Articles | Volume 79, issue 1
https://doi.org/10.5194/gh-79-1-2024
Special issue:
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Intervention
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10 Jan 2024
Intervention |  | 10 Jan 2024

Disziplinhistorische Tauchgänge zur German Theory: Ein Gespräch mit Ute Wardenga über die deutsche Länderkunde und Landschaftsgeographie

Benedikt Korf, Eberhard Rothfuß, and Ute Wardenga

Benedikt Korf und Eberhard Rothfuß: In diesem Gespräch möchten wir uns mit Dir über die deutschsprachige Landschaftsgeographie und Länderkunde aus dem Blickwinkel der German Theory unterhalten. Mit dem Begriff der German Theory haben wir beide, zusammen mit Woody Sahr, ja angeregt, die deutschsprachige Geistesgeschichte durch Rekonstruktion und kreative Wiederaneignung für die Humangeographie theoretisch produktiv zu machen. Wir sprechen von „Tauchgängen“ in die Vergangenheit, um dieses theoretische Potential in Erinnerung zu rufen, lesbar zu machen und dann theoretisch zu „entbergen“ (Korf et al., 2022). Wir hatten hier vor allem die Philosophie und die Sozialtheorie im Blick. Aber natürlich wäre es ebenso reizvoll, Tauchgänge auch in die Geistesgeschichte im eigenen Fach, also in der Geographie, durchzuführen. Dabei soll es nicht nur darum gehen, was Landschaftskunde und Länderkunde historisch waren, sondern auch, ob sich noch etwas aus den damaligen Diskussionszusammenhängen für die heutige Geographie „bergen“ lässt, um es für heutige Debattenkontexte fruchtbar zu machen.

In der heutigen Geographie wird die Länderkunde ja gerne belächelt und als altmodisch sowie theoretisch unterbelichtet abgetan. Aber in vielen Fällen wird dieses Urteil ohne genauere Lektüre der entsprechenden Texte gefällt. Deshalb unsere Frage an Dich als Disziplinhistorikerin: Stimmt das? Ist die Länderkunde so theoriefern, und methodologisch naiv, wie sie gerne dargestellt wird? Können wir sie also heute getrost ignorieren? Oder gibt es vielleicht nicht doch Gedanken, die heute noch oder wieder aktuell sein könnten. Das sind die Fragen, die wir mit Dir im Gespräch klären wollen.

Zum Einstieg möchten wir Dich einladen, eine ideengeschichtliche Einordnung und zugleich eine begriffliche Klärung vorzunehmen: Erstens, was hat Landschaftskunde bzw. Länderkunde damals, als sie in der deutschsprachigen Geographie en vogue waren, eigentlich ausgemacht? Was genau ist der Unterschied zwischen Landschaftskunde und Länderkunde?

Ute Wardenga1: Ich fange mal mit der letzten Fragengruppe an: Was hat Landschafts- bzw. Länderkunde ausgemacht als sie en vogue waren – die Länderkunde spätestens seit den 1880er Jahren und die Landschaftskunde seit der Zwischenkriegszeit? Ich beziehe mich dabei vorwiegend auf die deutschsprachige, bisweilen aber auch auf die internationale akademische Geographie, streife allerdings die mit ihr eng verbundene Schulgeographie nur am Rande.

Die Länderkunde ist, das wäre meine These, im Grunde eine Reaktion von nationalstaatlich organisierten Gesellschaften, die sich unter Globalisierungsbedingungen mit der Tatsache auseinandersetzen müssen, dass sie nur dann eine Zukunft haben werden, wenn sie akzeptieren, dass sie zugleich Teil eines zunehmend weltumspannenden Systems von Flüssen sind, das immer mehr Menschen und Orte miteinander verbindet. Aus diesem Blickwinkel betrachtet war Länderkunde also keineswegs eine obskure Verlegenheitslösung, sondern eine gesellschaftliche Notwendigkeit, weil es im 19. Jahrhundert zunehmend wichtiger wurde, sowohl über den Planeten in seiner Materialität als auch über die Welt in ihrer räumlichen Ordnung Bescheid zu wissen.

Landschaftsgeographie ist zwar in den 1950er Jahren als konstitutiver Teil der Länderkunde betrachtet worden, war es in ihren akademischen Anfängen jedoch nicht. Man kann deshalb die durchaus steile These wagen, dass Landschaftsgeographie – ähnlich wie die Neue Kulturgeographie seit den 2000er Jahren – die frühe Form einer kulturalistischen Wende und damit ein eigenständiges Konzept in der Geographie dargestellt hat. Diese Wende produzierte v. a. in der mitteleuropäischen Geographie enorme Debatten um das richtige doing geographies, die Hans-Dietrich Schultz in seiner Dissertation von 1980 als Paradigmenwechsel beschrieben hat (Schultz, 1980). Ich würde mittlerweile noch einen Schritt weitergehen und behaupten, dass auch die Etablierung der Landschaftsgeographie eine Antwort auf Globalisierungsprozesse war, gerade in Mitteleuropa, das im Nachgang des Ersten Weltkriegs nach anderen Raumsprachen suchen musste, um sich einen (neuen) Reim auf die vor allem aus mitteleuropäischer Perspektive völlig veränderte global condition zu machen. Die Landschaftsgeographie stand dabei näher an dem, was die Arbeitsgruppe zur German Theory beschäftigt. Sie war viel stärker und auch viel konsequenter als die Länderkunde auf die (interpretative) Herstellung von Sinn spezialisiert.

Das war zunächst vor allem ein deutschsprachiges Phänomen – bis in die 1970er Jahre wurde beispielsweise der Begriff der „Landschaft“ in Teilen der englischsprachigen Literatur als Fremdwort benutzt (Meynen, 1985:681–689)2. Das uns heute geläufige landscaping in der (nicht nur geographischen) internationalen Literatur ist deshalb ein vergleichsweise junges Phänomen der knapp 100 Jahre später beobachtbaren zweiten kulturalistischen Wende.

Um ein heute geläufiges Missverständnis gleich von vorneherein auszuräumen: In der Länderkunde des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts ging es nicht um Nationalstaaten, sondern um naturräumliche Einheiten sowie um deren Bewohner auf verschiedenen, essentialisiert gebrauchten Maßstabsebenen. In der Landschaftsgeographie ging es zwar zunächst um ähnliche Fragestellungen, allerdings mit einem signifikanten Unterschied: Wenngleich auch die Definitionen der 1950/1960er Jahre etwas anderes behaupten mögen, war „Landschaft“ nicht nur auf die subnationale Maßstabsebene der „Region“ beschränkt, sondern konnte ziemlich mühelos scale jumping betreiben und dann in der Semantik transkontinentaler „Zonen“ oder „Gürtel“ daherkommen, vor allem in der lange Zeit dominanten Physischen Geographie.

Wie man sieht: So ein Tauchgang kann durchaus die Unterwasserwelt der Disziplingeschichte anders kartieren und gleichzeitig eines der Hauptprobleme von Disziplinhistoriographie zutage fördern. Das Kernproblem besteht m.E. darin, dass es gerade im mitteleuropäischen Bereich eine lange Tradition gibt, Disziplinhistoriographie für die Legitimation der jeweils immer allerjüngsten Forschungshorizonte mit dem Ergebnis zu instrumentalisieren, dass die Fachgeschichte zu einer Folge inkommensurabler Brüche zusammenschnurrt. Dabei wird nicht genügend berücksichtigt, dass dieselbe Buchstabenfolge eines Begriffs wie z. B. „Land“ im Laufe der Zeit und/oder in unterschiedlichen Sprachen mit differenten Bedeutungszuschreibungen aufgeladen werden kann, die unterschiedliche Verfallsdaten hatten.

Das ist ein großes Problem, zugleich aber auch eine spannende Herausforderung für die Geographiegeschichtsschreibung, gerade hier genauer hinzusehen. Meiner Meinung nach müsste eine auf der Höhe der Zeit befindliche Geschichtsschreibung mit ihren Tauchgängen die sublim weiterwirkenden Strukturen des taken for granted, also z. B. die in die Beobachtungsschemata des Faches implizit und zugleich sehr wirkmächtig eingeschriebenen Imaginationen resp. Weltdeutungen des jeweiligen doing geographies beleuchten. Länderkunde und Landschaftsgeographie konstituierten differente Welten und man täte meiner Meinung nach gut daran, sie strikter als das bisher geschehen ist, als jeweils eigenständige Antworten auf Globalisierungsprozesse auseinander zu halten.

Benedikt Korf: Uns interessieren die Landschaftskunde und die Länderkunde ja nicht nur historisch, sondern auch aus der Perspektive der German Theory, also als potentielles Theorieangebot. Dazu meine Frage: In den 1920er Jahren, als z. B. Alfred Hettner seine Schriften verfasste, ging ja so viel ab, intellektuell, künstlerisch, philosophisch, theoretisch: Der Philosoph Hans Blumenberg sieht die „deutsche philosophische Situation zu Anfang der zwanziger Jahre bestimmt durch die Viererkonstellation von Neukantianismus, Phänomenologie, Lebensphilosophie und Positivismus Prager Herkunft“ (Blumenberg, 2010:22). Interessanterweise unterschlägt Blumenberg die Frankfurter Schule als mögliche fünfte Position, warum auch immer. Es gab also viele kontroverse Debatten im intellektuellen Milieu der Zwischenkriegszeit. Ist das irgendwie alles an der Geographie als Fach vorbeigegangen? Hier möchte ich eine These von Woody Sahr ansprechen, dass diese philosophischen Denkstile zumindest einige Geographen implizit und indirekt beeinflusst haben könnten, ohne dass dies direkt in ihren Schriften nachzuverfolgen wäre. Was meinst Du zu dieser These?

Ute Wardenga: Soweit ich das sehen kann, haben sich die Geographen der Zwischenkriegszeit durchaus mit den zeitgleich debattierten philosophischen Theorien und Konzepten auseinandergesetzt. Aber die entsprechenden Nachweise zu führen, ist äußerst schwer. Ich habe mir entsprechende Texte aus den 1920er Jahren noch einmal angesehen, die vielleicht verdächtig sein könnten, die einschlägigen Debatten außerhalb der Geographie widerzuspiegeln. Zwar sehe ich bestimmte Theorieanleihen, zum Beispiel bei der Ganzheitstheorie und Gestalttheorie, die für die Landschaftsgeographie relevant waren. Leider haben wir in der damaligen Geographie aber ganz andere Kulturen des Zitierens als heute. Das heißt, die Kollegen (damals vorwiegend Männer) waren alle sehr sparsam mit Nachweisen – gemessen an heutigen Standards waren die Literaturverzeichnisse am Ende von Aufsätzen ziemlich überschaubar. Das heißt, dass im Text zwar Bezugnahmen zu theoretisch anderswo hintersetzten Begriffen auftauchen können, aber nur höchst selten belegt wird, auf welche außerhalb der Geographie geführten Debatten, Theorien oder Deutungsangebote die Autoren konkret Bezug nehmen.

Wenn man also entsprechend den Methodenstandards in der Geschichtswissenschaft Nachweise führen möchte, woher ein Gedankengang kam und wie er im Kontext einer geographischen Argumentation gebraucht wurde, lastet man sich wahnsinnig viel Arbeit auf. Weil man dann als Disziplinhistorikerin danach suchen muss, wer was wann wo wie gelesen haben könnte und weiterverarbeitet hat. Das kann ein Buch, ein Zeitschriften- oder Zeitungsartikel ebenso wie ein Vortrag in einem Kolloquium an der Uni gewesen sein, den ein Autor möglicherweise rezipiert hat. Diesen gehörten bzw. gelesenen Gedanken anderer spinnt er dann in seinen eigenen Publikationen verweisfrei weiter. Von daher ist es (anders als heute) ein relativ mühsames Geschäft, nachzuweisen, ob und welche Bezüge es zu Autorinnen oder Autoren außerhalb der Geographie gab.

Derartige Analysen gehen nur, wenn umfangreiche Nachlässe vorhanden sind. Das ist etwa bei Alfred Hettner der Fall, der schon einiges rezipiert hat, zum Beispiel die Wundtsche Völkerpsychologie, der sich auch (aber eher über Sekundärliteratur) mit Kant und mit dem Neukantianismus auseinandergesetzt hat. Der Neukantianismus blieb ihm ziemlich suspekt, wegen dessen Trennung von Natur- und Geisteswissenschaften. Denn in Hettners Konstrukt der Geographie ging es ja gegen den Dualismus des Neokantianismus darum, die Geographie als methodisch einheitlich arbeitendes akademisches Fach zu konzipieren.

Hettner war von seinem Denken her ein Globalist – er hat die Länderkunde keineswegs bottom up von Örtlichkeiten, sondern top down von den globalen/planetarischen Strukturen als disziplinäre Antwort auf das Globalisierungsgeschehen konzipiert. Dabei muss man auch berücksichtigen, dass er das Fach quasi in der Logik eines territorialisierten Nationalstaats imaginiert hat. Sein Ziel war, Geographie von anderen Fächern abzugrenzen. Wissenschaftssozial produzierte das die Vorstellung, es mit einem hoch komplexen Innen bei folglich reduzierter Aufmerksamkeit für das durchaus verschwommen wahrgenommene Außen zu tun zu haben. Das war zwar ein eklatanter Widerspruch zu seinem globalistisch formierten inhaltlichen Ansatz, bildete jedoch die notwendige Hintergrundfolie zum zeitgenössischen Schulunterricht, der ebenfalls (und z. T. noch bis heute) im Container einer verbissen verteidigten Fachlichkeit arbeitete.

Hettners Tragik bestand in zweierlei: Erstens, dass er die Allgemeine Vergleichende Länderkunde erst am Ende seines Lebens in Angriff nehmen konnte und diese (zumal in den humangeographischen Teilen) Stückwerk blieb. Zweitens, dass auch seine länderkundlichen Lehrbücher zu spät erschienen, nämlich erst in den 1920er Jahren, als der Paradigmenwechsel zur Landschaftskunde bereits lief. Auch seine Methodologie, 1928 erschienen, wirkte daher irgendwie aus der Welt gefallen und wurde deshalb von den damals jungen Geographen nur sehr zögerlich (wenn überhaupt) rezipiert, so dass der Verlag schließlich mehrere hundert Exemplare mangels Absatzes einstampfen musste. Insofern hat Hettner im Geiste des ausgehenden 19. Jahrhunderts sein eigenes Ding gemacht. Und darin finden sich in der Tat nur einige Theorieschnipsel von anderen. Außerdem stellt die Hettnersche Geographie (im Unterschied zu einer im Fach bis in die 1960er Jahre verbreiteten Meinung) auch kein in sich kohärentes Theoriegebäude der Geographie dar, sondern ist m. E. eher als eine Handlungs- und Reflexionsanleitung darüber zu verstehen, wie man am besten Länderkunden schreiben sollte und welche Methoden bei der Regionalisierung anzuwenden sind.

Benedikt Korf: Ich gebe noch nicht ganz auf, Ute. Meinst Du wirklich, dass dieses vibrierende intellektuelle Milieu, die Blumenbergsche Viererkonstellation, die ja eigentlich eine Fünferkonstellation war, ohne Resonanz in der Geographie geblieben ist? Oder könnte es nicht auch sein, wie Woody Sahr argumentiert, dass diese philosophischen Strömungen, wenn auch nicht explizit rezipiert, doch die Denkstimmung der Geographie beeinflusst haben könnten? Und wenn diese Möglichkeit besteht, könnte man dann nicht die geographischen Schriften dieser Zeit genau auf solche impliziten Einflüsse gegenlesen?

Ute Wardenga: So gerne ich solche Untersuchungen auch sähe – ich würde nach meinen Erfahrungen in der Quellenlektüre allerdings niemand zu einer derartigen Studie ermuntern. Weil ich glaube: Das wird Verkrampfung im Aussichtslosen! Ich halte nach meinen Quellenbefunden vielmehr die Hypothese für richtig, dass Geographen und Geographinnen (mindestens im deutschsprachigen Bereich und mindestens bis in die 1960er Jahre hinein) ein ziemlich pragmatisch-empiristisches Verständnis des doing geographies gehabt haben. Sonst hätte die Gefahr bestanden, dass ein implizites theoretisches Interesse vermutet wurde, das es in einem vorwiegend als Naturwissenschaft betriebenen und dazu schulnah sein müssenden Fach nicht gegeben hat. Und ich glaube, dass sowohl mir als noch vielmehr Hans-Dietrich Schultz, der gefühlt noch einige zehntausend Seiten Quellen mehr gelesen hat als ich – aufgefallen wäre, wenn wir irgendwo genau das explizit gesehen hätten, was Du mit Blumenberg ansprichst.

Ich kann die komplexen Zusammenhänge an dieser Stelle nur ziemlich grob und skizzenhaft verdeutlichen. Das „Sehen können“ ist in der traditionellen deutschsprachigen Geographie bis weit ins 20. Jahrhundert hinein nach meinen Befunden weitaus wichtiger als das „Lesen können“ von Texten. Das erklärt z. B. auch den habitualisiert nachlässigen Umgang mit Textnachweisen, der so in den zeitgenössischen Geisteswissenschaften nicht geduldet worden wäre. Zentral sowohl für die akademische wie für die schulische Geographie waren Kartenpraktiken, die bis weit ins 20. Jahrhundert das methodische Rückgrat des Faches und ein Alleinstellungsmerkmal im Erdkundeunterricht gebildet haben. Wir haben im Institut für Länderkunde (IfL) seit Anfang der 2000er Jahre mehrere Kartenprojekte gemacht, und konnten dabei am Beispiel der Afrikakartographie des 19. Jahrhunderts zeigen, dass das soziotechnische Artefakt der Karte das Beobachtungsverhalten im Gelände in hohem Maße bestimmt hat, mithin also die Abbildbarkeit eines Phänomens auf topographischen Karten zum Hauptselektionskriterium für dessen Beobachtungswürdigkeit in der Geographie wurde (Jahn und Wardenga, 2016:137–162).

Bevor die Geographie überhaupt in großem Umfang an Universitäten institutionalisiert worden ist, war also der später für die Länderkunde relevant werdende Beobachtungskanon schon etabliert. Die akademische Geographie hat diesen Kanon nur noch verfeinert, nicht aber im Grundsatz angezweifelt, zumal sie auch schon relativ früh die Lehrformate Kartenarbeit und Exkursion zentral gestellt hat. Geographen haben seither (selbst noch in der Generation der „Babyboomer“) vor allem eines gelernt: Mit und durch (topographische) Karten im Gelände sehen lernen, mit dem im Gelände Gesehenen wiederum fähig werden, Karten besser und tiefer zu interpretieren. Um es etwas überpointiert auf den Punkt zu bringen: Die Forschungspraxis startete bei Karten, machte einen Schwenk über empirische Beobachtungen und Datenerhebungen im Gelände und endete dann entweder bei neuen Karten oder in der Fähigkeit, das vorhandenen Kartenmaterial besser als vorher interpretieren zu können. Ich denke, man kann an dieser Stelle nicht klar genug hervorheben, dass sich die klassische geographische Praxis der Interpretation eben nicht vorwiegend auf Texte bezog, sondern vor allem auf Daten- und Kartenmaterial und dem daraus generierten rekonstruierenden „Lesen“ der Landschaft. Wenn man also länderkundliche Texte dekonstruieren will, dann tut man z. B. gut daran zu wissen, welche Karte der Autor beim Schreiben benutzt hat. Aber dann beißt sich die Katze wieder in den Schwanz, weil entsprechende Kartennachweise/Referenzen im Text in der Regel fehlen.

Auch Alfred Hettner war deshalb ein Alien für seine Zeitgenossen. Er war der Einzige, der sonntags mal ein philosophisches Buch gelesen hat. Und ich hatte immer den Eindruck, dass er für die community als eine Art Feigenblatt fungierte: Wenigstens einer, der sich der Mühe unterzog, sich lektüretechnisch auch mal außerhalb der Geographie umzutun. Was verständlich war: Denn alle im Fach wussten, dass er wegen seiner Lähmung nicht mehr ins Gelände gehen und damit den Ort des „wahren Geographseins“ nicht mehr praktizieren konnte. Ich muss Dich leider enttäuschen: Man kann meiner Meinung nach die von Dir erhoffte theorieorientierte Lektüre bei den mit dem Landschaftsbegriff arbeitenden (geländegängigen) Geographen und Geographinnen definitiv nicht erwarten, weil sie nämlich – jetzt werde ich mal mit Feyerabend sehr plakativ – philosophische Theorien mehrheitlich für eine ganz besondere Sorte von akademischem Irrsinn hielten.

Eberhard Rothfuß: Hettners Länderkunde ist die eine Seite. Aber in dieser Zeit bildete sich doch auch die Landschaftsgeographie heraus.

Ute Wardenga: Das ist in der Tat so. Aber weil die Reflexivität gegenüber dem eigenen wissenschaftlichen Tun innerhalb der Länderkunde vergleichsweise gering ausgeprägt war, lauerten die Gefahren für die Landschaftsgeographie nicht primär in einer Theorielosigkeit, sondern ganz woanders – und das kann man wunderbar für die Zeit unmittelbar vor der breiten Rezeption und Etablierung der Landschaftsgeographie klarmachen.

Tonangebend waren in der Zwischenkriegszeit, als die Landschaftsgeographie ausgearbeitet wurde, vor allem die Schulen von Richthofen, Penck, Hettner, Philippson und Schlüter – und damit (bis auf Schlüter) alles Ordinariate, die forschungstechnisch einen manifesten Hintergrund in der Geomorphologie hatten. Hinzu kam, dass bis auf den erkenntnistheoretisch einigermaßen gewitzten Hettner sowohl die Schulgründer als auch deren wiederum auf wichtige Lehrstühle berufenen Schüler implizit der Auffassung waren, dass es sich bei den von der Geographie beobachteten Räumen um Realräume der irdischen Wirklichkeit handelte. Man braucht daher nicht viel Phantasie, um verstehen zu können, warum die zeitgleich auf hohem Niveau anderswo geführten philosophischen Debatten aufgrund der Berufungspolitiken weitgehend unbemerkt von und an der zeitgenössischen deutschsprachigen Geographie vorübergingen.

Gleichwohl war die Landschaftsgeographie aus drei Gründen ein ungeheuer erfolgreiches Konzept. Erstens, weil sie in hohem Maße schultauglich war und – im Prinzip – an die neuen, ebenfalls seit 1900 entstandenen Reformpädagogiken und die Jugendbewegung des „Wandervogel“ anschlussfähig war. Zweitens, weil sie ein wichtiges Remedium für eine hochgradig traumatisierte und zunehmend in verschiedene politische Lager auseinanderfallende Gesellschaft war. Mit und durch „Landschaft“ konnten in einer Phase der Reterritorialisierung von Globalisierung und einer damit einhergehenden stärker werdenden Betonung nationalstaatlicher Interessen sowohl Erinnerungen an verloren gegangene Territorien, als auch die in einigen Teilen der Gesellschaft rasant wachsende konservative Skepsis gegen die moderne Welt, umstandslos gepflegt werden. Drittens waren in den Begriff der „Landschaft“ zutiefst europäische Wertvorstellungen, Ästhetiken und Weltwahrnehmungen eingeschrieben. Diese wurden normativ auch auf den Globalen Süden angewandt. Denn bis weit in die 1960er Jahre hinein wurde wie selbstverständlich angenommen, dass die verlandschafteten Geographien Europas als Blaupausen für zukünftige Landschaftsentwicklungen im Globalen Süden fungieren konnten. Im Forschungskontext des Leipziger SFB 1199 „Verräumlichungsprozesse unter Globalisierungsbedingungen“ kann man die These formulieren, dass die Landschaftsgeographie in Reaktion auf die (macht-)politisch erfolgte Neuordnung der Welt im Nachgang des Ersten und Zweiten Weltkriegs ihrerseits neue Modi der Verräumlichung propagierte, indem sie die bisher sträflich vernachlässigte Anthropogeographie stärkte und eine Art historistische Vergeisteswissenschaftlichung durchlief.

Das hätte nach unseren heutigen Vorstellungen eigentlich eine Öffnung und damit das Durchbrechen der Außengrenzen in Richtung Geistes- oder Kulturwissenschaften erzwingen müssen. Doch genau das unterblieb. Denn die Historisierung des Faches verlief nicht über eine engere Zusammenarbeit mit den Geisteswissenschaften und der Philosophie, sondern über die Naturwissenschaften, genauer: über die Geomorphologie. Der historical turn in der Geographie war mithin ganz und gar hausgemacht, jedoch nicht German, sondern American und stammte von dem in Harvard lehrenden amerikanischen Geomorphologen William Morris Davis. Davis revolutionierte binnen weniger Jahre die gesamte europäische Geomorphologie durch ein neues Beobachtungsschema, das zahlreiche Formen der Erdoberfläche als einem bestimmten Erosionsstadium zugehörig in historischer Relationierung systematisch beschreibbar machte. Das war für die damaligen Zeitgenossen völlig neu und höchst inspirierend, weil die „was-ist-wo“-Frage der Länderkunde des 19. Jahrhunderts nun verwandelt werden konnte in die „was-ist-wo-wie-und-warum“-Frage der neuen Landschaftsgeographie des 20. Jahrhunderts.

Eberhard Rothfuß: Das ist ja interessant. Dann liegt hier die entscheidende zeitliche Wegmarke, an der die deutsche Länderkunde nicht auf den geisteswissenschaftlich-europäischen, sondern auf einen naturwissenschaftlich-amerikanischen Pfad eingeschwenkt ist. Was genau machte denn dieses neue Beobachtungsschema aus, das William Morris Davis in die Landschaftsgeographie einbrachte?

Ute Wardenga: Meine These ist, dass das Sehen in der Geographie in Form einer „Wahrnehmungsdressur“ funktioniert hat. Ich habe jahrelang gedacht, dass ich diesen Begriff bei Ludwik Fleck gelesen habe. Erst einer meiner Doktoranden, der über Albrecht Penck promoviert hat (Henniges, 2017), hat mich darauf hingewiesen, dass „Wahrnehmungsdressur“ eigentlich in Verdichtung der Aussagen von Fleck ein Wardengascher Begriff ist. Ich glaube, dass man mit diesem Begriff sehr gut fassen kann, was eigentlich in und durch das antrainierte (Muster von) Sehen in der Geographie passiert. Man kann nämlich ziemlich gut nachweisen, dass viele Generationen von Geographinnen und Geographen seit den 1880er Jahren in der Geomorphologie einem regelrechten Drill der Wahrnehmung von Formen der Erdoberfläche unterworfen wurden, die sie dann auch auf topographischen Karten „sehen“ konnten.

Die Haupttriebkraft war also eindeutig die Geomorphologie, deren z. T. wunderbar anschauliche und körpermetaphorisch hochgradig aufgeladene Begriffswelten einen hohen Wiedererkennungswert im Auffinden spezifischer räumlicher Konfigurationen besaßen. Man muss sich in diesem Kontext nur mal z. B. die Begriffe „Trogschulter“ oder „Zungenbeckensee“ vor Augen halten. Zwar fehlen derzeit noch eingehende Studien, wie das ja hoch abstrakte, symbolisch kodierte Medium der Karte schließlich als Bild wahrnehmbar gemacht wurde. Klar ist jedoch schon seit längerer Zeit, dass dieser unterläufige Verbildlichungsprozess schon kurz vor dem Ersten Weltkrieg abgeschlossen war und hierzu wahrscheinlich vor allem die Rezeption der Davisschen Zyklentheorie beigetragen hatte.

Denn die Davissche Zyklentheorie enthält alle Ingredienzien, die es braucht, um durch Selbststudium das perfekte Opfer einer Wahrnehmungsdressur zu werden: Sie unterlegt nämlich erstens, dass (mindestens in humiden Klimaten) ein regelhaft ablaufender Zyklus beobachtet werden kann, den alle über den Meeresspiegel gehobenen Ausschnitte aus der festen Erdoberfläche in den Stadien jung-reif-greisenhaft durchlaufen. Dabei entwickeln sich zweitens in den Stadien jeweils typische Konfigurationen von Hangformen und Flusssystemen. Sie können mit halbwegs geübtem Blick vergleichsweise einfach auf topographischen Karten (z. B. im Maßstab 1:50 000) „gefunden“ werden, was heißt: Die Karte „zeigt“ in der Logik dieses Forschungsansatzes eindeutig, dass das in der Theorie Behauptete auch im „Realraum“ (den die Karte ja angeblich abbildet) da ist. Um nun besser in der Geländebeobachtung zu werden, wurde die Praxis des Zeichnens im universitären Unterricht durch die Herstellung von Blockbildern enorm aufgewertet. Durch dieses Zeichnen wurde wiederum die Wahrnehmung bestimmter Formen der Erdoberfläche zwar verbessert, aber auch mit der fatalen Folge verfestigt, dass das einmal internalisierte Bild von Formen der Erdoberfläche dann präskriptiv verifizierend auf die empirische Wirklichkeit im Gelände projiziert wurde. Die in das Davissche Forschungsprogramm eingeschriebene „Verbildlichung“ hat ihre persuasive Kraft auch nicht bei gestandenen (und damals international führenden) Geomorphologen in Mitteleuropa verfehlt, die – bis auf Hettner – alle den Davisschen Wahrnehmungsdressuren zumindest zeitweise erlegen sind.

Eberhard Rothfuß: Aber Davis ist ja primär Geomorphologe. Wie ist dann diese „ Wahrnehmungsdressur“ – ein wunderbar passender Begriff – auch in die Landschaftsgeographie diffundiert?

Ute Wardenga: Vielleicht könnte man als erstes Ergebnis unseres Gesprächs festhalten, dass sich die auflaufende Kulturalisierungswelle zusammen mit der Umstellung der Beobachtung in der Geomorphologie möglicherweise wechselseitig verschränkt haben. Dies könnte durchaus die probaten Voraussetzungen geschaffen haben, um nach dem Ersten Weltkrieg die Landschaftsgeographie relativ rasch als ein neues, wohlgemerkt: verbildlicht operierendes und auf das Erleben ausgerichtetes Forschungsprogramm durchzusetzen.

Meine These wäre also in gewisser Weiterführung und Radikalisierung der Befunde von Gerhard Hards Habilitationsschrift (Hard, 1970), dass in den Begriff der Landschaft bereits alltagssprachliche Bedeutungs- und Zuschreibungshorizonte eingeschrieben waren, die, wenn nicht reflektiert, unweigerlich die Wahrnehmung dessen mitbestimmt haben, was wie in der empirischen Wirklichkeit beobachtbar wurde. Eines der wesentlichen Kennzeichen ist, dass die Landschaftsgeographie im Unterschied etwa zur älteren länderkundlich orientierten Geographie nicht mehr sehr viel methodologische Reflexionsarbeit auf Operationen der Regionalisierung verwendet. „Landschaft“ scheint – etwa im Unterschied zu „Raum“ – immer schon „da“ zu sein. Zweitens konstituiert „Landschaft“ einen eher ästhetisch ausgerichteten Blick gelungener („harmonischer“) Anpassungsverhältnisse von menschlichen Kulturen an die sie umgebende Natur. Diese Anpassungsverhältnisse werden drittens als historisch gewachsen beobachtet, sind also durchaus veränderbar, was viertens dazu führt, dass die große Kunst eines Landschaftsgeographen nun darin bestand, einen Ausschnitt aus der Erdoberfläche als Palimpsest lesen zu können, mithin das auf Karten beobachtbare räumliche Nebeneinander von Erscheinungen mittels Interpretation in ein historisches Nacheinander zu transformieren.

Während die Länderkunde vor allem den Blick auf Muster der Verteilung und Verbreitung im Modus einer angenommenen Permanenz der Gegenwart geschult hat, ging es der Landschaftsgeographie um das Herausarbeiten einer Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen. Dies ist das vorherrschende Temporalitätskonzept ihrer Forschungen mit der Folge, dass viele Geographen in Weiterführung schon vorhandener Ansätze in der Zwischenkriegszeit historisch zu arbeiten begannen und sich darauf verlegten, den jeweils gegenwärtig beobachtbaren Zustand als Ergebnis einer geschichtlichen Entwicklung zu deuten. Die Geographie rückte damit vergleichsweise nahe an die interpretierenden Geisteswissenschaften heran, was durchaus kein Widerspruch in sich war, weil nämlich allen voran die Geomorphologie (die noch nicht laborgestützt arbeitete) ihre Wurzeln in der Geologie beibehielt und damit im Modus historisch interpretierender Naturwissenschaften forschte. Die sich in der Zwischenkriegszeit entwickelnde und bis in die 1960er Jahre hinein betriebene „Historisch-genetische Kulturlandschaftsforschung“ brauchte sich deshalb vergleichsweise wenig den Kopf über Geographie als Einheitsfach zu zerbrechen. Denn sie nutzte (unter Weiterführung schon internalisierter Wahrnehmungsdressuren) weitgehend dasselbe Beobachtungsschema sowohl in der Anthropogeographie wie in der Physischen Geographie. Man kann es durchaus pointiert formulieren: Die forschungstechnisch vergleichsweise unterentwickelte Anthropographie wurde – Ratzel hin, Ratzel her – zum imperialen Ergänzungsraum einer international glänzend aufgestellten deutschsprachigen Geomorphologie.

Benedikt Korf: Sollten wir hier nicht auch Friedrich Ratzel diskutieren? Du hast ihn gerade erwähnt. Ratzel stand doch gewissermaßen an der Grenze eines Überganges, wie es Woody Sahr einmal im Gespräch mit uns ausgedrückt hat – des Übergangs von der Geographie als Erdwissenschaft zur Geographie als Raumwissenschaft.

Ute Wardenga: Ich stimme zu, dass Ratzel (mehr noch als der 15 Jahre jüngere Hettner) am Umbruch zwischen einer als allgemeiner Erdwissenschaft und einer als Raumwissenschaft betriebenen Geographie steht. Allerdings ist die Kritik an Geographie als einer allgemeinen Erdwissenschaft schon etwas älter. Die einschlägigen Debatten haben damit zu tun, dass die explorativen Forschungsreisen im „Globalen Süden“ (wie wir heute sagen würden) ein unglaubliches Datenmaterial generiert haben. Dieses Material wurde thematisch verarbeitet und in Zeitschriften der Geographischen Gesellschaften veröffentlicht und diskutiert; und zwar weltweit: Denn die Geographischen Gesellschaften standen miteinander in ständigem Austausch, lasen einander und schrieben permanent voneinander ab. Das heißt, wir haben schon Mitte des 19. Jahrhunderts auf internationaler Ebene eine explorative Geographie, die den ganzen Globus entdeckt, (ver-)misst und aus den gemessenen Daten Karten macht, wie es z. B. dann der Verlag Justus Perthes in Gotha als Global Player einer wesentlich auf Kartographie basierten Geographie getan hat. Aus den u.a. in diesem Verlag erarbeiteten Karten und Atlanten entstand Stück für Stück ein vollständig neues Weltbild.

Die Institutionalisierung der Geographie an Hochschulen – die Deutschen waren relativ früh dran und gerade mit Preußen vorneweg in Europa – lief in mehreren Wellen bis ins erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts. Diese Institutionalisierung hatte m. E. wesentlich damit zu tun, dass insbesondere das Bürgertum, das auch Träger von Geographischen Gesellschaften war, Interesse hatte, nicht mehr irgendwelche Phantasiegeschichten über andere Länder und Völker anzuhören. Auch wollte es seine Kinder nicht mehr diesem Phantasiewissen aussetzen, weil sich diese Kinder als zukünftige Erwachsene in einer bereits globalisierten Welt zurechtfinden mussten. Besonders das Bürgertum hat sich deshalb für eine Akademisierung der Geographie stark gemacht. Dafür kämpften die Geographischen Gesellschaften, in Nordamerika, in Südamerika, in ganz Europa. Mit Erfolg: Im deutschsprachigen Raum z. B. begann eine breite Debatte darüber, wie man Geographie am besten betreiben sollte. Im „Geographischen Jahrbuch“ kann man seit Ende der 1870er Jahre diese Debatte Stück für Stück und mit Hermann Wagner als kritischem Moderator und Begleiter nachlesen. Und durch die Debatte war bereits schon in den 1890er Jahren entschieden, dass es wenig sinnvoll war, Geographie (weiterhin) als eine allgemeine Erdwissenschaft im Fakultätsrang zu betreiben.

Die Rolle, die Friedrich Ratzel spielte, war eng mit der Leipziger Universitätskultur verbunden. Ende des 19. Jahrhunderts war Ratzel mit dabei, als es zusammen mit dem Psychologen Wilhelm Wundt, dem Chemiker Wilhelm Ostwald, dem Historiker Karl Lambrecht und dem Nationalökonomen Karl Brücher u. a. darum ging, die Globalgeschichte neu zu erfinden. Wenn man Ratzel verstehen will, muss man auch z. B. Wundt, Ostwald, Brücher und Lamprecht lesen. Und dann kann man auch sehen, warum Ratzel ausgerechnet den Begriff „Raum“ stark gemacht hat, zumal in seiner 1897 erschienenen „Politischen Geographie“. Denn wie ich schon eingangs argumentiert habe, triggern Globalisierungsprozesse offensichtlich das raumbezogene Denken. Insbesondere am Standort Leipzig wurde „Raum“ deshalb wichtig, weil sich dort (wie auch anderswo in der Geographie) der Blick auf das globale Ganze richtete.

Das sind die empirisch gut nachzuweisenden Hintergründe von Ratzel, der bei den Zeitgenossen in der deutschsprachigen Geographie allerdings als ziemlicher outsider galt, vor allem bei denjenigen, die in der Geomorphologie arbeiteten und mit seinen Schriften wenig anfangen konnten. Denn Ratzel schrieb als ein höchst kreativer, innovativer und wilder Denker für diesen Teil von Geographen höchst schwierige, weil vergleichsweise interpretationsoffene Texte. Es gibt eine ziemlich vielsagende Stelle im Briefwechsel von Alfred Hettner mit Hermann Wagner, wo Hettner schreibt, er könne Ratzel überhaupt nicht lesen. Er sei nach ein paar Seiten „Anthropogeographie“ oder „Politische Geographie“ so dumm im Kopf, dass er das Buch weglegen müsse (Wardenga, 1995:79). Und ich glaube, dass es denjenigen, die (wie Hettner) eher aus den Naturwissenschaften kamen, ebenso ergangen ist.

Benedikt Korf: Ratzel ist ja auch deshalb interessant, weil seine Schriften vor allem in der Zwischenkriegszeit stark rezipiert wurden – Stichwort „Lebensraum“. Wenn wir von Ratzel reden, können wir natürlich auch nicht über die Geopolitik schweigen. Und damit, wie sich die Geographie politisch in der Zwischenkriegszeit verortet hat, als die Landschaftsgeographie entstand. Die Weimarer Zeit war ja durch extrem polarisierte politische Debatten und ökonomische Krisen geprägt: die Niederlage im Ersten Weltkrieg, Hyperinflation 1923, Weltwirtschaftskrise 1929 – politisch eine extrem polarisierte und zugleich kulturell eine sehr innovative Zeit. Die junge Republik sah sich permanenten Anfeindungen ausgesetzt. Viele Menschen, die dem alten Kaiserreich nachtrauerten, hatten die Niederlage und die damit verbundenen Gebietsverluste des Reiches nie akzeptiert. „Versailles“ – der Versailler Vertrag – galt als Schimpfwort und diente der politischen Rechten zugleich erfolgreich zur Mobilisierung nicht nur unverbesserlicher Royalisten, sondern auch vieler, die in existentiellen Nöten waren. Wie hat dieser ganze zeithistorische Kontext die damalige Generation von Geographen beeinflusst?

Ute Wardenga: Die Landschaftsgeographie ist – speziell in ihrer akademischen deutschen Variante – meiner Meinung nach vor allem eine Reaktion auf den Ersten Weltkrieg. Mit und durch Landschaftsgeographie ging es auch darum, den Zusammenbruch eines in der Kaiserzeit etablierten Weltbildes – die Großmachtphantasien und den weltpolitisch erhofften, aber letzten Endes niemals errungenen Platz an der Sonne – verarbeitbar zu machen. So gesehen ist sie quasi ein Remedium gegen seelische Amputationsschmerzen, die im Nachgang des Ersten Weltkriegs (Stichworte: „Im Felde unbesiegt“, „Dolchstoßlegende“) gerade in Deutschland, auch bei den Eliten und in der Professorenschaft, weit verbreitet waren. Ich glaube, es geht eigentlich um folgenden Punkt: Nach dem Ersten Weltkrieg sah sich eine ganze Geographen-Generation vor die Aufgabe gestellt, durch die globale Neuordnung, insbesondere in Mittel- und Osteuropa neue Wege zu gehen. Dabei musste sie sich mit einer bis dato kaum vorstellbaren Dynamik auseinandersetzen.

Wir untersuchen am IfL gerade die Zeitschrift für Geopolitik (ZfG): Dort wurde eine fast pop-artige, dynamisierte Kartographie entwickelt. Man versuchte von der bis dato kartentypischen Permanenz der Gegenwart wegzukommen, um eine als unsicher und als hoch dynamisch erlebte Welt in neuer Form darstellbar zu machen. Den zunächst an der Zeitschrift beteiligten Geographen – Otto Maull, Erich Obst und Hermann Lautensach – war das schnell alles viel zu experimentell; infolgedessen verließen sie den Herausgeberkreis der ZfG. Die Zeitschrift nahm von da an eine ganz andere Entwicklung, weil Karl Haushofer im Verbund mit dem Verleger Vohwinckel an Macht gewann. Bei Haushofer wiederum lässt sich nun wunderbar das Phänomen beobachten, dass die bisher verfügbaren Raumsprachen nicht mehr ausreichten, um die neuen Verhältnisse zu beschreiben. Denn seine Texte arbeiteten hochgradig mit metaphorischen Stilmitteln und vielen Neuschöpfungen von Wortungetümen.

Man kann das durchaus als Versuch interpretieren, etwas sagbar zu machen, was im Grunde mit einer herkömmlichen raumbezogenen Sprache nicht mehr adäquat ausgedrückt werden konnte. Die Metaphorik erlaubte, das Entsetzen über all das, was passiert war, und die Einsicht, dass die Welt nie mehr so sein würde, wie sie einmal gewesen ist, verarbeitbar zu machen. Und dazu brauchte es in der Tat eine neue Geographie und auch eine neue Kartographie.

Benedikt Korf: Ist das, Ute, darf ich kurz nachfragen, nicht eigentlich eine Variation von Odo Marquards Kompensationstheorie: Die Geographie als Kompensationswissenschaft?

Ute Wardenga: Ja, die Marquardsche Kompensationstheorie könnte ein hilfreicher Erklärungsansatz für diese Befunde sein. Mit Marquard kann man nämlich abgewandelt formulieren: „Je moderner die moderne Welt wird, desto unvermeidlicher wird die Geographie“ (Marquard, 2015a:173)3. Denn insbesondere für die mitteleuropäische Geographie galt: Sie hat erst ihre naturwissenschaftlichen Forschungszweige entfaltet und wurde, nachdem diese explizit mit historischen Methoden ihre Untersuchungsgegenstände beobachteten, dann in der Zwischenkriegszeit durch das Landschaftskonzept selbst zu einer historisch interpretierenden Wissenschaft. Geographische Erzählungen haben – und hier kann man den Gedankenfaden Odo Marquards weiterspinnen – damit kompensatorischen Charakter in zweierlei Hinsicht: In Form der Länderkunde z. B. kompensieren sie durch ihre auf die Herstellung von Dauer und Stabilität ausgerichteten Raumsemantiken die für das 19. Jahrhundert typische Erfahrung einer ungeheuren Schnelligkeit von Veränderungen. Insofern kann man Länderkunde mit Marquard durchaus als einen gelungenen Versuch interpretieren, die enormen Flexibilisierungszumutungen der Globalisierung zu kompensieren. Denn mit Marquard gilt: Die „Veränderungsbeschleunigung“ lässt das „Veraltungstempo“ (Marquard, 2015b:155) sprunghaft anwachsen. Hier setzt die Länderkunde auf die kompensierende Stabilität einer gestuften Maßstäblichkeit der materiellen Welt des Planetarischen.

Die Landschaftsgeographie, das habe ich ja oben zu zeigen versucht, kann man wiederum als Antwort auf die veränderten globalen Raumordnungen der Zwischenkriegszeit interpretieren. Im Unterschied zu den eher faktenorientierten Länderkunden bot das Landschaftskonzept die Möglichkeit, ziemlich spannende Geschichten durch Fokussierung auf historisch gewachsene und kulturell differente Mensch-Naturverhältnisse zu erzählen. Das konnten dann durchaus „Orientierungsgeschichten“ sein, die sich durch ihre ästhetischen Untertöne „kompensatorisch zur undurchschaubar und kalt gewordenen Welt“ verhielten, weil es – gerade im Schulfach Erdkunde – auch immer um die „Entwicklung eines Sinns für Natur“ (Marquard, 2015a:177) ging.

Während man in den länderkundlichen Debatten des ausgehenden 19. Jahrhunderts im Geiste der Naturwissenschaften durchaus universalisierende Tendenzen beobachten kann, triggerte das Landschaftskonzept die Wahrnehmung der Vielheit von und in Räumen. Auch das kann man mit Marquard als Kompensationsleistung verstehen, weil die Landschaftsgeographie (möglicherweise beeinflusst von einem popularisierten Diskurs der „Vielheits- und Pluralisierungsphilosophien“ (Marquard, 2015c:207) den „Vorrang des Vielen vor dem Einen geltend machte“ (Marquard, 2015c:206). Und das auch machen musste, weil es in der Zwischenkriegszeit ja darum ging (jetzt gebrauche ich mal den höchst aktuellen Begriff Alfred Hettners) die „Geographie des Menschen“ möglichst schnell auszubauen. Dabei nutzte die Landschaftsgeographie einerseits das spezifische, auf die Beobachtung von Formen spezialisierte Repertoire geographischer EinBILDungskraft. Allerdings kaufte sie sich für den Vorteil, an einigen Stellen (z. B. in der nun boomenden landschaftsbezogenen Siedlungsforschung) mehr zu sehen, an anderen Stellen erhebliche Nachteile ein. Dazu gehörten ein habituell antimoderner, antistädtischer und antiindustrieller Unterton ebenso wie zahlreiche andere eurozentrische und protofaschistische Denkfiguren, die sich im Zuge einer übereifrigen Selbstgleichschaltung nach 1933 als mühelos kompatibel mit den NS-Theoremen erwiesen (Heinrich, 1991).

Eberhard Rothfuß: Ich möchte jetzt von Marquard wieder zu Blumenberg zurückkehren. In unserem Themenheft zur German Theory interessieren wir uns für bestimmte Denkströmungen im deutschsprachigen Raum – die Phänomenologie, die philosophische Anthropologie, die Hermeneutik. Das ist eine Perspektive, die wir in der jetzigen Humangeographie weitgehend vermissen. Man könnte vielleicht sagen: Die geographisch-kartographische Operation ist zutiefst phänomenologisch-hermeneutisch, aber ohne dass die Hettners und Ratzels die philosophischen Grundlagen dazu gelesen hätten. Die Geographen sind pragmatisch; sie kommen aus einer anderen Schule, aus einem geologischen-erdwissenschaftlichen Denken. Es ist wirklich interessant zu sehen, dass die Geographen in den 1920er Jahren, als intellektuell viel passiert ist, phänomenologische Grundlagenwerke nicht gelesen haben, von Husserl über Heidegger zu Merleau-Ponty, und dann natürlich auch die Philosophischen Anthropologien von Plessner, Gehlen, Scheler et cetera et cetera, also eigentlich gar keine Texte gelesen haben. Zugleich beschäftigen sie sich aber phänomenologisch mit der Erde, mit der Oberfläche, mit der Kultur- und Naturlandschaft. Und sie tun dies quasi hermeneutisch, nicht explizit über Dilthey, Schleiermacher oder Gadamer, aber implizit, indem sie Natur- und Kulturräume verstehen und deren Werden und Sein deutend nachvollziehen wollen. Und deswegen werden sie über die Kartographie immer versierter, hermeneutisch und phänomenologisch zu arbeiten. Aber sie haben eben diese für das 20. Jahrhundert so ungemein wichtigen philosophischen Strömungen nicht rezipiert. Man findet tatsächlich keine Analogien in dem Sinne, dass man sagen könnte, die Idee des Sinnverstehens ist dort (bei den Geographen) bei Dilthey angelegt. Oder Oberflächenformen werden zuvorderst sinnlich-leiblich wahrgenommen und gespürt. Alles das, was die Philosophie in diesen Jahrzehnten an Erkenntnissen über den „Menschen“ hervorgebracht hat, haben sie leiblich selber durchlebt (durch ihre Beobachtungspraktiken vor Ort und ihre proto-hermeneutischen Texte), dementsprechend quasi implizit getan, ohne sich explizit auf die philosophischen Debatten zu beziehen.

An diesem Punkt würden mich folgende Fragen interessieren: Warum blieb diese theoretische Leerstelle einer philosophischen Nichtrezeption so lange wirksam und erfolgreich? Wieso wurden hermeneutische und phänomenologische Fragen so lange nur implizit, nicht explizit behandelt?

Ute Wardenga: Ich finde die Fragen, die ihr stellt, richtig und wichtig. Aber ihr stellt diese Frage auf der Basis heutiger Standards der Theoretisierung, die es in der Geographie der Zwischenkriegszeit so nicht gab. Ehrlich gesagt kann ich im Augenblick nur Vermutungen anstellen und einige wenige Argumente formulieren, warum die Leerstelle der Rezeptionsblindheit so lange erhalten blieb. Generell denke ich, sollten wir hierbei weniger auf die fehlenden Theorien achten als vielmehr auf das fehlende Methodenbewusstsein.

Methodenbewusstsein war zweifellos im Segment der Kartographie in der Zwischenkriegszeit schon ausgeprägt vorhanden – denn über nichts konnten sich Geographen z. B. in Rezensionen so aufregen wie über handwerklich schlecht gemachte Karten. Überhaupt ist das vergleichsweise schnell und effizient sowie breit angelegte Rezensionswesen wahrscheinlich die beste Quelle, um Methodendebatten in statu nascendi auf die Spur zu kommen. Denn für unsere heutigen Verhältnisse waren die Rezensionen oft äußerst bissig und kritisierten scharf etwaige Versäumnisse. Dann müssen wir zweitens realisieren, wie Geographen im Gelände gearbeitet haben. Sie haben damals zwar auch mit der einheimischen Bevölkerung gesprochen, aber nach heutigem Standard vergleichsweise unsystematisch; jedenfalls gab es keine Fragebögen oder Interviewleitfäden, von denen man hätte lernen können und die dokumentiert wurden. Drittens kann man relativ schwer nachvollziehen, wie sie physisch-geographisch im Gelände konkret gearbeitet haben. Wir haben im IfL-Archiv zwar jede Menge Geländetagebücher – aber deren Einträge sind in der Regel so apokryph, dass man sich schwer einen Reim darauf machen kann, worum es geht, falls handgezeichnete Skizzen (oder Kartenblätter mit handschriftlichen Einträgen) nicht wenigstens ein bisschen zu verstehen helfen, worum es in der Beobachtung konkret ging. Viele dieser Einträge sind auch im Stenogramm verfasst – da wird es dann ganz schwierig, weil man dann z. B. Gabelsberger oder Stolze-Schrey Kurzschrift lernen muss, um halbwegs eine Ahnung zu kriegen, worum es geht.

Vierter Punkt: Der eigene Fotoapparat wurde gerade in der Zwischenkriegszeit mehr und mehr zum Instrument der Dokumentation des Gesehenen. Einige der Aufnahmen haben es zwar in die Diasammlungen von Instituten geschafft. Diese sind platzhalber jedoch mittlerweile zum großen Teil entsorgt; nur die Bonner Sammlung hat es bei uns ins Archiv geschafft. Die sachgerechte Interpretation historischer Aufnahmen fällt mittlerweile allerdings in die Kompetenz von geschulten Fotohistorikern, die sehr viel mehr sehen und herausfinden können als man das als Geographiehistorikerin auf klassisch hermeneutischem Wege könnte.

Fünfter Punkt: Eine ziemlich verlässliche Quellenkategorie sind Briefwechsel zwischen befreundeten Geographen oder mit der jeweiligen Familie: Da wird dann öfter etwas ausführlicher berichtet. Auch davon haben wir einige im IfL-Archiv. Allerdings sind auch hier etwaige methodologische Debatten um die Deutung von Beobachtungen rare Ausnahme. Letzter Punkt: Es gab noch keine systematischen Review-Verfahren bei wissenschaftlichen Zeitschriften. Aus meinen Analysen zu Herausgeberpraktiken von Alfred Hettner in der Geographischen Zeitschrift (GZ) weiß ich jedoch, dass er in der Regel sehr zurückhaltend mit Kritik an ungedruckten Texten war und lieber gleich einen eigenen Aufsatz in seinem Machtinstrument GZ geschrieben hat, wenn es etwas zu kritisieren gab.

Ich denke, man kann gerade im Kontrast zu heute aus dieser langen Liste vor allem dreierlei lernen: Erstens, dass das wissenschaftliche Subjekt des geographischen Autors bzw. der Autorin sehr viel weniger Qualitätskontrollen als sie heute üblich sind, unterworfen war. Das ist ein vergleichsweise geisteswissenschaftlicher Modus. Zweitens: Dass daraus in der Wissenschaft (und übrigens sehr viel weniger als in der Schule) auch eine gewisse Freiheit in der Anwendung von Methoden resultierte, die (bis auf das visuelle Material) in den Texten nicht explizit reflektiert wurde, was insbesondere für das gesamte Methodenspektrum der Hermeneutik bzw. Phänomenologie galt. Drittens: Trotzdem sind Hans-Dietrich Schultz und ich darin einig, dass es so etwas wie einen Comment gab, der implizit regelte, was (noch) zu tolerieren war und was eben nicht (mehr).

Eberhard Rothfuß: Ist dieser Comment nicht das, was Barbara Zahnen als „geographischen Takt“ bezeichnet hat (Zahnen, 2011)? Ich möchte hier kurz Zahnen (2011:54) zitieren, um die vermutete Analogie zum Comment zu verdeutlichen: „Der physisch-geographische Takt kommt daher gerade in dem formsuchenden und -findenden Verhalten zum Ausdruck, das sich nicht formalisieren lässt, für das es keine methodische Anleitung, kein Skript, keinen immergültigen, bereits festgelegten oder vorauszusetzenden Katalog gibt, und das es gerade deswegen braucht, weil man es im Gelände mit immer wieder anderen, sich ständig wandelnden übergänglichen und in sich vielschichtigen Umständen bzw. Gebilden zu tun hat“. Ist es das, was den Comment der damaligen Geographen ausmachte?

Ute Wardenga: Das ist richtig. Codewort für diesen Comment war der uns heute ziemlich ominös erscheinende Hinweis auf den sogenannten „geographischen Takt“. Er enthielt z. B. implizite Regeln, die wir heute unter den Stichworten „Gute wissenschaftliche Praxis“ oder data policy diskutieren. Er enthielt aber auch offensichtlich Regeln darüber, wie man korrekt „geographisch“ beobachtete, Daten sammelte, argumentierte und entsprechende Aufsätze für Fachzeitschriften schrieb. Im Übrigen waren Frauenförderung, Inklusionsvorschriften, Zeiterfassungssysteme, Leistungsvereinbarungen, Audits und Evaluierungen jeglicher Art sowie das Vorsingen auf ausgeschriebene Professuren noch völlig unbekannt, ebenso wie Drittmittelförderung und Drittmittelstellen, da die Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft (heute: Deutsche Forschungsgemeinschaft, DFG) erst am 30. Oktober 1920 als neue zentrale Institution der Wissenschaftsselbstverwaltung ihre Arbeit aufnahm.

Um zu begreifen, warum die impliziten Regeln des „geographischen Takts“ nicht aufgeschrieben und kodifiziert werden mussten, hilft vielleicht ein Blick in die soziale Welt der akademischen Geographie. Über sie wurde wenig explizit geredet, die Quellenlage ist mithin dünn, da die meisten Geographen (im Unterschied etwa zu manchen Philosophen) auch nicht dazu tendierten, ihre Erinnerungen in Buchform zu gießen. Mithin sind alle Informationen, die ich hier anbringen kann, Lesefrüchte aus den biographisch orientierten Einleitungen von Festschriften (Wardenga und Wirth, 1995) und Erzählungen älterer Kollegen über ihre eigene Studienzeit.

Eine wichtige Rolle in vielen Instituten spielte das „Oberseminar“ des Lehrstuhlinhabers. Es wurde nicht nur an der Uni, sondern auch oft in der Privatwohnung des Professors abgehalten. Zutritt hatten in der Regel ältere Studierende, die 2–3 Doktorandinnen/Doktoranden und (falls vorhanden) 1–2 Postdoktoranden, der/die Hilfsassistent/in sowie (falls vorhanden) der (!) Assistent des Lehrstuhlinhabers. In diesen Oberseminaren wurde die neueste wissenschaftliche Literatur diskutiert, wobei erwartet wurde, dass alle Anwesenden die zu diskutierenden Texte zuvor in der Bibliothek gelesen und Exzerpte angefertigt hatten, da es noch keine Xerox-Kopierer gab. Man kann mit guten Gründen vermuten, dass sich die Jüngeren erst einmal in dem übten, was wir heute „teilnehmende Beobachtung“ nennen, um zu lernen, wie man an einen Text heranging und ihn kritisierte. Insistierende Nachfragen waren allerdings eher unerwünscht, da man dann damit rechnen musste, von den älteren Teilnehmenden ggfs. wegen (unterstellter) Unbedarftheit abgebügelt zu werden. Allerdings gab es einen gemeinsamen Ausklang beim Bier, der die installierten Machtasymmetrien durchaus unterlaufen konnte.

Ein zweiter Ort hoch verdichteter sozialer Interaktionen waren vor allem die „großen“ Exkursionen, auf denen Studierende in geographische Beobachtung eingeführt wurden. Auch hier lernten sie eher durch teilnehmende Beobachtung, wie man am besten die allfällige erste Frage „Was sehen Sie?“ an verschiedenen Standorten beantwortete und welche Fehler man dabei tunlichst unterlassen sollte. Falls man sich im Zuge der Dissertation nicht „bloß“ auf eine Literaturarbeit beschränkte (und sich damit weitere Karrierechancen in der akademischen Geographie in der Regel verscherzte), musste man seine Befunde mit dem Doktorvater im Gelände diskutieren und konnte in der Regel auf seine wohlwollende Unterstützung zählen. Allerdings gab es auch eine verschärfte Variante: Sie bestand darin, dass sich zwei befreundete Kollegen zusammentaten und gemeinsam ihre Doktoranden coachten. Die Habilitanden wiederum wurden einer strengeren Kontrolle unterworfen, weil deren Versagen unweigerlich auf den Mentor selbst zurückgefallen wäre, da in diesem Fall mehrere (auch fachfremde) Außengutachten notwendig wurden.

Ein weiterer Ort hochgradiger sozialer Verdichtung waren die alle zwei Jahre an wechselnden Orten stattfindenden Geographentage. Zwar standen diese allen zahlenden Teilnehmern offen, allerdings waren die vorgesehenen Vorträge in ihrer Zahl beschränkt, da bis zum Ende der 1970er Jahre alle Vorträge (im Unterschied zu heute) im Plenum stattfanden. Für diejenigen, die nur zuhörten, boten die Vorträge und die sich anschließenden oft langen Diskussionen reiches Anschauungsmaterial differenter Kulturen des Vortragens und des Diskutierens. Für diejenigen, die aber unmittelbar vor der Habilitation standen oder sich gerade habilitiert hatten und auf dem Geographentag einen Vortrag halten mussten, waren sie Stress pur, weil sich manche Ordinarien einen Spaß daraus machten, den Delinquenten richtig übel auf den Zahn zu fühlen.

Langer Rede kurzer Sinn: Bis weit in die 1960er Jahre hinein haben Geographen meiner Meinung nach die Regeln ihrer interpretierenden Wissensproduktion v. a. durch Nachahmung, Miterleben und Miterleiden gelernt, sie in Form nicht mehr reflexiv beobachtbarer Wahrnehmungsdressuren internalisiert und routinisiert. Ein starkes Argument, das für diese Interpretation spricht, ist die totale Überrumpelung der Ordinarien auf dem Kieler Geographentag von 1969, die allesamt unfähig waren, auf die studentische Kritik angemessen zu reagieren. Es gab in Kiel also – etwas überpointiert formuliert – einen inkommensurablen clash of civilizations des doing geographies, weil die Studierenden das Explizit-Machen von Standards der Methoden- und Theorienutzung einforderten und am Ende selbst peinlichst über die riesige Leerstelle berührt waren, die sie bei den wissenschafts- und erkenntnistheoretisch größtenteils völlig blanken Ordinarien vorfanden.

Benedikt Korf: Wenn ich Dich richtig verstehe, scheint da aus dieser Vergangenheit des Faches nicht viel im Geist einer German Theory herauszuholen sein. Du hast ja deutlich gemacht, dass es aus Deiner Sicht in der Landschaftsgeographie nicht viel gibt, das sich im Sinne eines Kanons lohnen würde, (immer wieder) gelesen zu werden. Ein Kanon würde ja bedeuten, dass die Klassiker des eigenen Faches immer wieder neu gelesen und theoretisch angeeignet würden, wie das in der Soziologie z. B. mit Max Weber geschieht. Ratzel oder Hettner sind offensichtlich nicht Weber. Einen Kanon scheint es in der Geographie nicht zu geben. Zum Fehlen eines Kanons in der Geographie gibt es in der anglophonen Geographie ja seit einigen Jahren eine kontroverse Debatte4. Auch wenn es also gute Gründe gibt, die Texte der Landschaftsgeographie nicht als kanonische Schriften zu verstehen, möchte ich doch noch einmal nachfragen: Selbst wenn das Hermeneutische nur implizit praktiziert wurde, könnte diese hermeneutische Haltung, die Du für die Landschaftsgeographie beschrieben hast, im Sinne der German Theory nicht zumindest einen interessanten Impuls für die Theoriediskussion in der Neuen Kulturgeographie anbieten? Z. B. im Sinne eines geisteswissenschaftlichen Taktes?

Ute Wardenga: Ich bin da skeptisch, vielleicht gerade deshalb, weil ich als Hermeneutikerin arbeite und als Geographiehistorikerin auf die Analysen der langen Wellen der Fachgeschichte spezialisiert bin. Ich hätte gerne eine etwas respektierlichere Geschichte im Sinne der German Theory erzählt. Einerseits. Andererseits kann man vom Kompensationstheoretiker Odo Marquard (mit Hegel) auch lernen: „Sollenshypertrophie bewirkt Seinsvermiesung“ (Marquard, 2015d:156). Und wahrscheinlich habe ich euch mit meinen Einlassungen schon ein bisschen die Hoffnung auf eine andere oder gar gegenwartskompatiblere Landschaftsgeographie vermiest. Ihr habt aus eurer heutigen Sicht völlig legitime Fragen gestellt – und ich habe aus meiner Sicht mit den „vorhandenen Üblichkeiten“ (Marquard, 2015d:156) geantwortet. Wenn man mit Marquard „Hermeneutik als Altbausanierung im Reiche des Geistes“ versteht und eine ihrer Aufgaben darin liegt, den „Sinn für Kontinuitäten“ (Marquard, 2015e:228) zu pflegen, braucht es – gerade bei den lebhaften Debatten der Zwischenkriegszeit – auch den Sinn „für Langsamkeiten“ (Marquard 2015e:228). Diesen Sinn kann man mit Hermeneutik entwickeln. Dann sieht man nämlich, dass sich die Dinge so schnell nicht verändern, wie es manchen lieb wäre. Sondern dann muss man – gerade heute – leider realisieren, dass die in die älteren Raumsemantiken eingeschriebenen komplexen Deutungshorizonte und Zuschreibungen in Gesellschaften sehr lange sehr wirkmächtig mitgeschleppt und offensichtlich gegenwärtig vergleichsweise umstandslos reaktiviert werden können.

Was nun das Interpretieren anlangt, kommt man meiner Meinung nach vor allem mit Hayden Whites „Metahistory“ (1991) weiter. White hat die Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts mit Kategorien der Literaturtheorie analysiert und mit Blick auf die historische Einbildungskraft gezeigt, dass die Darstellungen von Historikern poetologischen Kategorien unterlagen und sie in ihren Erzählungen implizit verschiedenen Modellen der narrativen Modellierung folgten (Wardenga, 2000). Ich habe das einmal auf die Analyse von (auch landschaftsgeogaphisch orientierten) Länderkunden angewandt und konnte in der Tat zeigen, dass Geographen in ihren raumbezogenen Narrationen bestimmten Tropen wie z. B. Metapher, Metonymie, Synekdoche, weniger aber der Ironie unterlagen und dabei auch die Logik formativistischer, organizistischer oder mechanistischer Schlussfolgerungen „angewandt“ haben. Wohlgemerkt: Diese „Anwendung“ geschah nicht reflektiert und methodologisch kontrollierbar, sondern (und das ist für mich der Clou von Whites Argumentation) quasi automatisiert als Teil eines kulturell erlernten Stils, wie man Geschichten erzählen kann. Insofern kann man also in der Tat die These vertreten, dass geographische Narrationen sowohl in der Länderkunde als auch in Landschaftskunde nach einem eher geisteswissenschaftlichen Prinzip funktioniert haben.

Ich denke, die heutige internationalisierte akademische Geographie ist sehr weit von den wissenschaftsinhaltlichen, theoriebezogenen und wissenschaftssozialen Produktionslogiken der alten Landschaftskunde entfernt. Und das ist gut so. Also könnten wir dieses Kapitel eigentlich nun endgültig als vergangen betrachten und ad acta legen. Ich habe jetzt bewusst im Konjunktiv gesprochen, weil ich leider feststellen muss: Wir können es nicht und wir sollten das auch nicht! Denn um uns herum, und zwar überall dort, wo populistisch gedacht, argumentiert und regiert wird, landschaftet es wieder ganz gewaltig. Ich arbeite an der Leipziger Uni mit einem Projekt im Teilinstitut des vom BMBF an mehreren Standorten geförderten „Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ)“ mit. Dabei zeigen die Befunde, dass der gegenwärtige Populismus auch raumbezogene Sprachen und Denkfiguren nutzt, die für die vergangene Landschaftsgeographie typisch waren.

Also ist das Kapitel „Landschaft“ für Geographinnen und Geographen leider keineswegs erledigt, sondern brandaktuell, weil die raumbezogenen Sprachen des Populismus z. B. voll sind von implizit völkisch-nationalen und rassistischen Imaginationen, die für die Landschaftsgeographie und die von ihr beschriebenen „Realräume“ typisch waren. Und ich glaube, gerade die Geschichte der mitteleuropäischen Geographie ist ein wunderbares „Labor“, um zeigen zu können, was alles passiert, wenn man die entsprechenden Raumsprachen und die dahinterstehenden Natur- und Menschenbilder nicht kritisch reflektiert. Das sollten wir nicht vergessen. Landschaftsgeographie gab vor 100 Jahren eine sehr spezifische Antwort auf Herausforderungen der Globalisierung. Diese Antwort war in den damaligen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und sozialen Kontexten durchaus sinnvoll. Und man kann sie auch (wenn man von ihren pädagogischen Potenzialen her denkt) durchaus als den Versuch einer Demokratisierung und einer stärkeren Teilhabe an dem verstehen, was Pädagogen und Pädagoginnen als das „In-der-Welt-Sein“ verstanden haben.

Eberhard Rothfuß: Besteht dann, paradoxerweise, die Aufgabe der heutigen Geographie darin, die Welt über ihre eigenen alten Raumbilder – also diejenigen der Länderkunde und der Landschaftsgeographie – aufzuklären?

Ute Wardenga: Wenn ich eines sagen kann: Die Geographie ist ein unglaublich wirk- und deutungsmächtiges Fach, weil es – wesentlich über den Schulunterricht – weltweit Raumsprachen und damit raumbezogene Vorstellungen über den Planeten und die auf ihm und von ihm lebenden Menschen prägt. Ich finde schon, dass wir – gerade in der Wissenschaft und auch in der Schulgeographie – eine Verantwortung dafür haben, wie wir Geographie betreiben, welche Raumsprachen wir dabei selbst sprechen und an die nächsten Generationen weitergeben. Viele unserer zentralen Begriffe stehen der Alltagssprache immer noch sehr nahe und scheinen deshalb leicht begreiflich. Sie sind es nicht, denn sie können in ihrem Gepäck erhebliche Altlasten mitschleppen. Wir müssen deshalb – sehr viel mehr wir als das bisher getan haben, das Implizite explizit machen, weil man es nur dann verändern kann.

Seit dem 24. Februar 2022 denke ich ständig: Ich habe ein déjà-vu; ich bin jetzt in einem Film aufgewacht, in dem ich gar nicht aufwachen wollte. Manches ist, und das ist das Erschreckende für mich, nicht so weit entfernt, wie wir geglaubt haben, dass es sei. Eigentlich bin ich ziemlich erschrocken darüber, wie die alte Landschaftsgeographie außerhalb der Geographie immer noch als Blaupause für geographisch-räumliche Erzählungen funktionieren kann, die jetzt wieder en vogue oder im Kommen sind. Und das halte ich für brandgefährlich, weil hier popularisierte Vorstellungswelten des frühen 20. Jahrhunderts als verkappte und komplexitätsreduzierte Problemlösungsstrategien für die multiplen Krisen des 21. Jahrhunderts instrumentalisiert werden.

Ich denke, wir müssen in der Geographie (und zwar nicht nur in der akademischen Geographie, sondern auch in der Schulgeographie) sehr viel fitter darin werden, Raumsprachen, die wir selber oder die andere im Augenblick sprechen – gerade vor dem Hintergrund der enormen Herausforderungen, vor denen die heutigen Gesellschaften stehen – kritisch in ihren Entstehungskontexten reflektieren, wie das z. B. Du, Benedikt, in Deinem Buch „Schwierigkeiten mit der kritischen Geographie“ (Korf, 2022) getan hast. Wenn wir in diesem Sinne achtsamer werden, könnte das Fach sehr gewinnen. Im Augenblick sind wir in der Humangeographie aber leider viel zu wenig miteinander im Gespräch. Wir zerfallen aus nachvollziehbaren Karrierelogiken in winzige internationalisierte Grüppchen, die sich wechselseitig in ihrer je spezifischen Blase verstärken.

Wir hätten in diesem Fach auch die große Chance, mit der Physischen Geographie stärker in Kontakt und ins Gespräch zu kommen. Ich war zwar schon mal ziemlich aktiv dabei, als wir anfangs der 2000er Jahre versucht haben, eine „Dritte Säule“ in der Geographie zu installieren. Heute wundert es mich nicht, dass wir damals eine Bauchlandung erlitten haben. Denn wir haben im Modus der allerneuesten Humangeographie präskriptiv nach einer Theoriebasierung für diese „Dritte Säule“ gesucht. Kein Wunder also, dass die nach wie vor stark empirisch und nun laborgestützt arbeitenden Physischen Geographen und Geographinnen nach und nach ausgestiegen sind. Denn wir haben auf der wissenschaftssozialen Ebene versucht, ihnen unsere Form des doing science aufzunötigen. Ich glaube, wenn wir einfach mal Kulturen des Zuhörens und des Miteinander-Projekte-Machens stärken würden, die Humangeographen von den Physischen Geographen lernen würden und umgekehrt, dann könnten wir vielleicht ein neues Fach formen, das helfen könnte, auch dieses neue Europa und diese Welt anders zu framen als wir es bisher und in der Vergangenheit getan haben. Vielleicht könnte die sich in der internationalen Geographie derzeit aufbauende riesige Diskurswelle zum Anthropozän auch eine neue Chance bieten, gemeinsam andere Raum-Geschichten zu erzählen.

Eberhard Rothfuß: Ist das nicht ein schönes Schlusswort, Benedikt? Wir danken Dir ganz herzlich für dieses Gespräch.

Haftungsausschluss

Anmerkung des Verlags: Copernicus Publications bleibt in Bezug auf gerichtliche Ansprüche in veröffentlichten Karten, institutionellen Zugehörigkeiten oder anderen geographischen Begrifflichkeiten neutral. Obwohl Copernicus Publications alle Anstrengungen unternimmt, geeignete Ortsnamen zu finden und im Manuskript anzupassen, liegt die letztendliche Verantwortung bei den Autor:innen.

Literatur

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Jahn, C. und Wardenga, U.: Wie Afrika auf die Karte kommt: das Beispiel Georg Schweinfurth, in: Sources and methods for African history and culture: essays in the honour of Adam Jones, Herausgeber:innen: Castryck, C., Strickrodt, S., und Werthmann, K., Leipziger Universitätsverlag, Leipzig, ISBN 978-3865839268, 2016. 

Keighren, I. M., Abrahamsson, C., and della Dora, V.: On canonical geographies, Dialogues Hum. Geogr., 2, 296–312, https://doi.org/10.1177/2043820612468534, 2013. 

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Marquard, O. (Hrsg.): Apologie des Zufälligen, in: Zukunft braucht Herkunft, Philosophische Essays, Stuttgart, 146–168, ISBN 978-3-15-020617-1, 2015d. 

Marquard, O. (Hrsg.): Zeit und Endlichkeit, in: Zukunft braucht Herkunft, Philosophische Essays, Stuttgart, 220–233, ISBN 978-3-15-020617-1, 2015e. 

Meynen, E. (Hrsg.): International Geographical Glossary – Glossaire géographique international – Internationales Geographisches Glossarium, Steiner-Verlag, Stuttgart, ISBN 9780828809573, 1985. 

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Schultz, H.-D.: Die deutschsprachige Geographie von 1800 bis 1970. Ein Beitrag zur Geschichte ihrer Methodologie, Abhandlungen des Geographischen Instituts – Anthropogeographie 29, Berlin, 1980. 

Wardenga, U.: Geographie als Chorologie. Zur Genese und Struktur von Alfred Hettners Konstrukt der Geographie. Erdkundliches Wissen, 100, Steiner-Verlag, Stuttgart, ISBN 978-3-515-06809-3, 1995. 

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Zahnen, B.: Vollzug und Sprache Physischer Geographie und die Frage des geographischen Takts, Social Geogr., 6, 47–61, 2011. 

1

Die Autorin bedankt sich herzlich bei Hans-Dietrich Schultz (Berlin) für Kommentare zum Text und disziplinhistorische Gespräche zur Landschaftsgeographie der Zwischenkriegszeit.

2

Vgl. die Stichworte: Landschaftsanalyse, Landschaftsbegriff, Landschaftschorologie, Landschaftselement, Landschaftsempfinden, Landschaftsentwicklung, Landschaftshaushalt, Landschaftskunde, Landschaftsökologie, Landschaftspflege, Landschaftsplanung, Landschaftsraum, Landschaftsschäden, Landschaftsschutzgebiet, Landschaftsstruktur, Landschaftsteil, Landschaftstypologie.

3

Im Original heißt es statt „wird die Geographie“ „werden die Geisteswissenschaften“.

4

Vgl. zur anglophonen Diskussion Keighren (2013) und Powell (2015).