen werden. Die eingereichten Beiträge werden von einer Expertenjury mit Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik bewertet. Das Preisgeld (EUR 110 000 für 2019) und die Sachpreise (z.B. Technik und Hardware für städtische Außenbeleuchtung) werden unter mehreren Preisträgern aufgeteilt (Ab in die Mitte, 2020).
Bislang wurde „Ab in die Mitte! Die City-Offensive“ in den jeweiligen Bundesländern mit unterschiedlichem Ausmaß wissenschaftlich begleitet und analysiert. So bestehen einerseits wissenschaftliche Beiträge, welche den Stellenwert des Städtewettbewerbs zur Förderung des Stadtmarketings und der Innenstadt hervorheben (siehe z.B. Hauff, 2003: 43; Kuron, 2002: 28; Strubel, 2019: 224). Andererseits wurden Fallstudien erarbeitet, die konkrete Teilnehmerprojekte analysieren und diese hinsichtlich unterschiedlicher Aspekte evaluieren (z.B. Einberger, 2015; Slawinski, 2011). Der Städtewettbewerb in Sachsen wurde diesbezüglich nur in Ausschnitten kurz nach seiner Entstehung beleuchtet (Weidner und Dornbusch, 2006). Seitdem mangelt es an einer umfassenden Gesamtbetrachtung.
Als Herausforderung für ein Monitoring von Förderinstrumenten mit Stadtentwicklungsbezug wird beschrieben, dass aufgrund der heterogenen Ausgangslage und komplexen Prozesse bisher kaum gemeinsame Grundverständnisse bestehen. Jedoch nimmt die Bedeutung der Projektevaluation wegen knapper werdender finanzieller Mittel zu (Göddecke-Stellmann, 2007: 99). Auch in der Bundesregierung steigt das Bewusstsein für vergleichbare Monitoringansätze (BMVBS, 2011). Die Erfassung von Effekten öffentlicher Förderung ist jedoch komplex, da sie schwer zu isolieren sind bzw. unscharf zwischen Anstoß-, Kausalitäts- und Mitnahmeeffekten unterschieden werden kann (Lessat et al., 1996: 5). Aus diesem Grund wählt die vorliegende Untersuchung einen sowohl quantitativen als auch qualitativen Zugang, um aus Akteursperspektive Wirkungsketten zu identifizieren und AMS zu evaluieren.
Die Evaluation als Methode ist in der Stadtentwicklung stark verankert, vor allem bei der Beurteilung der Effekte von Förderprogrammen (Bornhorst, 2014: 796). Grundsätzlich wird unter Evaluation sowohl der Prozess als auch das Resultat einer Bewertung verstanden (von Kardorff und Schönberger, 2020: 139). Die Herausforderung ist hierbei, dass Evaluierende unterschiedlichsten Anforderungen gerecht werden müssen. Plausibilität wird zwar als grundlegende Maxime verwendet, um Reliabilität und Validität zu wahren. Der Begriff an sich ist jedoch in diesem Kontext noch nicht weiter definiert und führt zu Intransparenz (Kleinoscheg, 2020: 372). Es verwundert deshalb nicht, dass Evaluationen zum Teil als „rudimentär“ (Jacoby, 2009: 1) gelten und mit methodischen Schwächen behaftet sind. Da es keine standardisierte Herangehensweise für Evaluationen gibt, erscheint die Herleitung und Begründung der Methodenwahl im Einzelfall umso wichtiger (von Kardorff und Schönberger, 2020: 140).
Die hier vorgestellte Evaluation basiert auf einer zweistufigen Herangehensweise. Ziel ist es, Fallstudien für die tieferführende Untersuchung zu ermitteln, die eine möglichst große Bandbreite an Projektthemen im Wettbewerb abbilden, um so Erfolgsfaktoren und Hemmnisse abzuleiten.
Arbeitsbaustein I ist durch eine quantitative, auf sekundärstatistischen
Daten basierenden Analyse gekennzeichnet.
Aus der Gesamtheit von 450 Teilnahmen an AMS zwischen 2004 und 2018 wurden
zunächst die 80 Projekte ausgewählt, deren Umsetzung entweder ganz
oder teilweise erfolgte. Im nächsten Schritt wurden diese nach dem Umsetzungsgrad und der
Verfügbarkeit der Ansprechpartner sortiert. Betrachtet wurde hierbei nur
der Zeitraum von 2004 bis 2010. Dies hat einerseits den Grund, dass
möglichst vollständig umgesetzte Projekte analysiert werden sollen.
Damit wird dem Ansatz einer summativen Ex-post-Untersuchung gefolgt
(Wiechmann und Beier, 2004: 388). Andererseits steht die Nachhaltigkeit
dieser Projekte im Mittelpunkt, sodass eine gewisse zeitliche Distanz
zwischen Projektende und Zeitpunkt der Befragung eingehalten werden muss.
Darüber hinaus wurden maximal zwei Projekte pro Stadt
berücksichtigt, um möglichst viele unterschiedliche Standorte
betrachten zu können. Mit den aus der Auswahl resultierenden 40 Projekten wurde je ein kurzes
Telefoninterview (ca. 30 min) mit beteiligten Akteuren der
Stadtverwaltungen geführt. Um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten,
kam dabei ein Interviewleitfaden zum Einsatz (Helfferich, 2011: 40), der
unter anderem die Aspekte Projektausrichtung, kooperierende Partner,
akquirierte Mittel, Funktionalität sowie touristische Effekte
beinhaltet. Basierend auf den Aussagen der Akteure wird die Intensität
der Projekteffekte in fünf Stufen bewertet. Aus der Bewertung der vier
Einzeleffekte (1. städtebauliche/funktionale Effekte, 2.
Folgeinvestitionen, 3. Kooperation der Projektpartner, 4. Touristische
Effekte) ergibt sich jeweils eine Bewertung des Gesamteffekts. Letzterem
gegenübergestellt wird der eingeschätzte Gesamtumfang des Projektes,
um die erzielten Effekte besser einordnen zu können. Abbildung 3 visualisiert
diese Ergebnisse mithilfe einer Entscheidungsmatrix, welche sich aus den
vier Einzelkriterien zusammensetzt. In dieser Matrix haben solche Projekte
erfolgreich abgeschnitten, die im Vergleich zu ihrem Umfang einen großen
Gesamteffekt erzielen konnten.
Ausschnitt der Entscheidungsmatrix. Eigene Darstellung.
In Arbeitsbaustein II findet eine weitere Filterung der 40 ausgewählten
Projekte statt.
Dabei werden zunächst die vier Projekte selektiert, denen in den vier
genannten Kriterien (Abb. 3) jeweils die größten Effekte
zugeschrieben werden. Anschließend werden drei Projekte ausgewählt, die im Vergleich die
größten Gesamteffekte erzielen. Zuletzt erfolgt eine Auswahl von drei Projekten, bei denen interne Konflikte
bestehen und die deshalb zu keiner erfolgreichen Umsetzung führten.
Für diese zehn Projekte erfolgt eine tiefergehende qualitative
Untersuchung mit Vor-Ort-Begehungen und mehreren leitfadengestützten
Interviews mit lokalen Akteuren. Je nach Verfügbarkeit der
Ansprechpartner wurden vor Ort ein bis drei weiterführende Interviews
mit beteiligten Vereinen, Privatpersonen oder weiteren involvierten
Mitarbeitern der Stadt geführt (insgesamt 19 Interviews). Die Methode
des Experteninterviews (Hernández Sempieri et al., 2010: 418)
ermöglicht es hierbei, Erzählanreize mit Hilfe von
Schlüsselfragen zu setzen (Gill et al., 2008: 291), ohne dabei das
eigentliche Ziel der Befragung aus den Augen zu verlieren. Gleichzeitig
gewährleisten die offenen Leitfragen dem Interviewer, flexibel auf
Aspekte einzugehen, welche möglicherweise noch nicht vor dem Interview
beachtet wurden (Helfferich, 2011: 179). Das methodische Ziel ist es,
Meinungen, Erfahrungen und Denklogiken nachzuzeichnen (Flick, 2004). Die
Auswertung des Arbeitsbausteins II erfolgt in Form einer qualitativen
Inhaltsanalyse (Kuckartz, 2018) mittels MAXQDA, bei welchem unter Einbezug
von Codes ein Kategoriensystem aufgebaut wird (Gläser und Laudel, 2010:
197).
Mit dieser Herangehensweise sollen Erfolgsfaktoren und Hemmnisse aus Akteursperspektive herausgefiltert werden und damit ein Beitrag für die zukünftige Ausgestaltung des Wettbewerbs AMS geleistet werden. Gleichzeitig können mithilfe der Erkenntnisse aus den Interviews Rückschlüsse auf die Rolle von AMS für sächsische Klein- und Mittelstädte gezogen werden.
Die vorgestellte Methodik ist aus mindestens zwei Gründen limitiert. Einerseits konzentriert sie sich lediglich auf Teilnehmerstädte. Noch nicht oder selten teilnehmende Kommunen werden hingegen vernachlässigt oder sind unterrepräsentiert, obwohl von Interesse ist, was mögliche Hemmnisse für eine Nicht-Teilnahme sind. Dementsprechend kann die Studie nur den Anspruch erheben, aus Teilnehmerperspektive die Faktoren für Erfolg bzw. Misserfolg im Wettbewerb abzubilden. Andererseits wurden mit Hilfe der qualitativen Interviews die Perspektiven von Projektteilnehmern untersucht. Die so generierten Erzählungen sind dementsprechend stark subjektiv gefärbt, was zu Verzerrungen in der Bewertung der jeweiligen AMS-Projekte führen kann. Das Ziel dieser Studie ist jedoch die Analyse ebendieser internen Sichtweisen, um Erfolgsfaktoren und Hemmnisse in der Teilnahme am AMS-Wettbewerb nachzuvollziehen. Höhere Objektivität und Vergleichbarkeit wurde nach Möglichkeit mit dem Führen von mindestens zwei Interviews mit unterschiedlichen Akteuren je Stadt angestrebt.
Auf Basis der Entscheidungsmatrix und der qualitativen Inhaltsanalyse beschreibt dieser Abschnitt die räumliche Verteilung aller AMS-Projekte im Zeitraum von 2004 bis 2018 und die Rolle von AMS für Klein- und Mittelstädte (5.1) sowie Erfolgsfaktoren (5.2) und Hemmnisse (5.3) des Städtewettbewerbs aus Akteursperspektive.
Wie in Abb. 4 erkennbar, beteiligen sich zwischen 2004 und 2018 Städte aller Größenklassen an AMS. Die Größe der Teilnehmer reicht dabei von Großstädten mit über 500 000 Einwohnern bis hin zu Gemeinden mit unter 5000 Einwohnern. Somit lassen die Wettbewerbsmodalitäten grundsätzlich eine Beteiligung jeden Stadttyps zu. Auffällig ist jedoch, dass 84 % aller teilnehmenden Kommunen Klein- und Mittelstädte sind, wobei diese lediglich 37 % aller politisch selbstständigen Gemeinden in Sachsen darstellen (Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen, 2020). Darüber hinaus lassen sich regionale Unterschiede bezüglich der Häufigkeiten der Teilnahmen identifizieren. Zwar gibt es grundsätzlich Teilnehmer in jeder Region Sachsens. Die höchste räumliche Konzentration lässt sich jedoch in Südwestsachsen ausmachen (vgl. Abb. 4). Der direkte Vergleich zwischen dem Anteil an allen sächsischen Gemeinden und dem Anteil an Teilnehmerstädten an AMS zeigt zudem, dass die Region Leipzig-Nordsachsen und Dresden-Oberes Elbtal höhere Teilnahmequoten erzielen, als ihr Anteil an Gemeinden in Sachsen beträgt. Obwohl Ostsachsen 26,3 % aller sächsischen Gemeinden stellt, umfasst die Region lediglich 15,4 % aller AMS-Städte (vgl. Tab. 1). Die Annahme, dass eine hohe Teilnahmequote an AMS mit der Intensität der Schrumpfungsprozesse in den jeweiligen Regionen zusammenhängt, kann dabei nicht bestätigt werden. So weisen die Oberlausitz und Südwestsachsen einen vergleichbaren Bevölkerungsrückgang und gleichzeitig unterschiedliche Teilnahmeintensitäten an AMS auf.
Regionen in Sachsen und ihre Anteile an sächsischen Gemeinden und Projektbeteiligungen bei AMS. Eigene Berechnung. Datengrundlage: Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen (2020) und Ab in die Mitte Sachsen (AMS) (2020).
Die Bedeutung von AMS ist je nach Stadtgröße verschieden, wenngleich alle Stadttypen sich beteiligen. Besonders Klein- und Mittelstädte profitieren von dieser Form des Wettbewerbs. Im Allgemeinen nehmen die Befragten in diesen Städten es als schwieriger wahr, Erfolge in städtebaulichen Wettbewerben zu verzeichnen. Die dennoch hohe Beteiligung dieser Stadttypen bei AMS lässt darauf schließen, dass die Wettbewerbsbedingungen von Vorteil für Klein- und Mittelstädte sind. Kleinere Städte verfügen i. d. R. über enge Netzwerke und direkte Kontakte unter städtischen Akteuren, was die Abstimmung im Wettbewerb, in den einzelnen Projektphasen, von der Initiierung bis zur Umsetzung erleichtert (Franke et al., 2020: 28). Zudem bleiben die Ausstrahlungseffekte in Großstädten im Vergleich geringer, was insbesondere auf den geringen finanziellen Spielraum der Förderung und den Umfang der Projekte im Vergleich anderer großstädtischer Projekte zurückzuführen ist. Dementsprechend ist die mediale und gesellschaftliche Anerkennung des Wettbewerbserfolgs in Klein- und Mittelstädten vergleichsweise höher einzuschätzen und führt zur Motivation einer Wiederbewerbung bei AMS (Lobeck et al., 2009: 269).
Teilnehmende Städte und Gemeinden am Wettbewerb AMS in Sachsen. Eigene Darstellung.
Die Erkenntnisse über Erfolgsfaktoren von AMS beziehen sich in erster Linie auf Argumente für die Teilnahmemotivation. Zunächst bietet die Teilnahme an AMS einen finanziellen Anreiz, denn einige Städte können ihre Projekte nur mithilfe von Preisgeldern realisieren. Die Finanzmittel können, gemessen an dem zum Teil hohen Aufwand, in den Phasen der Projektinitiierung (Akteursansprache), Projektentwicklung (Einbettung in Stadtplanungsstrategien, konzeptioneller Rahmen, Kooperationen) und Projektumsetzung eher mit einer Aufwandsentschädigung verglichen werden. Dafür können mehrere Städte Preisgelder gewinnen, was die Beteiligung wiederum attraktiver macht. Zudem können Preisgelder aus AMS mit Städtebaufördermitteln kombiniert werden, um beispielsweise ein Anschlussprojekt zu finanzieren. In diesen Fällen hält sich auch der Aufwand für AMS in Grenzen, da ein Grundkonzept bereits vorliegt. Nicht selten gelingt dadurch sowohl die städtebauliche Sanierung als auch die Investition in weiche Standortfaktoren wie die Wiederbelebung eines Geschäftes in der Innenstadt.
Neben der Ansprache weicher Standortfaktoren erreicht AMS auch eine Bindung
der teilnehmenden Städte an den Wettbewerb. Dafür spricht laut
einiger Interviewpartner die Rolle von AMS bei der Identitätsbildung der
Städte. Alleinstellungsmerkmale können kreativ entwickelt, etabliert
und möglicherweise in Folgeprojekten weiterverfolgt werden. Die Bindung
der Akteure an AMS lässt sich womöglich durch den emotionalen
Charakter eines Städtewettbewerbs, den Vergleich der Städte
untereinander und den damit im Zusammenhang stehenden Ehrgeiz erklären.
Viele teilnehmende Städte fühlen sich sogar gegenüber AMS
verantwortlich und nehmen regelmäßig daran teil, um den Wettbewerb
zu stärken. Ein Stadtvertreter einer Mittelstadt in Sachsen
äußerte: „
Aufgrund der Verschneidungsmöglichkeiten mit anderen Förderprojekten
können Projektideen innerhalb bereits vorhandener Themenfelder
entwickelt und auf das jeweilige Wettbewerbsthema von AMS abgestimmt werden.
Der Bürgermeister einer Kleinstadt erklärt, dass es die Projektideen
häufig sogar schon vor der Themenauslobung durch AMS gegeben hat, aber
„
Ehemalige Bastion und umgestaltete Kulturbastion vor und nach Wettbewerbsbeteiligung an AMS. Fotografien: Uwe Narkunat (links) und Marcus Hübscher (rechts).
Abgesehen von den identifizierten Erfolgsfaktoren werden von den Befragten auch Kritikpunkte angesprochen. Die meisten Projekte können allein durch die Preisgelder nicht finanziert werden und es sind häufig noch weitere Fördergelder für eine Umsetzung notwendig. Dies zeigt, dass die nicht nur mögliche, sondern teilweise zwingende Verschneidung mit anderen Fördermöglichkeiten auch Risiken birgt. AMS ist deshalb als ein anreizgebendes Förderinstrument zu betrachten, welches eher den Prozess der Ideenfindung unterstützt und eine erste Phase der Projektumsetzung mit Fördergeldern initiiert. In dieser Phase obliegt es den Städten, weitere Fördermittel zu akquirieren und so die Nachhaltigkeit der Projekte zu garantieren.
In der Projektumsetzungsphase ergeben sich für einige Interviewpartner Interessenkonflikte, die sich zum einen zwischen der Bevölkerung und der Stadt und zum anderen auch zwischen am Projekt beteiligten Akteuren ergeben. Ein Ansprechpartner eines beteiligten Vereins beschreibt die mangelnde kommunale Unterstützung als Hürde, welche den Erfolg des betreffenden Projektes maßgeblich beeinträchtigt hat. Interessanterweise ergeben sich zwischen AMS und den Städten sowie bei den Städten untereinander Verbesserungen hinsichtlich der Kommunikation und Bindung, während es innerhalb der Städte zu Interessenkonflikten kommt. Diese Konflikte könnten auf mögliche Ungleichgewichte der Partner zurückzuführen sein, welche auf hierarchischen Strukturen beruhen (Bernt, 2009: 762). Das wurde in dieser Studie nicht näher untersucht, bietet aber einen interessanten Anknüpfungspunkt für weitere Forschung.
Basierend auf den beschriebenen Erkenntnissen in Abschnitt 5 beinhaltet dieser Abschnitt inhaltliche Handlungsempfehlungen (Abschnitt 6.1) und konzeptionelle Ansätze (Abschnitt 6.2) für die zukünftige Wettbewerbsgestaltung.
Eines der übergeordneten Ziele von AMS ist es, möglichst hohe Teilnehmerzahlen zu generieren. Hierbei zeigte die räumliche Analyse im vorangestellten Abschnitt, dass die sächsischen Regionen mit unterschiedlicher Intensität an AMS teilnehmen. So ist zunächst die Frage zu stellen, weshalb derart ausgeprägte regionale Ungleichheiten in Bezug auf die Teilnahme bestehen. Anschließend müssen Strategien zur besseren Ansprache von Regionen entwickelt werden, welche bisher weniger aktiv im Wettbewerb waren. Dies ist insbesondere im Fall der Oberlausitz relevant, da die Region seit 1990 mehr als ein Viertel seiner Einwohner verloren hat und damit stärker als alle anderen Teile Sachsens von Abwanderung betroffen ist.
Kleinere Gemeinden bis 5000 Einwohner bilden zwar 62 % aller Regionen in Sachsen, stellen jedoch nur 13 % aller Teilnehmerstädte in AMS dar. Der Wettbewerb muss sich deshalb grundsätzlich die Frage stellen, ob er auch für kleinere Gemeinden attraktiver werden sollte, da diese immerhin über ein Viertel der sächsischen Bevölkerung einnehmen (Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen 2020). Das würde bedeuten, zukünftig auch Kleinstadt-spezifische Themen anzusprechen, da diese Städte aufgrund ihrer Größe in aller Regel nicht über eine zu regenerierende Innenstadt verfügen. Im Rahmen der theoretischen Ansätze um Quartiersforschung und „Place-Konzepte“ (Vogelpohl, 2014) sollte sich die Frage nach einer neuen Betrachtungsweise gestellt werden – von einer reinen Zentrums- hin zu einer Quartiersbetrachtung und somit einer möglichen Erweiterung der förderbaren Stadträume, wie es die Neue Leipzig Charta 2020 aufgreift (Eurocities 2020). Diese Überlegung wird im Rahmen konzeptioneller Ansätze (Abschnitt 6.2) noch einmal aufgegriffen.
Aktuell findet AMS jährlich statt. Es ist zu prüfen, inwiefern ein zweijähriger Wettbewerbsrhythmus zu besseren Ideen führt, da Projekte tiefer durchdacht und eingebettet werden können und darüber hinaus mehr Zeit zur Interaktion innerhalb der Städte, mit anderen Städten und dem AMS-Initiativkreis besteht. In diesem Zusammenhang ist die Rolle der Initiative als Prozessbegleiter zu stärken. Dies kann durch eine Intensivierung der Workshops (Häufigkeit in verschiedenen Wettbewerbsphasen) geschehen, was zwar mit einem höheren Aufwand für alle beteiligten Akteure verknüpft wäre, jedoch auch den kommunikativen Charakter des Wettbewerbs stärken könnte. Städte könnten sich so nicht nur über fertiggestellte Konzepte austauschen, sondern auch über den Prozess der Ideenfindung. Ebendiese Funktion von AMS als Impulsgeber und Bindeglied kann noch deutlicher herausgearbeitet und als Marketingansatz eingesetzt werden.
Bislang ist AMS so ausgestaltet, dass die reine Projektidee bewertet wird. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass eine Realisierung der eingereichten Vorhaben nach dem Wettbewerb den jeweiligen Städten überlassen ist und eine Nicht-Umsetzung entsprechend nicht sanktioniert wird. Es findet lediglich ein regelmäßiger Austausch zwischen einem Initiativkreismitglied und der jeweiligen Stadt statt, um einer zeitnahen Umsetzung Nachdruck zu verleihen und ggf. Unterstützung bei auftretenden Problemen zu leisten. Indem eine stärkere Verbindlichkeit von Städten in Bezug auf die Umsetzung bei einer Teilnahme an AMS eingefordert wird, könnte die Anzahl tatsächlich umgesetzter Projekte noch erhöht werden. Im Zeitraum zwischen 2004 und 2017 wurden von insgesamt 424 eingereichten Projekten 74 teilweise (17,5 %) und 77 vollständig (18,5 %) umgesetzt (Tab. 2). In der Summe entspricht dies einem Anteil von 36 %, was knapp über der tatsächlichen Förderquote von 32,8 % liegt. Dies zeigt, dass ein kleinerer Anteil von Teilnehmern die jeweiligen Projekte umsetzt, obwohl sie nicht finanziell gefördert werden konnten. Taylor et al. (2001: 61) beobachten, wie für einige Teilnehmer eine erfolglose Teilnahme an einem solchen Wettbewerb gleichzeitig negative Auswirkungen haben kann, wie bspw. Resignation oder Schuldzuweisungen untereinander. Umso wichtiger ist es deshalb, die Perspektive dieser Städte stärker in den Blick zu nehmen, was Potenzial für weitere Forschung bietet.
Anzahl der Preisträger und umgesetzter AMS-Projekte im Zeitraum 2004–2017. Eigene Berechnung, Datengrundlage: IHK zu Leipzig (2017).
Einige Interviewpartner äußerten Kritik an der intransparenten Auswahl von Preisträgern. Die Transparenz und Verständlichkeit des Wettbewerbsprozesses sind daher zu erhöhen. Die genauen Vorstellungen über die einzureichenden Projektbeiträge sollten knapp und übersichtlich formuliert und den Städten öffentlich zugänglich zur Verfügung gestellt werden. Für AMS kann dies beispielsweise durch eine Checkliste mit konkreten Projektanforderungen auf der Homepage erreicht werden. Daraus sollte erkennbar werden, worauf insbesondere bei der Ideenfindung geachtet werden soll, wie zum Beispiel der Bezug zu Stadtplanungsstrategien, der Anspruch von Kreativität und Nachhaltigkeit sowie der Realitätsbezug hinsichtlich der Finanzierung.
Im folgenden Teil werden konzeptionelle Ansätze für AMS diskutiert und auf Übertragbarkeit geprüft (ein Bezug zur Abb. 6 wird mit Schlagwörtern der Handlungsempfehlungen jeweils in Klammern im Fließtext hergestellt). Für teilnehmende Städte bietet AMS eine Förderung, die durch zwei Mechanismen Wirksamkeit erzielt. So werden erstens herausragende Projektideen dotiert, wodurch deren Umsetzung gefördert wird. Zweitens ist AMS auch als Kommunikationsplattform (Gedankenaustausch) zu verstehen, bei welcher bereits durch den Teilnahmeprozess Beziehungen zwischen Städten entstehen. Dieser Austausch sollte jedoch über den Wettbewerb hinaus gestärkt werden. Die Kommunikation ist nicht nur in der Phase der Projektinitiierung wertvoll, sondern auch in der Umsetzungsphase. Daraus könnten interkommunale Kooperationen entstehen, welche zwischen Klein- und Mittelstädten bisher wenig Beachtung finden. Deren Verstetigung, in Form einer Kooperation von gleich starken „Kleinen“, sollte unterstützt werden (Ries, 2018: 35). Zur Förderung kleinerer Städte und Regionen sind weiterführende Netzwerke auch hinsichtlich gemeinsamer Projekte im Sinne einer Regional Governance interessant, beispielsweise bei der gemeinsamen Einbindung von Akteuren aus zwei Städten bzw. angrenzenden Regionen (Knipperts, 2017: 13). Aus Sicht von AMS müsste dazu eine konzeptionelle Anpassung der Wettbewerbsbestimmungen erfolgen, da bisher keine Kooperationen zwischen Städten bzw. Städten und Regionen gefördert werden können.
Handlungsempfehlungen für Städte und Gemeinden zur Teilnahme an AMS. Eigene Darstellung.
Hinsichtlich der Kreativität der Projekte bietet AMS den Rahmen für ein „out of the box“-Denken (Proaktiver Teameinsatz und „out of the box“ – Denken) (Boyd und Goldberg, 2019: 17). Damit ist die Möglichkeit verbunden, kreative Projekte umzusetzen, die in der strategischen Stadtplanung kaum vorgesehen sind. Die Empfehlung zum „proaktiven“ Teameinsatz bzw. „bottom-up“-Ansatz (Freiling, 2019: 30) bezieht sich zum Beispiel auf neue Potenziale wie die Inspiration durch neue Akteure und die Motivation dieser, sich aktiv zu beteiligen und dadurch kreativer zu denken und mitgestalten zu können (Eigeninitiative). Diesbezüglich scheint es ratsam, die Stadtbevölkerung an der Projektgestaltung teilhaben zu lassen (Partizipation der Stadtbevölkerung). Viele Städte arbeiten bereits eng mit der Bevölkerung zusammen, indem sie zum Beispiel kreative Workshops anbieten oder Online-Umfragen durchführen. Auch Schulklassen wurden vor allem in Kleinstädten mit in die Ideenentwicklung eingebunden. In Teilen könnte die vielfältige Akteurseinbindung von AMS noch deutlicher eingefordert werden.
Der Projektgedanke bei AMS birgt Chancen im Sinne einer schnellen Umsetzbarkeit. Gleichzeitig ergeben sich aber auch Risiken, beispielsweise durch eine fehlende Einbettung in lokale Stadtplanungsstrategien (Prozessprojekte) (BMI, 2020: 14). Eine bloße Reaktion auf globale Transformationsprozesse (z.B. Digitalisierung in Form von Apps für den lokalen Einzelhandel) ist nicht immer hilfreich. Was nützen lokale Handels-Apps, wenn der lokale Handel vor Ort kaum noch existent ist? Die lokalen Strukturen, Anforderungen und Bedürfnisse vor Ort zu kennen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen, ist ebenso wichtig. Um zukünftig positive Effekte für Innenstädte zu erzielen, ist es ratsam, langfristige Strategien zur regelmäßigen Teilnahme am Wettbewerb AMS zu formulieren und als Stadt nicht nur projektbezogen, sondern konzeptionell zu denken. Eine Möglichkeit ist die Einbettung von Projektideen in Stadtentwicklungskonzepte. In der Ideenfindungsphase sollte stets die Frage beantwortet werden, wie die eigene Stadt auch nach der Wettbewerbsbeteiligung von einem Projekt profitieren (Realitätsbezug) und ein Weitblick diesbezüglich entwickelt werden kann.
Identitätsstiftende Projekte können von großer Bedeutung für die Innenstadtentwicklung sein und werden im internationalen Diskurs als „city branding“ oder innerhalb von „Narrativen der Stadtentwicklung“ diskutiert (Identitäten) (Evans, 2003; Dastgerdi und De Luca, 2019; Willinger, 2019: 104). Solche Projekte wurden auch in AMS in einigen, meist Klein- und Mittelstädten initiiert. Durch die Teilnahme an AMS werden Alleinstellungsmerkmale entworfen, in deren Kontext Folgeprojekte entwickelt werden können. Die Suche nach einer gemeinsamen Identität birgt jedoch auch Unsicherheiten, insbesondere in Hinblick auf die räumliche Lage und entsprechende Konsequenzen für die Stadtentwicklung. Eine von Suburbanisierungsprozessen bestimmte Stadt mit einem Zuzug neuer Bewohner befindet sich in der Regel in einer Findungsphase; alte Identitäten und neue Lebensrealitäten stehen sich mitunter konträr gegenüber. Der enge Fokus von AMS auf Innenstädte und die damit verbundene Schaffung einer gemeinsamen Identität schränken die Handlungsspielräume und beteiligten Akteure ein. Daher ist von Projektinitiierungen mit dem reinen Gedanken der Schaffung gemeinsamer Identitäten eher abzuraten. Damit ist auch ein Hinweis auf die Fokussierung des Wettbewerbs AMS verbunden. Zukünftig könnte über den engen Rahmen der Innenstadt hinausgedacht werden, die durch ihre vielfältigen Nutzungsanforderungen und zum Teil dichte Bebauung nicht immer über den Platz und die Ausstattung im Sinne von Freiflächen verfügt, den Städte im Suburbanisierungsprozess benötigen. Gemeinsame Projekte in diesen Stadtteilen können zur Schaffung gesellschaftlichen Zusammenhalts beitragen. Bei AMS werden entsprechende Projekte in anderen Stadtteilen ohnehin bereits in die Projektbegutachtung aufgenommen. Aber auch die Belebung der Innenstädte wird, gerade vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen (Corona-Pandemie, Zuwanderung), einer besonderen Anstrengung bedürfen. Das betrifft häufiger die weichen als harten Standortfaktoren, denn die städtebauliche Situation der Innenstädte hat sich seit Initiierung von Förderinstrumenten wie AMS in Sachsen und anderen Regionen deutlich erholt. Letztlich erscheint das Denken in Quartieren, die die Innenstadt einschließen und deren besondere Funktion als Treffpunkt der vielfältigen Stadtgesellschaft über alle Quartiere hinweg berücksichtigen, vor diesem Hintergrund zukünftiger Stadtplanungsstrategien und -instrumente im Sinne der Neuen Leipzig Charta 2020 mit dem Fokus auf Gemeinwohl auch für andere Förderinstrumente sinnvoll (Eurocities, 2020).
Das der Studie zugrundeliegende Interviewmaterial kann beim korrespondierenden Autor Katrin Schade auf Anfrage eingesehen werden.
KS, SR und JR haben die Studie konzipiert. SR führte die empirische Untersuchung durch. Die Auswertung übernahm SR mit Unterstützung von KS und MH. Das Manuskript wurde von KS, SR und MH verfasst mit Beiträgen von JR.
Die Autor*innen erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
This paper was edited by Nadine Marquardt and reviewed by three anonymous referees.