Articles | Volume 77, issue 2
https://doi.org/10.5194/gh-77-253-2022
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Book review
 | 
31 May 2022
Book review |  | 31 May 2022

Book Review: Berufseinstieg Geographie. Handwerkszeug für eine erfolgreiche Strategie

Hans-Rudolf Egli
Dates

Leybold, W.: Berufseinstieg Geographie. Handwerkszeug für eine erfolgreiche Strategie, Berlin, Springer, 180 ff., ISBN 978-3-662-63490-5, EUR 35,00, 2021.

Ein Ziel der Bologna-Reform mit der Einführung der gestuften Studiengänge (Bachelor, Master, Doktorat) war neben der Förderung der räumlichen und fachlichen Mobilität für die Studierenden die Verbesserung der Berufsqualifizierung. Dieses Ziel wurde jedoch nur sehr beschränkt mit der Reform der Geographiestudiengänge umgesetzt, obschon die meisten Studenten und Studentinnen nach ihrem Abschluss eine Stelle in der Privatwirtschaft oder in der Verwaltung suchen. Der geographische Arbeitsmarkt ist einerseits ausserordentlich vielfältig und andererseits gibt es den Beruf „Geograph“ oder „Geographin“ praktisch nur in der Wissenschaft.

Als begeisterter Geograph will Wolfgang Leybold den Studierenden seines eigenen Fachbereichs den Einstieg in die Berufswelt erleichtern. Der Autor unterstützt damit die Berufsqualifizierung, indem die Studierenden angeleitet werden, sich auf die Stellenbewerbung und die zukünftige Berufstätigkeit vorzubereiten. Er beschreibt, was einzigartig ist an der Geographie und welche Werkzeuge aus dem Geographiestudium das grosse Potenzial für eine erfolgreiche Berufslaufbahn begründen. Der Autor ist seit 2004 selbständiger Unternehmensberater und Trainer für Führungskräfte und Studierende.

Das Buch ist klar gegliedert, gut verständlich geschrieben und mit einigen anschaulichen und witzigen Illustrationen ergänzt. Die sogenannten Übungsboxen am Ende ausgewählter Kapitel sind eher Zusammenfassungen als Übungsanleitungen.

Mit der Zielgruppenanalyse (Kapitel 2) wird aufgezeigt, wie sich Berufseinsteigerinnen und -einsteiger vorbereiten können, um mit Stellenanbietern selbstbewusst und auf Augenhöhe zu diskutieren und zu verhandeln. Mit dem Aktiv-Passiv-Modell sollen die persönlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten wie beispielsweise Flexibilität, Eigeninitiative, Sprachkenntnisse aufgelistet und kommuniziert werden. Im nächsten Schritt empfiehlt Leybold, sich die besondere fachliche Eignung für die angebotene Stelle, anwendungsbezogene Erfahrungen, zum Beispiel Präsentationskompetenz oder GIS-Fertigkeiten, bewusst zu machen. Weiterhin soll überlegt werden, welche persönlichen Fähigkeiten und Erfahrungen ausserhalb des eigenen Fachbereichs eingebracht werden können. Und schliesslich müssen Stellensuchende bei ihrer Präsentation auch fähig sein, den Arbeitgeber und dessen Denken und Entscheiden zu antizipieren und zu verstehen, was unter anderem eine pragmatische und angewandte Sprache bedingt.

Im dritten Kapitel sind zahlreiche geographische Berufsfelder beschrieben. Es beginnt mit Umwelt- und Naturschutzberufen mit Schwerpunkt Klima, Boden oder Wasser. Danach folgen Berufsmöglichkeiten in der Planung und Raumordnung auf den unterschiedlichen räumlichen Ebenen sowie in städtischen und ländlichen Räumen. Zahlreiche Berufsfelder sind wirtschaftlich (Wirtschaftsförderung, Stadtmarketing, Regionalmanagement, Immobilien-Research), kulturell oder sozial ausgerichtet. Weitere Berufe sind eher methodenorientiert, zum Beispiel in der Statistik, in der Geoinformatik oder im Medienbereich. Zahlreiche Stellen sind im Bildungssektor zu verorten (von der Volksschule bis zur Hochschule), weitere in der Forschung innerhalb und ausserhalb der Hochschulen. Dieses Kapitel zeigt die ausserordentliche Breite der Berufsmöglichkeiten nach einem Geographiestudium, ohne dass der Autor eine Vollständigkeit anstrebt.

In einem kurzen Zwischenkapitel werden die Berufseinsteiger und -einsteigerinnen angeleitet, über die eigenen Berufswünsche im Kontext der persönlichen Stärken und Schwächen zu reflektieren und sich entsprechend für Bewerbungen und Bewerbungsgespräche vorzubereiten. Dabei soll nicht nur die fachliche Ausrichtung eine Rolle spielen, sondern auch die Frage, in welchem Team, mit welchen inspirierenden Menschen zusammengearbeitet werden möchte.

Im Kapitel „Das Alleinstellungsmerkmal der geographischen Ausbildung“ wird aufgezeigt, welche fachlichen und methodischen Kompetenzen durch die Studienwahl erworben werden. Während interdisziplinäres Denken, Raumbezug, Verbindung von Natur- und Gesellschaftswissenschaften, prozessorientiertes Denken und Methodenstärke als Besonderheiten der Geographieausbildung bezeichnet werden können, sind Organisationstalent, schnelles Einarbeiten, kritisches Hinterfragen, selbständige und wissenschaftliche Arbeit, Team- und Projektarbeit zwar wichtig für die Berufspraxis, aber entgegen der Meinung des Autors keineswegs Alleinstellungsmerkmale der geographischen Ausbildung. Auch ist die beschriebene fachliche und methodische Vielfalt des Geographiestudiums nur in den grossen Instituten möglich. Die zunehmende Spezialisierung innerhalb der Geographie, die sich auch in den Studiengängen niederschlägt, ist von Leybold zu wenig berücksichtigt. Es ist zudem nicht möglich, in einem dreijährigen Bachelorstudium, das nach der Bologna-Deklaration zu einem berufsqualifizierenden Abschluss und für die Mehrzahl der Studierenden zu einer ersten Berufseinmündung führen soll, die beschriebene Breite und die notwendige Tiefe zu vermitteln. Selbst im Masterstudium hat die Spezialisierung in der Regel Vorrang gegenüber der inter- und transdisziplinären Ausbildung. Umso wichtiger ist für die Studierenden die Studiengestaltung im Hinblick auf mögliche Berufswünsche, zum Beispiel mit der Wahl der Nebenfächer und der Wahlveranstaltungen in der Geographie.

Die folgenden beiden Kapitel sind sehr praxisbezogen und konkret auf die Kommunikationsstrategie bei der Stellenbewerbung und beim Bewerbungsgespräch ausgerichtet. Dabei kommt die langjährige Berufserfahrung des Autors als Unternehmensberater deutlich zum Ausdruck. Die Kommunikation von Stellenbewerbern und -bewerberinnen beginnt oft schon damit zu erklären, was Geographie ist und was im Geographiestudium gelernt wird. Leybold bezeichnet die heutige Situation als Informationsvakuum! Je weiter eine zu besetzende Stelle von zentralen Fragestellungen der Geographie entfernt ist, desto wichtiger ist die Information zum Geographiestudium. Neben einem allfälligen Berufspraktikum sind Erfahrungen ausserhalb des Studiums, etwa in einem Verein, einer Jugendorganisation oder bei einem Sozial- oder Umweltengagement wichtig. Eine Berufserfahrung, die oft in Stellenausschreibungen gewünscht ist, kann von den meisten noch nicht nachgewiesen werden, soll aber nicht von einer Bewerbung abhalten. Die Kommunikation der eigenen Motivation, Erfahrungen und Stärken muss gut vorbereitet und geübt werden, wenn möglich mit Mitstudierenden und fachfremden, nahestehenden Personen. Die Praxisnähe des Buches zeigt sich zum Beispiel darin, dass auch eine Strategie gegen Lampenfieber bei Vorstellungsgesprächen beschrieben ist.

Obschon der Autor davon ausgeht, dass sich die Geographiestudierenden auf ausgeschriebene Stellen bewerben, wird im letzten Kapitel die Möglichkeit der Initiativbewerbung dargestellt. Leybold empfiehlt dazu, vorgängig telefonisch oder schriftlich bei den möglichen Arbeitgebern nachzufragen, ob eine Initiativbewerbung möglich und erwünscht sei, weil jede Bewerbung mit grossem Aufwand verbunden ist.

Zusammenfassend stärkt das Buch das Selbstbewusstsein der Berufseinsteiger und -einsteigerinnen, indem sie sich ihre fachlichen und persönlichen Stärken bewusstmachen müssen. Nur nebenbei ist erwähnt, dass sie sich auch ihrer Schwächen und fachlichen Lücken bewusst sein sollten, um ehrlich und realistisch auftreten zu können und nicht überheblich zu erscheinen. Besonders im Bachelorstudium, das in Deutschland im Gegensatz zur Schweiz berufsqualifizierend aufgebaut ist und entsprechend für die Mehrzahl der Studierenden zu einer ersten Berufseinmündung führen soll, können die genannten geographischen Methoden und Fachbereiche nur teilweise erworben werden. Zudem findet bereits im Bachelorstudium und verstärkt im Masterstudium eine Spezialisierung statt, sodass die beschriebene Vielfalt des Geographiestudiums für den einzelnen Studenten und die einzelne Studentin nur beschränkt gegeben ist. Der Autor geht auch davon aus, dass jederzeit und überall eine Vielzahl von Stellen für Geographen und Geographinnen angeboten werden, was nur bedingt der Realität entspricht. Zudem werden in Stellenanzeigen nur selten explizit Geographen oder Geographinnen als mögliche zukünftige Mitarbeitende genannt.

Insgesamt ist das Buch eine wertvolle Hilfe für den Berufseinstieg und kann nicht nur allen Geographiestudierenden empfohlen werden, sondern hilft auch, das Informationsvakuum zur Geographie und zum Geographiestudium bei Unternehmern und Unternehmerinnen zu verkleinern, was in der Zeit des Fachkräftemangels besonders wichtig ist.

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