Articles | Volume 71, issue 1
https://doi.org/10.5194/gh-71-7-2016
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21 Jan 2016
Interface |  | 21 Jan 2016

Der Kieler Geographentag 1969 – Modernisierungsschub, Mythos, Paradigmenwandel oder vergessene Geschichte?

P. Weichhart

Abstract. Geschichte kann man als die wertende Interpretation und Deutung der Vergangenheit aus der Sicht der jeweiligen Gegenwart ansehen. So kann ein bestimmtes Ereignis der Vergangenheit aus der Perspektive der Gegenwart als besonders bedeutsam, wirkmächtig und konsequenzenreich beurteilt werden oder aber zumindest für eine Zeit in Vergessenheit geraten. Auch in der Geschichte wissenschaftlicher Disziplinen gibt es immer wieder Geschehnisse und Konstellationen, die später als Schlüsselereignisse oder Tipping Points gedeutet werden – unabhängig davon, ob das auch die Zeitgenossen so gesehen haben. Im Falle des Kieler Geographentages war die Einstufung als Schlüsselereignis sowohl zur damaligen Zeit als auch für die Jahre danach durchaus gegeben. Dieser Geographentag – beziehungsweise die dort abgehaltene Diskussionsveranstaltung, die von den geographischen Fachschaften durchgeführt wurde, sowie die ausführlichen Erörterungen und Stellungnahmen im Gefolge dieses „Events" – wurde immer wieder als „Wende", „Umbruch", „Revolution" oder Symbol eines Paradigmenwandels interpretiert. Heute, 46 Jahre danach, lässt sich natürlich die Frage stellen, ob dieses lange Zeit als höchst bedeutsam eingestufte Ereignis für die aktuelle Entwicklung der Geographie immer noch relevant ist und den gegenwärtigen Status des Faches tatsächlich nachhaltig beeinflusst hat.