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Was sind kulturelle Gedächtnisräume? – Erinnern, Raum und das kulturelle Gedächtnis nach Aleida und Jan Assmann
Elena Hubner
The study of places of memory is an expanding field in international geography, in which the concept of cultural memory by Aleida and Jan Assmann, which has its origins in German-language cultural studies, has received little attention. However, in a concentration of the concept on the specific concerns of a cultural-geographical study of places of memory lies the possibility – especially as an important intellectual style of German Theory – to explicitly ask about the mechanisms of origin and function of places of memory. The basic assumption of the concept is that cultural memory functions as a medial storehouse of experiences from the past. Based on the assumption that places of memory cannot be a storage, but only an anchor of memories, the article develops a space-oriented conception of cultural memory spaces derived from the basic features of cultural memory. The following four characteristics are elaborated: Cultural memory spaces are (1) dynamic and (2) present-related (3) supports of memory, (4) in which individual memories intertwine with cultural memory.
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Vergangenheit ist ein wesentlicher Bestandteil des menschlichen Daseins sowie seiner Institutionen, Werte und Muster des Gesellschaftlichen. Das Individuum bedarf eines Gedächtnisses, um sich überhaupt als Teil einer menschlichen Gemeinschaft zu fühlen (Assmann, 1995:51). Im gleichen Maße benötigen Gesellschaften ein kollektives Gedächtnis, um sich auf Grundlage eines umfassenden Erfahrungsschatzes, der allen Mitgliedern eigen ist, als Gemeinschaft identifizieren zu können. Mit dem Konzept des kulturellen Gedächtnisses, das seit Jahrzehnten vom Ehepaar Aleida und Jan Assmann entwickelt und populär gemacht wird, leistet die deutschsprachige Kulturwissenschaft einen entscheidenden Beitrag, die hohe gesellschaftliche Bedeutsamkeit kollektiver Erfahrungsspeicherung auf wissenschaftlicher Ebene fassen zu können.
Das kulturelle Gedächtnis beschreibt
den jeder Gesellschaft und jeder Epoche eigentümlichen Bestand an Wiedergebrauchs-Texten, -Bildern und -Riten […], in deren ‚Pflege‘ sie ihr Selbstbild stabilisiert und vermittelt, ein kollektiv geteiltes Wissen vorzugsweise (aber nicht ausschließlich) über die Vergangenheit, auf das eine Gruppe ihr Bewußtsein von Einheit und Eigenart stützt (Assmann, 1988:15).
Es theoretisiert die Verdichtung kollektiver Vergangenheitsbezüge zu einem identitätsstiftenden Erfahrungs- und Wissensspeicher. Es hält Sinnelemente vornehmlich aus der Vergangenheit für den aktiven Gebrauch in der Gegenwart bereit, die nach der Reaktivierung als Erinnerung das Selbst der Erinnerungsgemeinschaft und seiner Mitglieder stützen. Ein Behälter für Erinnerungen ist das kulturelle Gedächtnis jedoch nur auf metaphorische Weise, denn aus sich selbst heraus kann es nichts bewahren. Das können nur menschliche Individuen, indem sie im Gehirn neuronale Netze aufbauen (Piefke und Markowitsch, 2010:3). Erinnern – das aktive Wiederholen einer Erinnerung in das momentane Denken – kann demnach nur der Mensch. Das kulturelle Gedächtnis benötigt daher externe Akteure. Zu seinem Träger wird Kultur. Sie übernimmt jene Speicherfunktion, die losgelöst von subjektbezogenen Erinnerungsleistungen generationsübergreifend Memoriawirkung entfaltet (Assmann und Assmann, 1994:114).
Nahbar scheint das kulturelle Gedächtnis in materiellen und immateriellen Erinnerungsräumen zu werden (Assmann, 2009:16); Denkmäler, Mahnmale oder historische Bauten schlagen scheinbar eine sichtbare Brücke in die Vergangenheit, die Gedächtniskontinuität sichert und Erinnern über einen langen Zeitraum sicherstellt. Wie solche Räume zu ihrer Bedeutung und Relevanz gelangen, ist indes ein komplexer Prozess, der seit den 1990er Jahren insbesondere in der Geographie hinterfragt wird. Charlesworth (1994) nähert sich räumlichem Erinnern über eine Analyse symbolischer Räume. Alderman (1996) nimmt Straßennamen und die Aushandlung ihrer räumlich memorablen Wirkung in den Blick. Till (2001) betrachtet Denkmäler als Aushandlungsfolie für nationale Erinnerungsdiskurse. In jüngerer Zeit rückt insbesondere die englischsprachige Geographie die Fragilität und Vorläufigkeit verräumlichter Erinnerung in ihr Zentrum (DeSilvey, 2020; Rhodes, 2021). Während es in der anglo-amerikanischen Auseinandersetzung häufig um Bedeutungszuschreibungen und Machverhältnisse geht, liegt der deutschsprachige Diskurs der geographischen Erinnerungsforschung quer dazu. Beginnend mit Petermann (2007) wird eine ausgesprochen handlungsorientierte Perspektive eingenommen. Einig ist man sich darin, dass Räume, Orte oder Landschaften, die mit Erinnern assoziiert sind, ausgehend von ihrer bloßen physischen Materialität keine „erinnernde“ (Maus und Petermann, 2019:4) oder gar eine die Erinnerung „stärkende Funktion“ (Petermann, 2007:25) erfüllen können. Vielmehr gehen Raum, Ort, Denkmal, Landschaft nur durch aktives Handeln einzelner oder mehrerer Menschen eine sinnstiftende Verbindung mit kollektiven Vergangenheitsbezügen ein. Dass es ungemein komplex ist, die Mechanismen zu beschreiben, die diese Verknüpfung hervorbringt, zeigt bereits die Mannigfaltigkeit der Begriffe an, mit denen der Forschungsgegenstand beschrieben wird. Die Spannweite reicht von Ausdrücken wie „Erinnerungs- und Gedächtnisorte“ (Leipold, 2019:63), „Orte des Erinnerns“ (Bischoff und Denzer, 2009:5) über „monument[s]“ (Meusburger et al., 2011:10), „landscapes of memory“ (Maus, 2015:215), „memorial sites“ (Leggewie, 2011:123) bis hin zu „Gedenkräume“ (Petermann, 2007:17). Nichtsdestotrotz ist allen deutschsprachigen Beiträgen gemein, dass sie mit Hilfe der Geographie als dezidierter Raumwissenschaft der kultur-, geschichtswissenschaftlichen und/oder sozialwissenschaftlich orientierten Gedächtnisforschung (z. B.: Erll, 2017; Wischermann, 2002; Gudehus et al., 2010) helfen möchten, das spannungsreiche Verhältnis von Erinnern und Raum aus einer raumorientierten Perspektive zu beleuchten (Leipold, 2019:62). Dazu greifen sie fast ausnahmslos den Begriff des kulturellen Gedächtnisses auf und reichern ihn mit weiteren Konzepten an: Petermann (2007) fügt ihm zum Beispiel ein Desiderat verschiedener Ritualtheorien hinzu, Maus (2015) u. a. die Praxistheorie von Theodore Schatzki (1996) und Leipold (2022) die Idee des alltäglichen Geographie-Machens (Werlen, 1999). Kübler (2021) bildet eine Ausnahme. Sie nähert sich Erinnerungsorten aus der Perspektive der Frankfurter Schule. Eine gründliche Verarbeitung der Ideen über Kultur, Gesellschaft und Formen kollektiven Erinnerns, die Assmann und Assmann in ihrem Konzept des kulturellen Gedächtnisses entfalten, fehlt in der geographischen Erinnerungsforschung bislang jedoch1. Die deutschsprachige Humangeographie „verschüttet“ (Korf et al., 2022:85) das kulturelle Gedächtnis gewissermaßen unter einem Sedimentberg weiterer konzeptioneller Ideen. Wenn jedoch nochmals auf einer grundlegenden Ebene darüber nachgedacht werden soll, was Erinnerungsräume überhaupt sind, bietet das Konzept argumentative Vorzüge, die zwar vor allem im Konzeptionellen, aber auch mit einigen Einschränkungen in seiner Verortung in der deutschen Nachkriegsgeschichte liegen. Auch wenn das Konzept des kulturellen Gedächtnisses im deutschsprachigen Raum als durchaus berühmt betrachtet werden kann – immerhin hat das Ehepaar 2018 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten –, bedarf es also der „Wiederaneignung“ (Korf et al., 2022:85) und kann als Teil der German Theory betrachtet werden. Nach einer gründlichen Re-Lektüre kann dann in einem weiteren Schritt auf den Import in die internationale Geographie, die das Konzept kaum referenziert, hingearbeitet werden.
Der folgende Beitrag möchte daher einladen, das Konzept des kulturellen Gedächtnisses ernst zu nehmen und seine Argumentationsstränge mit einem geographischen Auge zu durchleuchten. Der Gedanke, dass sich Gedächtnisinhalte nicht in Orte auslagern lassen (A. Assmann, 1999:21), wird genutzt, um in Abgrenzung zu den bestehenden Begriffen eine Vorstellung von kulturellen Gedächtnisräumen zu entwerfen, die aus dem Konzept des kulturellen Gedächtnisses heraus der Frage nachgeht, wie solche Gedächtnisräume überhaupt funktionieren und welchen Dynamiken sie unterliegen. Daher wird im ersten Schritt aus den bisherigen Überlegungen der Kultur- und Sozialgeographie zu verräumlichten Erinnerungen die zentrale Herausforderung für eine vertiefte Konzeptualisierung kultureller Gedächtnisräume abgeleitet – nämlich das Vermitteln zwischen Materialität und Erinnerung sowie zwischen Gesellschaft und Individuum. Anschließend wird das Konzept des kulturellen Gedächtnisses vorgestellt und innerhalb der German Theory verortet, um sodann vier Charakteristika kultureller Gedächtnisräume vorzustellen. Hauptaugenmerk wird dabei auf die Entstehungs- und Veränderungsanlässe von Gedächtnisräumen gelegt, denn obwohl der prozesshafte Charakter von Erinnerungsorten allgemein akzeptiert ist (Tyner et al., 2014; Till und Kuusisto-Arponen, 2015; Pirker et al., 2019), kann das bisherige Verständnis mit der hier vorgestellten Konzeption von kulturellen Gedächtnisräumen entscheidend vorangebracht werden.
Räume in direkter Weise als Speicher für Wissen und Erfahrung zu konzeptualisieren ist für die Geographie nicht möglich. Denn Räume können wie das kulturelle Gedächtnis auch kein Gedächtnis im eigentlichen Sinne aufbauen oder gar erinnern. Einleuchtend ist daher, dass mit vergangenen Erfahrungen assoziierte Räume Resultat (sozial-)konstruktiver Prozesse an der Schnittstelle von Individuum, Gesellschaft, Materialität und Diskurs sein müssen (Scharvogel und Rost, 2009). Um sich dieses sozialkonstruktiven Charakters aus gedächtnistheoretischer Sicht zu vergewissern, bezieht sich die Geographie (z. B. Johnson, 1995; Petermann, 2007; Jones und Osborne, 2020) häufig auf den Begriff lieux de mémoire des Historikers Pierre Nora (1990). Dies sind Kristallisationspunkte kollektiv-nationaler Geschichte und Identität, die als Ersatz für untergegangene milieux de mémoire (Nora, 1990:11) nationale Erinnerung in Form von Denkmälern, Gebäuden, Liedern, Texten und vieles mehr sicherstellen. Als „standard reference“ (Legg, 2005:481) geographischer Arbeiten dienen die Überlegungen Noras zur theoretischen Vergewisserung, dass Erinnern eine soziale Praxis ist, die produktiv auf die Herstellung gemeinschaftsstiftender Identitäten wirkt (Crang und Travlou, 2001:161) und im nicht-metaphorischen Raum Ausdruck findet (Mitchell, 2003:456). Aufgrund seiner räumlichen Konnotation erfreut sich der Begriff „Erinnerungsorte“ großer Beliebtheit und wird oft unhinterfragt als universelle Bezeichnung für den Forschungsgegenstand übernommen. Vernachlässigt wird, dass Nora keinerlei Anspruch einer dezidierten Auseinandersetzung mit räumlichen Konstruktionsprozessen erhebt. Sein ‚Raum‘-Verständnis ist so breit, dass nahezu alles zu einem Erinnerungsort erhoben werden kann (Hagen, 2009:692), und sein Festlegen von Kristallisationspunkten der Erinnerung endet genau dann, wenn die räumliche Kondensation abgeschlossen scheint (Michel und Paulus, 2017/2018:24). Aufgrund ihrer vordergründigen Verfestigung werden sie für soziokulturelle Veränderungen im gesellschaftlichen Erinnerungsdiskurs weitgehend unempfindlich. Hinzu kommt ein Umstand, den Hintermann (2019:16) als „nationalen Containerraum“ beschreibt. Primäres Ziel der Arbeit von Nora an französischen lieux de mémoire ist die neuerliche Erweckung der Erinnerungskraft der französischen Nation, indem er Vergangenheitsbezüge nationaler Relevanz in Form ideeller Kristallisationen in den gesellschaftlichen Diskurs einbringt. Zielpunkt seiner Überlegungen ist eine Nationalgemeinschaft, die die Gemeinschaft nach innen unifiziert und nach außen abgrenzt. Erinnerungsorte geraten so schnell unter den Verdacht der Exklusivität und Ausgrenzung (Hintermann, 2019:16). Vor diesem Hintergrund hat die geographische Erinnerungsforschung bislang zwei Bezugsmöglichkeiten mit leicht unterschiedlichen Schwerpunkten hervorgebracht. Während mit den Ideen des landscape symbolism (Lowenthal, 1975; Tuan, 1979; Cosgrove, 1984; Duncan, 1990) vor allem die Verknüpfung von Gesellschaft und Diskurs bearbeitet wird, heben die Arbeiten, die mit den Überlegungen der non-representational-theory (NRT) (Thrift, 1996) arbeiten, den Zusammenhang von Individuum und Materialität hervor.
Die am landscape symbolism orientierte geographische Erinnerungsforschung (z. B. Till, 2001; Foote und Azaryahu, 2007; Dwyer und Alderman, 2008) versteht unter landscape2 einen Raumausschnitt, der aus menschlicher Aktivität hervorgeht und gleichzeitig durch seine je spezifische Ausgestaltung auf die Gesellschaft und ihre sozio-kulturelle Ordnung zurückwirkt (Duncan und Duncan, 1988:120), ohne deterministisch-essentialistische Kongruenzen zwischen Raum und Gesellschaft vorzugeben. Im Sinne Noras definierte Erinnerungsorte werden daher als scenic Ergebnisse einer praktizierten und sozialen Erinnerungskultur aufgefasst, die wie ein Text gelesen und interpretiert werden können (Johnson, 1995:62; Duncan und Duncan, 1988:119). Sie werden zu objektiv sichtbaren Repräsentationen der kollektiven Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, z. B. nach massiven Gewaltausbrüchen (Johnson, 2011; Tyner et al., 2014; Post, 2016) oder nach der Entstehung von neuen ideologischen Sinnzusammenhängen wie etwa beim Zusammenbruch der Sowjetunion (Czepczyński, 2009) oder der deutschen Wiedervereinigung (Stangl, 2008). Auch in postkolonialen Zusammenhängen (Roy, 2014; Craggs, 2018) und in der Bewältigung nationalsozialistischer Vergangenheit (Hagen, 2004, 2009; Till, 2005) werden Erinnerungsorte zum Ausdruck einer bestimmten Sichtweise auf geschichtliche Ereignisse errichtet.
Der non-repräsentationale Zugang kritisiert die Prämisse, von symbolischen Repräsentationen auf gesellschaftliche Zusammenhänge zu schließen. Räume entziehen sich der direkten menschlichen Erkenntnis, da sie in einem Interaktionsnetzwerk verschiedener verkörperter Erfahrungen hervorgebracht werden (McCormack, 2017:7). Als ein spezieller Zugang zur Welt sind nicht die Produkte menschlichen Handelns, sondern das handelnde Interagieren menschlicher und nicht-menschlicher Agens selbst die Erkenntnisgrundlage der NRT (Thrift, 2007:2; Lorimer, 2008:552). Erinnernde Räumlichkeit wird hervorgebracht in visuellen, affektiven, ästhetischen und atmosphärischen Wahrnehmungen (Sumartojo und Graves, 2018:329), bei denen zwischen dem materiellen Raumausschnitt und der Körperlichkeit des Individuums eine bedeutungsvolle Verbindung entsteht. Aufgrund des Ansporns der NRT „more-than-human“ (Lorimer, 2005:83) oder „more-than-textual“ (Lorimer, 2005:83) zu sein, wird betont, dass Erinnerungsorte erst lebendige Orte werden, wenn sie durch körperliche Aktivität oder gerichtete Wahrnehmung eines Einzelnen belebt werden (McAuley, 2006; Muzaini, 2015; Heath-Kelly, 2018). Sie bedürfen folglich praktischer und handelnd-tätiger Aktivierungen (Drozdzewski et al., 2019:261; Rose, 2002), z. B. in Form von Zeremonien, Ritualen (z. B. Petermann, 2007) oder alltäglichen Praktiken (z. B. Maus, 2015).
Eine strikte Grenze zwischen beiden Forschungssträngen gibt es nicht. Empirische Arbeiten finden sich meist im fließenden Übergangsbereich zwischen dem landscape symbolism und der NRT. Kritik, die der bisherigen Erinnerungsforschung entgegengebracht werden kann, trifft daher auch beide Zugänge gleichermaßen. Je nach Schwerpunkt und Perspektivierung kann die Überbetonung des Individuums bei gleichzeitiger Vernachlässigung gesellschaftlicher Strukturen oder vice versa die Überbetonung gesellschaftlicher Strukturen bei gleichzeitiger Vernachlässigung individueller Sinnkonstruktionen moniert werden. Und es kann entweder beanstandet werden, dass Repräsentationen zu viel Gewicht bei der Herstellung von Erinnerungsorten und gegenwärtigem, individuellem Erleben zu wenig Gewicht beigemessen wird oder wiederum vice versa kann sich am Verharren aller Raumkonstruktionen in der unmittelbaren Gegenwart bei gleichzeitiger Geringschätzung repräsentationaler Bedeutungen gestört werden. Herausforderung ist nun, einen Zugang zu finden, der es vermag, zwischen Individuum, Gesellschaft, symbolischer Bedeutung und Materialität zu vermitteln. Dazu wird das Konzept des kulturellen Gedächtnisses herangezogen.
Alles im nachfolgenden Kapitel dient dem Beweis und der Erklärung der Hauptthese des Beitrags: Materielle Gedächtnisräume sind vergleichbar mit einem Anker. Sie knüpfen Erinnerungsgemeinschaften an vergangene Erfahrungen. Speichern können sie Erinnerungen nicht; für aktive Vergangenheitsbezüge Sorge tragen kann nur die Gemeinschaft und die ihr angehörenden Individuen. Aus den Vorstellungen des kulturellen Gedächtnisses wird hier eine Idee kultureller Gedächtnisräume entwickelt, die die veränderliche und sozial-individuelle Konstruktionsleistung räumlichen Erinnerns betont. Ein Anker hält sein Schiff im Meeresgrund an einer bestimmten Position fest. Auf ähnliche Weise verankert ein kultureller Gedächtnisraum Vergangenheitsbezüge im kollektiven Bewusstsein einer Erinnerungsgemeinschaft. Der Anker übernimmt dabei lediglich die Funktion eines Hilfsmittels – ohne ein Schiff oder ohne den Meeresboden kann er seinen Zweck nicht erfüllen. Ein Gedächtnisraum kann folglich auch nur als Stütze fungieren, die nur in Abhängigkeit von Gesellschaft, Individuum und kulturellem Gedächtnis ihre erinnerungsstiftende Funktion entfalten kann. Wenn der Anker auf Wellenbewegungen reagieren muss, um seine Ankerfunktion nicht einzubüßen, sind kulturelle Gedächtnisräume Veränderungen ausgesetzt, die sich aus der natürlichen Veränderlichkeit gesellschaftlicher Konfigurationen ergeben. Anders als die metallene Materialität des Ankers muss der Gedächtnisraum diese Veränderungen aber auf irgendeine Weise in sich aufnehmen und verarbeiten, um seinen stützenden Charakter nicht zu verlieren. Ohne diese permanenten Anpassungen erscheint er schnell als Artefakt, das gesellschaftliche Veränderungen verdeckt und verschleiert oder bewusst verdecken und verschleiern will.
Als kulturwissenschaftlicher Ansatz ist das Konzept des kulturellen Gedächtnisses daran interessiert, das Bestehenbleiben von Erinnerungen über die Grenze von drei Generationen hinweg zu erklären. Es nimmt an, dass Gemeinschaften alle Wissens- und Erfahrungsbestände, die als so wichtig erachtet werden, dass sie auch für nachfolgende Generationen von Relevanz sein sollen, in einem kollektiven Gedächtnis ablegen, um daraus eine Vorstellung von der eigenen Identität zu entwickeln ( Assmann, 1988:15, 1992:143; A. Assmann, 1999:15). Als Weiterentwicklung des sozialen Gedächtnisses nach Halbwachs (1966) ist das kulturelle Gedächtnis auf Permanenz gerichtet, die über die Begrenztheit von Mündlichkeit hinausgeht. Auf mündlichen Austausch basiert das kommunikative Gedächtnis (Assmann, 1992:48ff.). Es ist ein vorübergehender Behälter für (Erfahrungs-)Wissen der rezenten Vergangenheit, das primär dem Stiften von (familiärer) Gemeinschaft dient. Um die zeitliche Limitation des kommunikativen Gedächtnisses zu überwinden, sind formalisierte Formen des Austausches notwendig (Assmann, 1988:11). Diese sind im Gesamten der kulturellen Äußerungen einer Gemeinschaft kodifiziert. In der Kultur – dem „historisch veränderliche[n] Zusammenhang von Kommunikation, Gedächtnis und Medien“ (Assmann und Assmann, 1994:114) – sind also jene „Fixpunkte“ (Assmann, 1992:52) vergangener menschlicher Hervorbringungen eingeschrieben, aus der die Gemeinschaft ihre je spezifische Eigenart gewinnt. Mittels dieser kollektiven Verständigung über einen gemeinsamen Erfahrungsraum bildet sich eine „konnektive Struktur“ (Assmann, 1992:16), die die Mitglieder der Erinnerungsgemeinschaft in einem größeren zeitlichen Zusammenhang verortet. Kultur ersetzt jene direkte Speicherfunktion, die im kommunikativen Gedächtnis die individuellen Gedächtnisleistungen und mündliche Kommunikationssituationen übernehmen. Mittels ausgewählter kultureller Elemente wird die Vergangenheit zu einer Referenzfläche für die Gegenwart (Assmann, 2007:10), entlang derer die Gemeinschaft ihr Selbstverständnis von Einheit und Gemeinsamkeit entwickelt. In diesem Sinne stellt Kultur eine „Identitätsofferte […]“ (Assmann, 1993:240) dar, die im kulturellen Gedächtnis entfaltet wird.
Nicht immer ist es sinnvoll und es gelingt auch nicht immer, jeder vergangenen Erfahrung eine identische Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Lebendig kann immer nur das gehalten werden, das über die Vergangenheit im Rahmen der gegenwärtigen Situation noch rekonstruiert werden kann (Assmann, 1988:13). A. Assmann (1999) unterteilt das kulturelle Gedächtnis daher in ein Speicher- und ein Funktionsgedächtnis. Um das abzulegen, das nicht lebendig gehalten werden kann, weil es gegenwärtig als unbrauchbar und neutral betrachtet wird, steht das Speichergedächtnis – ein verwahrender Modus des Gedächtnisses – zur Verfügung (A. Assmann, 1999:136). Im Funktionsgedächtnis (A. Assmann, 1999:134) liegt dagegen das angeeignete Wissen einer Zeit, das aus dem Speichergedächtnis durch Selektion ausgewählt und aktualisiert wurde (A. Assmann, 1999:136). Es ist ein bewusstes Gedächtnis, das dann Veränderungen unterliegt, wenn Inhalte aus dem Hintergrund, also dem Speichergedächtnis, aktiviert und in neue Zusammenhänge gesetzt werden oder wenn Elemente an Bedeutsamkeit verlieren und schließlich in das Speichergedächtnis übergehen. Eine offene Grenze zwischen beiden Gedächtnisformen garantiert, dass Prozesse des Vergessens und Erinnerns ungehindert ineinandergreifen können.
Das Konzept des kulturellen Gedächtnisses kann in zweifacher Hinsicht als Teil der German Theory bestimmt werden: Erstens folgt die Idee von Kultur als Rückgrat der sozialen Gestalt einer Gesellschaft dem Kulturverständnis, das im Zuge der Neubegründung der Kultursoziologie im deutschsprachigen Raum in den 1980er Jahren entstanden ist. Es greift damit die „deutschsprachige […] Geistestradition“ (Korf et al., 2022:85) auf. Aufbauend auf Gedanken von z. B. Dilthey (1993), Simmel (1986) oder Weber (2016) wird die Ganzheitlichkeit von Kultur als übergeordnetes Bedeutungssystem des menschlichen Lebens akzentuiert, um damit einen verstehenden Zugang zum Gesellschaftlichen zu entwickeln. In synthetisierender Manier wird herausgestellt,
daß alle Sozialität, also alle Konstitutionsbedingungen von Vergesellschaftung (und Gesellschaftsbildung) gebunden sind an die spezifisch kulturellen Sprach- und Symbolisationsfähigkeiten, die die Lebensweise des Menschen auf allen Ebenen bestimmen (Rehberg, 2014:395).
Kulturelle Hervorbringungen konstruieren kein isoliertes, von anderen Gesellschaftsbereichen abgetrenntes Bedeutungssystem, sondern wirken wesentlich auf die Ausformung der Gesellschaft selbst3. Das Konzept des kulturellen Gedächtnisses greift dieses geweitete Verständnis von Gesellschaft als „Kulturerscheinung“ (Tenbruck, 1989:47) auf und bestimmt Kultur als entscheidenden Träger von Erinnerung4.
Zweitens greift das Konzept Herausforderungen und Diskussionen der deutschen Nachkriegsgeschichte auf. Es hat seine Ursprünge im geistigen Milieu der Bundesrepublik der 1980er Jahre, als trotz vielzähliger Initiativen in den vorangegangenen Jahrzehnten das Erinnern der nationalsozialistischen Vergangenheit den gesellschaftlichen Mainstream erreicht. Während nach langem Schweigen (z. B. Mitscherlich und Mitscherlich, 2009) die Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen zur nationalen Aufgabe erklärt wird (z. B. Rürup, 2014), bedroht gleichzeitig das Erlöschen personengebundener Gedächtnisse das Erinnern. Das Konzept des kulturellen Gedächtnisses präsentiert sodann Wege einer subjektungebundenen Speicherung über Generationengrenzen hinweg und stellt damit dem Verdrängen und Vergessen der deutschen Nachkriegsgesellschaft sinnstiftendes Erinnern entgegen. Zugleich präsentiert es sich als Alternative zum Konzept der Erinnerungsorte. Wenn Nora eine identitätsstiftende Verfestigung der französischen Nation bezweckt, indem er auf Glorreiches und Heroisches der Vergangenheit zielt, verfehlt dies die deutsche Zurückhaltung in nationalen Selbstbeschreibungen in diesem Bereich. Stattdessen wird im kulturellen Gedächtnis mahnendes Erinnern an den Nationalsozialismus und die Shoah verankert und so zur Grundlage nationalen Selbstverständnisses gemacht (z. B.: Steinmeier, 2020; vgl. auch: Zifonun, 2004). Auch wenn A. Assmann in den vergangenen Jahren bemüht ist, das Konzept des kulturellen Gedächtnisses für Formen geteilter oder „dialogische[r] Erinnerung“ (Assmann, 2018:137) zu öffnen, um die „gegenseitige Anschlussfähigkeit nationaler Geschichtsbilder“ (Assmann, 2018:137) hervorzuheben5, zeigt sich hier eine entscheidende Schwachstelle des kulturellen Gedächtnisses: Es haftet an einer Erinnerungsgemeinschaft, die sich mittels ihrer Schwerpunktsetzungen in kollektiven Bezügen zur Vergangenheit nach außen abgrenzt und nach innen ein gemeinschaftliches Selbstbild verleiht. So tritt nationale Abgrenzung gewissermaßen durch die Hintertüre wieder in das Konzept hinein und geteilte Vergangenheitsbezüge, die Provinzialisierungen im Denken überwinden und zu „inklusiver Solidarität“ (Assmann, 2020:303) führen können, finden nur schwerlich Platz in kulturellen Gedächtnissen.
Die Idee, Räume zu gestalten, die der Erinnerung an Personen (Nipperdey, 1968:534) und etwas später auch an besondere Geschehnisse (Nipperdey, 1968:574) gewidmet sind, setzt sich durch, als in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit der Konstituierung der geschichtlichen Welt (Koselleck, 1989:181) und der Entdeckung der Erinnerung (A. Assmann, 1999:89) ein neues Bewusstsein für Vergangenheit und für eine nationale Gemeinschaft entsteht. Die aus vergangenen Ereignissen abgeleitete Gewissheit über nationale Herkunft und über eine nationale Grundstimmung wird in diesen Orten im Boden verankert und soll für Gegenwart und Zukunft auf ewig festgehalten werden. Die Materialisierungen patriotischer und nationaler Bewusstheit sind in der Regel fiktive Räume, die (zumeist) absichtsvoll errichtet worden sind, um dauerhafte Erinnerung zu gewährleisten. Es sind „‚Orte‘, an denen sich in Form von Erinnerung gegenwärtiges Selbstverständnis und aktuelle Selbstvergewisserung von Individuen und Kollektiven manifestieren“ (Fried, 2008:163f.).
Indem sie einen sichtbaren Zusammenhang zwischen dem räumlich-materiellen Ort und dem zu Bewahrenden herstellen, geben sie vor, ein authentisches Abbild früherer Wirklichkeiten zu evozieren. In Wahrheit sind sie jedoch höchst unzuverlässige Zeugen (Dwyer, 2004:422). Sie verbergen mehr, als dass sie bezeugen (DMitchell, 2002:385), da sie historische Ereignisse in verdichteter Form im Modus der Erinnerung darstellen. Genauso wie Inhalte und Intentionen des erinnernden Blicks in die Vergangenheit immer Kinder des aktuellen Lebensvollzugs sind, sind auch Räume des Erinnerns mehr Zeugen ihrer Entstehungszeit als der Geschichte, auf die sie verweisen. Sie sind daher bei weitem keine unproblematischen Repräsentationen von Geschichte (Dwyer und Alderman, 2008:168). Um den veränderlichen und vorläufigen Charakter von mit Erinnerung assoziierten Räumen zu betonen, wird fortan in Abgrenzung zu den Begriffen „Erinnerungsort“ und „Erinnerungslandschaft“ auf Basis des Konzepts des kulturellen Gedächtnisses der Ausdruck kultureller Gedächtnisraum verwendet. Bei gleichzeitiger Spezifizierung auf die Belange räumlichen Erinnerns lassen sich aus dem Konzept die folgenden vier Eigenschaften kultureller Gedächtnisräume herausarbeiten:
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Kulturelle Gedächtnisräume sind Stützen des Gedächtnisses. Sie sind keine Medien des Gedächtnisses, da ihnen konkrete Sinnanhaftungen fehlen, die über das Symbolische hinausgehen. Wichtigstes Speichermedium des kulturellen Gedächtnisses sind Texte. Texte agieren bis auf ganz wenige Ausnahmen (z. B. barocke Figurengedichte) auf symbolisch-sprachlicher Ebene. Unter Voraussetzung konstanter Interpretationsbedingungen sind sie daher bestens als Speichermedium von Sinn geeignet. Anders als Texte sprechen Gedächtnisräume aber nicht aus sich selbst heraus. Sie funktionieren auf einer doppelten, zirkulären Vermittlungsebene: Die materielle Ebene der Formensprache bleibt ohne die symbolisch-sprachliche Ebene bedeutungslos. Und die Symbolik bleibt ohne räumliches Empfinden und eine Aktivierung des individuellen Gedächtnisses bedeutungslos. Als individuelle Verkörperungen der kulturellen Erinnerungspraxis (Schwartz, 1996:909) nehmen sie die Rolle eines Vermittlers ein. Sie haben die Funktion eines Ankers, der Erinnerungen und die Erinnerungsgemeinschaft mit samt ihren Mitgliedern vertäut. Das kulturelle Gedächtnis übernimmt mit seinen speziellen Medien die speichernde Erhaltung kulturellen Sinns und das Individuum leistet die individuelle Praktik des kontinuierlichen Erinnerns. Das kulturelle Gedächtnis speichert Vergangenheitsbezüge, Erinnern erhält das Gedächtnis lebendig und ein kultureller Gedächtnisraum ist die Stütze, die zum aktiven Erinnern immer wieder animiert. Benutzt ein Schiff seinen Anker nicht, lässt die Meeresströmung das Schiff davontreiben. Benutzt eine Gemeinschaft ihre kulturellen Gedächtnisräume nicht bzw. gelingt es ihr nicht, ihre Mitglieder zum Benutzen seiner kulturellen Gedächtnisräume zu ermuntern, treibt die Erinnerung an den Rand des Funktionsgedächtnisses. Bald tritt dann Vergessen ein. Trotz ihrer Tendenz zur Verräumlichung sind kulturelle Gedächtnisräume also Räume, deren Bedeutungsgehalt deutlich über das hinausgeht, was die bloße Materialität des Raumes oder ein einmal formulierter Kommentar vermitteln könnte. Entscheidend sind die Erinnerungspraxis der Gemeinschaft und die Aneignung derselben durch das Individuum. Anders formuliert: Während das kulturelle Gedächtnis dem Erinnern dient, indem es Erinnerungen speichert, aktivieren kulturelle Gedächtnisräume das Gedächtnis, ohne Erinnerungen zu speichern.
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In kulturellen Gedächtnisräumen verschränkt sich das Außen des kulturellen Gedächtnisses mit dem Innen des individuellen Gedächtnisses. Das kulturelle Gedächtnis gibt eine gesellschaftlich ausgehandelte „ Wertperspektive“ (Assmann, 1988:14) als Rahmen einer Interpretation der Vergangenheit und des symbolischen Gehaltes des Gedächtnisraumes vor (Assmann und Assmann, 1994:114). Unter der Annahme, Raum sei ein soziales Konstrukt, bringt dies die spezifische Räumlichkeit eines kulturellen Gedächtnisraumes hervor, die typisch für die soziale Praxis des Erinnerns zu einem gegenwärtigen Moment ist. Zwar dient ein kultureller Gedächtnisraum dem Kontinuieren eines kollektiven Horizonts, aktivieren kann diesen Anspruch aber nur das Individuum. Es ermöglicht Erinnern einerseits durch Stärkung der kollektiven Gedächtnisinhalte im individuellen Gedächtnis und andererseits durch handelnden Umgang mit dem Raum. Erst indem das Individuum im Umgang mit dem Gedächtnisraum Vergangenes aktiv zurückholt, kann er seinen Zweck, eine Brücke in die Vergangenheit zu schlagen, erfüllen. Raum und Gedächtnis nehmen die Form einer affektiv gesteuerten Identitätsbildung an – wobei der Raum die sinnlich affektive Ebene aktiviert und seine Inhalte über den Kanal des kulturellen Gedächtnisses und die darin verankerten Vergangenheitsbezüge mobilisiert werden. Im Prozess des Erlebens werden die zirkulierenden Erinnerungen angereichert mit selbstbezogenen Sinnstiftungen, die die rein sprachlich-diskursive Ebene verlassen und auf ein asemiotisches Empfinden einstellen. Das geschichtliche Ereignis erhält identitätsstiftende Relevanz, sodass sich das Individuum im Zeitfluss und in der Gegenwart verorten kann. Indem kulturelle Gedächtnisräume so zur Überwindung der „Dualismen von Individuum und Gesellschaft“ (J. Assmann, 1999:15) beitragen, werden sie zu Werkzeugen eines aktiven Umgangs mit kulturellen Gedächtnisinhalten.
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Kulturelle Gedächtnisräume sind gegenwartsbezogen. Im kulturellen Gedächtnis werden Ereignisse in geformter und verarbeiteter Weise gespeichert (Assmann, 1992:58). In ihm verdichtet sich die Vergangenheit zu „symbolischen Figuren“ (Assmann, 1992:52). Noch stärker als das kulturelle Gedächtnis ist ein kultureller Gedächtnisraum keine Mnemotechnik, die auf eine möglichst exakte Ablage und Rückholung von Wissen zielt. Vielmehr ist er ein gegenwartsbezogener Organismus, der „durch das, was wir gemeinsam erinnern und vergessen“ (A. Assmann, 1999:62), für eine bestimmte Generation gemeinschaftsstiftend wirkt. Kulturelle Gedächtnisräume sind folglich in ihrer Qualität, aber auch in ihrer Quantität eingeschränkt. Anders als die auf detaillierte Rekonstruktionen ausgerichtete Geschichtswissenschaft kann es im kulturellen Gedächtnis zu Widersprüchlichkeiten und Ungenauigkeiten, Generalisierungen und Nuancierungen kommen. Dies hat aber nichts mit Unzuverlässigkeiten oder Fehlfunktionen von Speichern zu tun, sondern trägt dem Zweck des kulturellen Gedächtnisses und dem kulturellen Gedächtnisraum Rechnung. Sie sind von den Befindlichkeiten und Bedürfnissen der Gegenwart geprägt, die den Vergangenheitsbezügen durch Verdichtung, Selektion und Vergessen Relevanz und Horizont verliehen. Die im kulturellen Gedächtnis verwahrten Sinnelemente setzen sich von wissenschaftlich erarbeitetem und gelerntem Wissen über die Vergangenheit ab, ohne eine konträre Position einzunehmen. Entscheidend ist, dass die Vergangenheitsbezüge mit identitätsstiftenden Aspekten angereichert sind. Dementsprechend sind kulturelle Gedächtnisräume keine steinernen Geschichtsbücher. Ihre Bedeutsamkeit leitet sich weniger aus dem Zweck, Vergangenes für die Zukunft zu bewahren, sondern aus der Relevanz für die Gegenwart ab. Sie nehmen also immer den exklusiven Standpunkt einer raumzeitlich begrenzten Gruppe ein.
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Kulturelle Gedächtnisräume sind dynamisch. Zwar gilt zunächst Folgendes: So wie das kulturelle Gedächtnis bei fortschreitender Zeit Kontinuität sichert, vermittelt ein kultureller Gedächtnisraum einstweilen Permanenz, Ordnung und Sicherheit. Er ist – bildlich gesprochen – ein Fels in der Brandung. Wenn seinem sozio-kulturellen Umfeld keine Verschiebungen widerfahren, bleiben größere Veränderungen innerhalb seiner ihm zugrundeliegenden Sinnkonstruktion aus. Grundmechanismus des menschlichen Daseins ist jedoch ein ständiges Ablösen von verschiedenen Generationen. Daher ist es ganz natürlich, dass im kulturellen Gedächtnis im Rahmen der gegenwärtigen Wert- und Moralvorstellungen einer Generation die Auffassungen über vergangene Ereignisse „sporadisch und enerviert“ (A. Assmann, 1999:18) umgestaltet oder neu ausgearbeitet werden (A. Assmann, 1999:29). Jede Generation muss die Frage nach einem angemessenen Umgang mit ihrer Vergangenheit und mit den vorgefundenen Gedächtnisräumen neu beantworten6. Ein einmal errichteter Gedächtnisraum und die ihn betreffenden und zirkulierenden Erinnerungen unterliegt daher auch ständiger Anpassung und Veränderung im Rahmen der eben gerade aktuellen Bedürfnisse. „Ressource der Erneuerung kulturellen Wissens“ (A. Assmann, 1999:140) kann das Speichergedächtnis sein. Da es deutlich mehr Wissen enthält, als eine Gruppe überhaupt lebendig halten kann, und damit auch keine Schwerpunkte setzt, ist ihm immer eine Distanzierung zur aktuellen Identitätskonstruktion innewohnend. Als Außenhorizont kann es ihm daher gelingen, Relativierungen und Veränderungen zu erzeugen, die die Vorstellungen über die eigene Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu jedem Zeitpunkt neu ausloten lassen. Bestehende Gedächtnisräume erfahren dann auf zwei Ebenen Veränderungen: Zum einen werden die im Zusammenhang mit ihnen zirkulierenden Erinnerungen an die gegenwärtigen Befindlichkeiten angepasst und zum anderen wird die Materialität durch bauliche Veränderungen angepasst. Gedächtnisräume müssen nachgerade Brüche, Diskontinuitäten und Veränderungen abbilden, um nicht zu einem bedeutungslosen Anachronismus zu werden, der nur bewahrt wird, weil seine Erhaltung Tradition ist und nicht, weil er noch Relevanz für das gemeinschaftliche Zusammenleben hätte. Fundamentale Erschütterungen des Erlebens, z. B. Traditionsbrüche, Erosionen der kulturellen Selbstständigkeit (Assmann, 1992:293) oder drohende Identitätsverluste (Assmann, 1992:193) – oder nochmal bildlich: eine Sturmflut –, führen zu einer eingehenden Beschäftigung mit der Vergangenheit. Dies löst schließlich Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses und aller Gedächtnisräume aus. Neue Gedächtnisinhalte werden aktiviert, andere verlieren ihre gesellschaftliche Relevanz, (Wieder-)Erinnern und Vergessen setzt ein (Assmann, 1992:65), sodass alte Gedächtnisräume ihre Bedeutung verlieren, bestehende Gedächtnisräume palimpsestartig überschrieben werden oder neue Gedächtnisräume entstehen.
Unterschieden nach verschiedenen Zeithorizonten lassen sich die Dynamiken eines kulturellen Gedächtnisraumes folgendermaßen beschreiben (vgl. Tabelle 1).
Gerichtet auf die Vergangenheit dient die Konstruktion und Belebung eines kulturellen Gedächtnisraumes der Sicherstellung von Kontinuität. Zwar erfordert dies das Einpassen bestehender Gedächtnisinhalte in die immer neu entstehende gesellschaftliche Umgebung, eine grundlegende Veränderung von Bedeutungselementen im kollektiven Gedächtnis findet jedoch nicht statt. Räumliche Erinnerungsvorgänge werden genutzt, um vorhandene Gedächtnisinhalte dauerhaft hervorzuheben und damit Ideen vom Selbstbild der Gruppe weiterzutragen (Schwartz, 1991:222).
Gerichtet auf die Gegenwart dient die Errichtung eines kulturellen Gedächtnisraumes dem sofortigen und sichtbaren Überschreiben des vorhandenen Selbstbildes. Neue Gedächtnisinhalte werden gebildet, um sich einer „neuen“ Vergangenheit bewusst zu werden. In Krisenfällen entsteht die Notwendigkeit, sich des eigenen Selbstbildes sofort zu vergewissern. Dann entstehen kulturelle Gedächtnisräume, die vorhandene Bedeutungsstrukturen reproduzieren. Fällt dagegen eine Bedeutungsstruktur weg, kann sich das Bedürfnis nach einer möglichst schnellen Überschreibung des vorhandenen Selbstbildes entwickeln. Um die nähere Vergangenheit zu überdecken, entstehen dann z. B. durch Überschreibungen kulturelle Gedächtnisräume, die entweder der Rückholung einer weit zurückliegenden Vergangenheit dienen, um sich so auf seine historischen Wurzeln zu berufen, oder die ein völlig neues Bild des Selbst konstruieren. Dabei geht es auf nationalem Maßstab darum, eine Deutungslücke im gemeinschaftlichen Selbstverständnis durch das Definieren eines nationalen Mythos zu schließen.
Erinnern beziehungsweise das Herstellen eines kulturellen Gedächtnisraumes ist dann auf die Zukunft gerichtet, wenn die vorhandenen Vorstellungen über die Vergangenheit nicht mehr mit den gegenwärtigen Bedingungen kongruent sind. Es entstehen neue Gedächtnisräume. Wesentlich für das Selbstbild einer Gesellschaft ist zunächst eine Vorstellung davon, wie Vergangenheit und Gegenwart voneinander getrennt werden können (Le Goff, 1992:27). Insbesondere die Definition von Gegenwart beruht dabei auf einer „Zäsur auf kollektiver Ebene“ (Le Goff, 1992:27), die dann zu setzen ist, „wenn keine Augenzeugen mehr leben und direkt vermittelnde Ohrenzeugen nicht mehr zu befragen sind“ (Koselleck, 1989:185). So wie die Gesellschaft eine Vorstellung von ihrer Gegenwart hat, entwickelt sie auf Basis dieser Abgrenzung im kulturellen Gedächtnis ein bestimmtes Bewusstsein über ihre eigene Vergangenheit. Gelingt es nicht, diese Gedächtniselemente über gesellschaftliche Veränderungen hinweg weiter zu erhalten, wird die gesellschaftliche Einheit und Kontinuität so stark unterdeterminiert sein (Schwartz, 1991:222), dass eines gesellschaftliche „Erneuerung zugleich als unvermeidlich und sozial erwünscht erachtet wird“ (Le Goff, 1992:37). Diese zunächst oft unbewusste und nicht konkretisierbare Widersprüchlichkeit öffnet das Fenster für Prozesse der gesellschaftlichen Veränderung, in denen „neue“ Vergangenheitsbezüge zusammengestellt werden und ihren räumlichen Ausdruck in neuen Gedächtnisräumen finden. Orientiert an Wünschen für die Zukunft dient Erinnern und das Herstellen eines kulturellen Gedächtnisraumes dann der Mahnung, der Abgrenzung von den Vorfahren oder dem Definieren eines wünschenswerten Selbstbildes.
Finden kulturelle Gedächtnisräume im gerade aktuellen Funktionsgedächtnis keine Verwendung mehr, zirkuliert über sie gar kein Wissen mehr, dann verlieren sie ihre Relevanz. Sie büßen ihre Verankerung im aktuellen Leben ein und werden funktionslos. Obwohl das einem Vergessensprozess gleichkommt, entsteht dabei keine Lücke in der Gedächtnislandschaft. Vergessen ist nicht als defizitäre oder fehlerhafte Form von Erinnerung zu verstehen; vielmehr ist es eine notwendige Ergänzung von Erinnerung (Assmann, 2016:17). Im Gedächtnis regelt sich, welche älteren anstelle neuer Ereignisse weiter in den Hintergrund rücken oder gar vom Funktions- in das Speichergedächtnis übergehen (Assmann, 2016:18). Verschwindet ein kultureller Gedächtnisraum, ist das also kein Verlust, sondern eine notwendige Anpassung der Gedächtnislandschaft an aktuelle Bedürfnisse.
Besonders wichtig ist zu beachten, dass alle hier beschriebenen Dynamiken keine normative Richtung vorgeben. Jede Veränderung eines Gedächtnisraumes kann genauso als Verbesserung, als Erfüllung einer notwendigen Erweiterung oder als Verschlechterung, als Vorzug einer liederlichen Einengung erlebt werden7. Das kann in Abhängigkeit von je spezifischen Machtbeziehungen, Abhängigkeiten und Involvements nur im konkreten Fall entschieden werden: Wer hat zu welchem Zweck die Veränderung intendiert? Welcher Vergangenheitsbezug wird betont, welcher abgeschwächt, welcher gar negiert?
Um das Vorausgegangene zusammenzufassen: Kulturelle Gedächtnisräume dienen zwar dem Erinnern, indem sie Erinnerungsprozesse initiieren und stützen, aber sie sind keine Speichermedien vergangener Erfahrungen. Ihre volle Wirkung entfalten sie, wenn sie wie das kulturelle Gedächtnis in ständiger Benutzung sind und permanenter Revision ausgesetzt werden. Kulturelle Gedächtnisräume sind daher vergleichbar mit der Gartenarbeit (Richardson, 2005) „incompletions in process“ (Stenner et al., 2012:1724). Sie gehen aus ständigem und ausdauerndem gesellschaftlichen sowie individuellen Engagement hervor. Ihre Bedeutung ist daher nicht auf ewig manifestiert, sondern abhängig von den je aktuellen Bedürfnissen der Gegenwart im ständigen Wandel begriffen. Kulturelle Gedächtnisräume sind nicht deshalb per se funktionierend, weil sie eine Erinnerungsgemeinschaft in der Vergangenheit einmal hervorgebracht haben, sondern sie stützen das Erinnern, wenn sie in ständigen Aktualisierungen an die spezifischen Erfahrungen der Gegenwart angepasst und dabei immer wieder auf ein Neues hervorgebracht werden.
Der Themenkomplex ‚Erinnern und verräumlichte Erinnerungen‘ ist in der Kultur- und Sozialgeographie zu einem wichtigen Beschäftigungsfeld geworden, das aus vielfältigen Blickwinkeln betrachtet wird (Maus, 2015). Zwar kann das Konzept des kulturellen Gedächtnisses im deutschsprachigen Raum nicht nur im wissenschaftlichen Bereich, sondern auch in gesellschaftlichen Erinnerungsdebatten als durchaus populär bezeichnet werden, im internationalen Kontext aber werden theoretische Überlegungen in erster Linie bei Nora gemacht, viel seltener bei A. und J. Assmann. Voraussetzung für eine Internationalisierung des Konzeptes im Bereich der Geographie ist es, den Sedimentberg, den die deutschsprachige Geographie aufgeschüttet hat, abzutragen. Nach Freilegung der basalen Grundlagen des Konzeptes zeigt sich, dass mit seiner Hilfe ein vertieftes Verständnis über kulturelle Gedächtnisräume und ihre grundsätzlichen Funktionsmechanismen erarbeitet werden kann. Räume, die dem Erinnern gewidmet sind, haben zwar den Zweck, Geschichten aus der Vergangenheit in der Gegenwart präsent zu halten, speichern können sie diese Erinnerungen jedoch nicht; sie können nur als Anker für im gesellschaftlichen Diskurs zirkulierende Erinnerungen fungieren. Allein die Erinnerungsgemeinschaft und die ihr angehörenden Individuen können die Verantwortung für das Zirkulieren dieser Vergangenheitsbezüge übernehmen. Zirkulieren diese Erinnerungen nicht (mehr), kann der Ort seinen Zweck nicht (mehr) erfüllen und wird zu einem obsoleten Artefakt im Raum.
Das Beschreiben und der angemessene Umgang mit Gedächtnisräumen aller Art stellt angesichts der Unermesslichkeit der Nazi-Taten insbesondere die deutsche Gesellschaft vor eine große Herausforderung. Entsprechend dem Wunsch einer ‚Vergangenheitsbewältigung‘ ist sie ständig sowohl auf der Suche nach angemessenen Formen des Erinnerns, die zwischen den Polen Opfer und Täter vermitteln, als auch auf der Suche nach angemessenen Formen und Bedeutungen ihrer kulturellen Gedächtnisräume. Auf den Prüfstand sollten dabei auch immer wieder Denkmäler kommen, deren Bedeutung als verstetigt betrachtet wird. Diskussionen um Gedächtnisräume sollten nämlich immer von der Einsicht geleitet sein, dass jeder kulturelle Gedächtnisraum nur das Ergebnis einer vom Standpunkt der Erinnerung her abgeleiteten und momentan aktuellen Vergangenheitsrekonstruktion zeigt. Er ist zwangsläufig mit dem Makel von Simplifizierungen und der Marginalisierung von Komplexität behaftet. Die Frage, wie kulturelle Gedächtnisräume ihre Ankerfunktion über die aus dem Konzept des kulturellen Gedächtnisses abgeleiteten Funktionsmechanismen hinaus erfüllen könnten und wie mit diesem Makel umgegangen werden kann, könnte zukünftig Vertiefung in weiteren Denkstilen der German Theory finden.
Denkbar ist zum Beispiel, dass mit Adorno (z. B. 2003) vertieft über die Notwendigkeit und Wichtigkeit von Erinnern besonders im deutschen Kontext nachgedacht werden kann (Kübler, 2021). Ausgang können die Überlegungen bei seinem kategorischen Imperativ in der negativen Dialektik nehmen:
Hitler hat den Menschen im Stande ihrer Unzufriedenheit einen neuen kategorischen Imperativ aufgezwungen: ihr Denken und Handeln so einzurichten, dass Ausschwitz nicht sich wiederhole, nichts Ähnliches geschehe (Adorno, 2003:358).
Die im Gesellschaftlichen ausgetragenen Konflikte über kulturelle Gedächtnisräume, die sich notwendigerweise aus dem Nebeneinander mehrerer Generationen immer ergeben, können so strukturierend eingebettet werden in Debatten um ein endgültiges Schlussstrichziehen, um das Engagement jüngerer, weit nach dem Krieg geborener Generationen für einen angemessenen Umgang mit der Vergangenheit oder um das Verdrängen bestimmter Erinnerungen aus bestimmten Räumen.
Der Gedanke, dass Erinnern durch stabile und langlebige Erzählmuster bestimmt wird, die über die Generationengrenze hinweg weitergegeben werden – wie ihn mit Referenzen auf kulturwissenschaftliche Gedächtnistheorien auch die aktuelle Psychologie stark macht (Hirst et al., 2018:442) –, scheint darüber hinaus in Ansätzen der Wissenssoziologie (Berger und Luckmann, 1969) Vertiefung finden zu können. Sicherlich ließe sich mit ihren Überlegungen zu Alltagswissen und zur Alltagswirklichkeit die Frage eingehender betrachten, wie es gelingen kann, Erinnerungen im Rahmen der gesellschaftlichen Interaktion so aufzuarbeiten und zirkulieren zu lassen, dass sie für das Individuum Relevanz erhalten. Neben der noch stärken Aufwertung des Individuums ließen sich so bestimmt auch praktische Wege entwickeln, Erinnerungsdebatten aus akademischen Kontexten herauszulösen, um die Notwendigkeit individuellen Engagements zu betonen.
Für diesen Artikel wurden keine Datensätze genutzt.
Die Autor*innen erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Publisher's note: Copernicus Publications remains neutral with regard to jurisdictional claims in published maps and institutional affiliations.
Ich danke Eberhard Rothfuß und Benedikt Korf für die hilfreiche Kommentierung früherer Versionen dieses Artikels sowie den anonymen Gutachter*innen für ihre ausführlichen und konstruktiven Rückmeldungen.
This paper was edited by Nadine Marquardt and reviewed by three anonymous referees.
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Symptomatisch für die Rezeption des kulturellen Gedächtnisses in der deutschsprachigen Geographie scheint folgende Ungenauigkeit zu sein: Leipold (2019:67) beschreibt das kulturelle Gedächtnis in Abgrenzung zum kommunikativen Gedächtnis, das auf die Reichweite mündlicher Kommunikationssituationen beschränkt ist, als „etwas Festes“. Er referenziert dabei auf eine Stelle im Werk „Das kulturelle Gedächtnis“ von Assmann (1992:52f.), der dort aber über den festlichen Charakter kultureller Gedächtnisereignisse schreibt: „Die Erinnerungsfiguren haben einen religiösen Sinn, und ihre erinnernde Vergegenwärtigung hat oft den Charakter eines Festes. Das Fest dient […] auch der Vergegenwärtigung fundierender Vergangenheit“. Es geht nicht um „etwas Festes“. Das kulturelle Gedächtnis gibt keinen auf ewig gleichbleibenden Bestand von Vergangenheitsbezügen weiter, sondern ist von Dynamik und Verschiebungen gekennzeichnet.
Der deutschsprachige Begriff „Landschaft“ und sein englisches Pendant „landscape“ sind aufgrund unterschiedlicher Disziplingeschichten nicht vollständig synonym zu verwenden. Die „Landschaft“ der deutschsprachigen Geographie ist in der Tradition von Bobek (1948) eher ein naturräumlicher Ausschnitt der Erdoberfläche, auf den der Mensch durch sein Handeln Einfluss nimmt. Von dem Vorwurf, er unterschätze die Immaterialität menschlicher Aktivität, die sich nicht im konkreten Raum abbilden lässt (Bartels, 1974:18), konnte der Landschaftsbegriff nie vollständig befreit werden. Die „landscape“ des anglo-amerikanischen Diskurses betont dagegen, die vollständige Konstruiertheit jeglicher Raumwahrnehmungen (Cosgrove, 1985:47ff.). Räumlichkeit kann überhaupt nur als landscape erfasst werden. Um diese Unterschiedlichkeiten zwischen der Verwendung im deutsch- und englischsprachigen Kontext deutlich zu machen, wird der englische Begriff „landscape“ bewusst beibehalten.
Parallelen zu den cultural studies des englischsprachigen Raums sind nicht zu übersehen. Auch sie untersuchen Kultur, allerdings gehen sie von einem deutlich erweiterten Begriff aus, der auch Alltägliches jenseits von bildungsbürgerlichen Themen der Kunst, Religion, Literatur und Musik in das Verständnis von Kultur inkludiert (z. B. Hoggart, 1971). Das von Raymond Williams eingeführte Konzept der structures of feeling (Williams, 1977:128ff.) erscheint im vorliegenden Kontext bestens geeignet, die kulturellen Zusammenhänge der Gegenwart für das Verständnis kultureller Gedächtnisräume fruchtbar zu machen.
In der Geschichtswissenschaft, der originär mit Vergangenheit und Zeit beschäftigten Disziplin, findet der Gedächtnisbegriff in den 1980er Jahren erstaunlich wenig Resonanz. Erst als zum Ende des Jahrzehnts die ‚Aufarbeitung‘ der NS-Vergangenheit gesellschaftliche Notwendigkeit wird und als nach 1990 die Wiedervereinigung die rezente Vergangenheit zu einem bestimmenden Thema der Gegenwart macht (Jordan, 2018:170), verschiebt sich das geschichtswissenschaftliche Interesse auf Formen der Oral History, auf Zeitzeugenerinnerungen, aber auch auf die Rekonstruktion von Geschichten der alltäglichen Lebenswelt. Eine regelrechte „Erinnerungswelle“ (Kansteiner, 2007:82) schwappte über die gesamte Disziplin hinweg und machte den Gedächtnisbegriff zu einer gern genommenen Analysekategorie (Kansteiner, 2002). Auf epistemologischer Ebene entbrennen innerhalb der Disziplin Diskussionen über Wahrheit und Objektivität historischer Quellen und der historischen Wissenschaft überhaupt. Auf der einen Seite steht die Warnung vor einem Ausverkauf wissenschaftlicher Objektivität durch eine einseitige Rekonstruktion individuell-subjektiver Vergangenheitsbezüge (z. B. Wischermann, 1996:14). Auf der anderen Seite wird der Blick darauf gelenkt, dass jede Darstellung von Vergangenheit eine soziale Konstruktionsleistung ist, die auf einer individuellen Erinnerungsleistung beruht (Fried, 2012). Quellen der Geschichtswissenschaft seien per se „kulturelle Artefakte“ (Erll, 2017:36), die unter bestimmten Bedingungen entstanden sind und daher immer die spezifischen Bedingungen ihrer Entstehungszeit widerspiegeln.
Diese Gedanken hat A. Assmann besonders in der Debatte um den Historiker Achille Mbembe stark gemacht, um ihr Argument der Vergleichbarkeit geschichtlicher Ereignisse zu stützen.
Im deutschsprachigen Erinnerungsdiskurs prominent platzieren konnte eine aktuelle Auseinandersetzung mit dieser Frage kürzlich Per Leo (2021) mit seinem Buch „Tränen ohne Trauer. Nach der Erinnerungskultur“.
So weisen zum Beispiel Tyner et al. (2012) auf die ruinöse Wirkung von Veränderungen in der Erinnerungslandschaft am Beispiel von Kambodscha hin, und Matrínez (2022) zeigt inhaltliche Aussparrungen im Erinnerungsdiskurs Estlands auf.