Agrarkrisen, Institutionen und gesellschaftlicher Wandel : der Agrarwandel bei den Sereer Ndut im westlichen Senegal aus der Sicht der Neuen Institutionellen Anthropologie
Abstract. Die durch eine defizitäre Getreideproduktion und Umweltdegradierung gekennzeichnete Agrarkrise bei den Sereer Ndut im westlichen Senegal kann nicht mit dem Neo-Malthusianismus, den unifaktoriellen Theorien oder der Politischen Ökologie erklärt werden. Als Alternative bietet sich die Neue Institutionelle Anthropologie an. Diese untersucht die Zusammenhänge von äußeren Rahmenbedingungen und Gesellschaftsstruktur (Institutionen, Organisationen, Verhandlungsmacht, Ideologie), die daraus resultierenden Verteilungseffekte sowie die sozialen und politischen Handlungen. Auf der Grundlage von qualitativen Interviews konnte die Anwendbarkeit der Neuen Institutionellen Anthropologie auf den Agrarwandel bei den Sereer Ndut aufgezeigt werden: In vorkolonialer Zeit bestand für die Bauern aufgrund der «außenpolitischen » Unsicherheit sowie der verschiedenen gesellschaftlichen Institutionen und der vorherrschenden Ideologie ein starker Anreiz zu einer intensiven und ressourcenschonenden Landnutzung. Aufgrund der Emanzipationsbestrebungen der Jugendlichen seit der Kolonialzeit wurden die gesellschaftlichen Institutionen aufgegeben. Infolge der Arbeitsmigration ihrer Verwandten nach Dakar, die sich im Zusammenhang mit den großen Dürreperioden der 1970er Jahre ausweitete und sich von einer saisonalen zu einer ganzjährigen Emigration entwickelte, sowie aufgrund der Geldtransfers der Migranten können die Bauern heute Importreis kaufen und im Gegenzug den eigenen Hirseanbau einschränken.