Articles | Volume 79, issue 2
https://doi.org/10.5194/gh-79-177-2024
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03 Jun 2024
Standard article |  | 03 Jun 2024

Die räumliche Produktion von Alternsbildern durch Smart-Home-Technologien

Marlene Hobbs and Linda Pasch
Kurzfassung

Promising independence in old age, smart home technologies are increasingly being mobilized as a solution to the care crisis in western industrialized societies. A widely accepted concept, “ageing in place” promotes ageing and care at home, with technologies ensuring implementation and reducing healthcare costs. However, images of ageing that promote active ageing and problematize old age are inscribed in the development process of smart home technologies. Based on an ethnographic investigation of technically mediated promises and use cases and interviews with technology developers and exhibitors, we show how smart home technologies construct images of self-responsible, active age on the one hand, and dependent old age on the other. Drawing on a social constructivist notion of ageing and extending feminist STS influenced conceptions of the co-construction of technology and ageing, we show that images of ageing are also spatial constructions that idealize the home as a place of the “third age” and devalue the nursing home as a place of the “fourth age”.

1 Einleitung

Alter steht immer wieder im Mittelpunkt gesellschaftlicher Debatten, sei es die Sorge um wachsende Altersarmut, zu niedrige Renten und in letzter Zeit vermehrt um Isolation und Einsamkeit älterer Menschen. Während der demographische Wandel zum Krisennarrativ stilisiert wird, wird die soziale Kategorie „Alter“ zunehmend vielfältiger. Es gibt mehr „junge“ Alte und mit immer mehr über 80-Jährigen eine neue Hochaltrigkeit in den westlichen Industriegesellschaften. Hochaltrigkeit – auch Viertes Alter genannt – gilt als eine Lebensphase, die von Pflegebedürftigkeit und Einschränkungen geprägt ist. Demgegenüber gilt das „junge“ Alter – das Dritte Alter – als chancenreiche und aktive Lebensphase (van Dyk, 2020). Mit der steigenden Zahl pflegebedürftiger älterer Menschen wächst die Angst, dass ihnen nicht genügend Pflegende gegenüberstehen. Technisierung verspricht den Pflegenotstand und seine zu erwartende Verschärfung abzumildern. Smart-Home-Technologien für das Altern und die Pflege zu Hause sollen Unabhängigkeit, Sicherheit und Selbstbestimmung auch im hohen Alter fördern und älteren Menschen den Verbleib in ihrer gewohnten Wohnumgebung ermöglichen – das sogenannte Ageing in Place (Marquardt, 2018:286; BMFSFJ, 2020). Seit den 2000er Jahren werden Smart-Home-Technologien für das Wohnen im Alter angepasst und auf nationaler wie europäischer Ebene politisch gefördert (Meyer, 2016). Technologien für ein Altern zuhause werden häufig unter dem Begriff Assistenzsysteme oder ambient assisted living (kurz: AAL) gefasst. Hierunter fallen Anwendungen wie Sensorik, Notrufsysteme, Telecare, Unterhaltung und Robotik.

Wie wir in diesem Beitrag zeigen, sind gesellschaftliche und politische Ideale eines aktiven und selbstverantwortlichen Alterns bereits in den Entwicklungsprozess der Technologien eingeschrieben, da diese mit dem Ziel entwickelt werden, ein aktives Altern zu fördern. Mit Smart-Home-Technologien halten somit spezifische Annahmen über das Alter Einzug in den Wohnraum. Bisherige Arbeiten an der Schnittstelle von Alter(n), Technik und Raum beschreiben vor allem, wie sich Räume und Praktiken im Alter durch die Nutzung von Technologien verändern. Seltener wird die Frage behandelt, wie Alternsbilder in die Technologien eingeschrieben werden und welche Raumkonstruktionen die technisch vermittelten Alternsbilder beinhalten. In diesem Beitrag fragen wir daher, wie Smart-Home-Technologien Alternsbilder räumlich konstruieren.

Dazu gehen wir zunächst darauf ein, wie Altern sozialtheoretisch gefasst wird und welche gesellschaftlichen Annahmen vorherrschende Alternsbilder bestimmen. Weiterhin stellen wir dar, wie Alter(n) bisher in der Geographie verhandelt wird. Anschließend zeigen wir unter Bezugnahme auf feministische, gerontologische und geographische Technikstudien, inwiefern die Entwicklung von Smart-Home-Technologien als Schauplatz der Produktion räumlicher Alternsbilder verstanden werden kann. Anhand einer ethnographischen Studie in Showrooms für Smart-Home-Technologien und Interviews mit Technikentwickler:innen und Aussteller:innen zeigen wir, dass Smart-Home-Technologien Bilder eines aktiven Dritten und eines abhängigen Vierten Alter(n)s konstruieren. Wir arbeiten heraus, wie Smart-Home-Technologien Hochaltrigkeit konstruieren, indem sie Gebrechlichkeit und negative Attribute zuschreiben und eine Aktivierung des Dritten Alter(n)s fördern. Weiterhin machen wir sichtbar, dass die technisch vermittelten Alternsbilder räumliche Konstruktionen sind, die einerseits das Zuhause als Ort des Dritten Alterns idealisieren und andererseits das Pflegeheim als Ort des Vierten Alterns abwerten.

Vor dem Hintergrund politischer Hoffnungen an technische Lösungen der Pflegekrise und technische Optimierung der Lebensphase Alter ist es dringend notwendig, diese gesellschaftlichen Entwicklungen kritisch zu begleiten und die Machtverhältnisse zu benennen, in denen sie eingebettet sind. Mit der Betrachtung der Ko-Konstruktion von Smart-Home-Technologien, Altern und Raum nimmt der Aufsatz das Thema Hochaltrigkeit in den Blick und leistet einen Beitrag zu der Frage, wie Alter(n) räumlich und soziotechnisch konstruiert wird.

2 Alter(n) als sozial-räumliche Strukturkategorie

Eine sozialtheoretisch informierte Betrachtung von Alter(n) findet in der anglophonen Geographie (Skinner et al., 2018), kritischen Gerontologie (Wanka und Gallistl, 2021) und Soziologie (van Dyk, 2020) statt. Dort wird Alter als komplexe Strukturkategorie verhandelt, die sich aus dem biologischen (Entwicklungsstatus des Organismus), chronologischen (kalendarisch nach Jahren), psychischen (altersbezogene Selbstverortung), sozialen (Alter als soziales Produkt) und sichtbaren Alter (sichtbare „Visitenkarte“) zusammensetzt (van Dyk, 2020). Alter(n) ist dabei einerseits als lebenslanger Prozess – hier gekennzeichnet durch das eingeklammerte „n“ – und andererseits als Zustand zu betrachten. Als Zustand ist Alter ein Differenzmarker, der sich von der Zuschreibung „jung“ abgrenzt. Der Doppelcharakter von Zustand und Prozess unterscheidet Alter(n) von anderen Strukturkategorien wie Geschlecht oder race. Laut der Soziologin Silke van Dyk meint Alter(n) „eine existentielle Erfahrung, Produkt kultureller Repräsentationen und gesellschaftlicher Institutionalisierungen“ (van Dyk, 2020:8) und birgt durch seine Komplexität Herausforderungen für die Theoriebildung.

In der Sozialgerontologie wird seit dem Ende des 20. Jahrhunderts eine Ausdifferenzierung der Lebensphase Alter durch die gestiegene Lebenserwartung und die strukturelle Verjüngung des Alters im Zuge einer Politik der Frühverrentung in frühindustrialisierten Ländern ausgemacht (van Dyk, 2020:24). Seitdem wird in der Altersforschung zwischen einem Dritten und Vierten Alter unterschieden (Laslett, 1989) – manchmal kommt ein Fünftes Alter hinzu (van Dyk, 2020; Higgs und Gilleard, 2015). Die Phasen werden auf verschiedene Weisen angerufen und sind jeweils mit gesellschaftlichen Vorstellungen verbunden. Ein seit den 1970er Jahren beständiges Alternsbild ist die Aktivitätsthese. Sie kritisierte das bis dato defizitorientierte Alternsbild und betont bis heute Lebensweisen, die aktivitätsbasiert sind und sich am mittleren Erwachsenenalter orientieren (van Dyk, 2020). Die Aktivitätsthese hat sich wissenschaftlich und politisch durchgesetzt und mit ihr eine qualitative Bestimmung des Dritten Alters, welche von neoliberalen Aufforderungen durchzogen ist: Ein gelingendes, aktives Altern soll durch Selbstoptimierung und beständiger Arbeit an sich selbst hergestellt werden, indem es gilt, sich möglichst lange geistig und mental fit zu halten und so möglichst lange zur kapitalistischen Konsumgesellschaft beizutragen (van Dyk, 2020).

Durch die Verlängerung des Lebens spielt Hochaltrigkeit, das sogenannte Vierte Alter, eine immer größere Rolle. Hochaltrigkeit ist weniger kalendarisch als körperlich bestimmt und beginnt mit der Annahme des Abbaus von körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit (van Dyk, 2020:27). Die Gerontologen Higgs und Gilleard (2015) verstehen Hochaltrigkeit als soziales Imaginär. Danach bezeichnet Hochaltrigkeit nicht einfach einen Lebensabschnitt, sondern eine kollektive Vorstellung von hohem Alter. Das Konzept des sozialen Imaginären wird in der Soziologie für kollektiv getragene Bedeutungs- und Vorstellungsinhalte verwendet, welche die Praktiken der Mitglieder einer Gesellschaft strukturieren (Taylor, 2003). Hier ist auch das enthalten, was ausgeschlossen wird, was nicht sein darf und somit verworfen wird (Higgs und Gilleard, 2015; Pfaller, 2021). Feministische Sozialforschung hat dazu beigetragen, die Tabuisierung von Hochaltrigkeit aufzubrechen, indem sie Sterblichkeit, (schmutzige) Pflegearbeit und unkontrollierbare Körperlichkeit thematisiert (Buse et al., 2018; Twigg 2004). Dennoch bleibt Hochaltrigkeit eine Leerstelle in der kritischen Sozialforschung (van Dyk, 2020). An den Vorstellungen eines gelingenden Alters werden die gesellschaftliche Konstruktion von Alternsbildern und ihre Wandelbarkeit deutlich. Eine konstruktivistische Perspektive auf Altern, welcher wir uns hier anschließen, hinterfragt die gesellschaftlichen Konstruktionen von Drittem und Viertem Alter.

In der deutschsprachigen Geographie ist Alter(n) als Strukturkategorie noch unterbeleuchtet. Seit über 30 Jahren wird in der anglophonen Geographie festgestellt, dass es noch viel ungenutztes Potential für eine sozialtheoretisch informierte geographische Alternsforschung gibt (Laws, 1993; Harper und Laws, 1995). Insbesondere Harper und Laws (1995) machten sich für einen cultural turn in den Altersgeographien stark und forderten eine stärkere Berücksichtigung von feministischen, postmodernen und polit-ökonomischen Debatten in geographischen Alternsfragen. Hopkins und Pain (2007) stehen für eine relationale Altersgeographie, die alle Lebensphasen in ihrer Ko-Konstruktion mit Raum verhandelt. Eine sozialgeographische Alternsforschung hat das Ziel, den relationalen Charakter von Alter und Raum hervorzuheben und zu zeigen, wie „ […] multiple places and spaces at multiple scales are responsible for age relations“ (Skinner et al., 2018:787). Skinner et al. (2018) und Andrews et al. (2007, 2018) fordern die Anreicherung kritischer Gerontologie mit einem differenzierten Raumverständnis und umgekehrt die Aneignung kritischen gerontologischer Debatten für die Geographie. In der deutschsprachigen Geographie entstanden in den letzten Jahren Arbeiten, die soziale Ungleichheiten in räumlichen Altersbeziehungen thematisieren (Enßle und Helbrecht, 2018; Genz, 2019).

Ein prominentes Forschungsthema an der Schnittstelle von Gerontologie und Sozialgeographie ist Ageing in Place. In Politik und Forschung wird dem Zuhause eine wichtige Rolle im Alter zugeschrieben, gilt es doch als bester Ort um sicher und „in Würde“ zu altern. Trotz seiner großen Reichweite bleibt Ageing in Place ein vages Konzept (Andrews et al., 2007:157). Ein kritischer Blick auf das Zuhause im Alter ist in der geographischen Alternsforschung längst nicht ausgeschöpft. So könnte auf feministischer Forschung aufgebaut werden, die sich dem Zuhause als ambivalentem und umkämpftem Ort widmet, der von Widersprüchen wie Individualisierung, unbezahlter Reproduktionsarbeit, aber auch Rückzug und Erholung geprägt ist (Young, 1997; Mowl et al., 2000). Technologien für das Alter(n) sollen das Zuhause in den optimalen Ort für ein aktives Alter(n) verwandeln, indem ältere Menschen möglichst lange fit und selbstbestimmt wohnen können. Technisch vermitteltes, „autonomes“ Wohnen soll so zur Lösung des Pflegenotstands beitragen. Wie wir zeigen werden, beinhalten Smart-Home-Technologien für ein aktives Alter(n) spezifisch normierte Konstruktionen eines aktiven Dritten und eines abhängigen Vierten Alter(n)s und tragen umgekehrt zu ihrer Produktion bei. Diese (Re-)produktion von Alternsbildern ist mit spezifischen Raumkonstruktionen verwoben. Ein kritischer Blick auf die Technologien und damit zusammenhängende Alternsbilder und Raumkonstruktionen ist daher angebracht. Das folgende Kapitel zeigt bisherige Herangehensweisen an die gegenseitige Konstruktion von Alter(n), Technologien und Raum.

3 Smart-Home-Technologien für das Alter(n)

Durch den Einfluss der Feministischen Science and Technology Studies (STS) rücken intime, alltägliche Technologien und Praktiken in den Fokus geographischer Untersuchungen (Schurr et al., 2023). Techniksoziologische Studien haben ein Verständnis von Technologien als „Soziotechniken“, also als gesellschaftlich produziert und situiert und gleichzeitig als Gesellschaft produzierend etabliert. Das heißt, Technologien sind nicht neutral, sondern eingebettet in gesellschaftliche Normvorstellungen und Herrschaftsverhältnisse und gestalten diese mit (Schurr et al., 2023).

Die Socio-Gerontechnology untersucht als Teildisziplin einer kritischen Kulturgerontologie den relationalen Zusammenhang zwischen Technik und Alter(n) (Wanka und Gallistl, 2021). An der Schnittstelle zwischen Gerontologie und STS fragen Studien der Socio-Gerontechnology, wie Alternsbilder technisch konstruiert werden und setzen sich zum Ziel, die „Risiken negativer Stereotypisierung und Standardisierung des Alter(n)s durch die Entwicklung altersspezifischer Technologien“ (Wanka and Gallistl, 2021:384) aufzudecken. Wie wir zeigen werden, sind die Ideale eines aktiven, selbstverantwortlichen Alterns im Sinne des Aktivitätsparadigmas bereits im Entwicklungsprozess der Technologien wirksam und werden so in die Technologien eingeschrieben. Aktiv zu bleiben, sich fit zu halten und altersbedingten Einschränkungen möglichst vorzubeugen, sind Bestandteile von Alternsbildern, die in technische Codes und Programme überführt werden (Reid, 2022). Der Prozess des Einschreibens von Alternsbildern in Technologien wird als age scripting bezeichnet (Endter, 2016). Scripting wird in den Science and Technology Studies bereits für andere Strukturkategorien wie gender oder race verwendet (Leszczynski, 2016; Elwood, 2021). Feministische Technikforscher:innen zeigen seit den 1970er Jahren, dass Technikentwicklung und Vermarktung gesellschaftliche Prozesse sind, die entlang spezifischer gesellschaftlicher Normierungen laufen (Cockburn und Omrod, 1993; Schwartz Cowan, 1976).

Bereits in frühen Feministischen Technikstudien wurde dabei das Zuhause als Ort der Technisierung in den Vordergrund gerückt (Schwartz Cowan, 1976). So können neue Haushaltsgeräte beispielsweise kleinfamiliäres Zusammenleben und weiblich konnotierte Hausarbeit manifestieren (Hobbs, 2021; Isselstein, 2021). Ein differenzierter Raumbegriff ist in der Forschung zu Altern und Technik bisher zwar selten anzutreffen, wird aber immer wieder als relevante Leerstelle markiert (Urban, 2017; Oudshoorn, 2012). Gerade vor dem Hintergrund zunehmender Technisierung von Wohnräumen und ihren Versprechen an ein Ageing in Place sind Fragen nach den räumlichen Implikationen zentral (Oudshoorn, 2012). So verändert sich der Charakter des Zuhauses beispielsweise durch den Einzug von Pflegetechnologien, oder es entstehen neue Räume, wie Callcenter für Telecare (Milligan, 2009). Außerdem sollen Technologien Pflege aus der Distanz ermöglichen, um Angehörige trotz ihrer hypermobilen Lebensstile in die Versorgung einzubinden.

Bisherige Arbeiten an der Schnittstelle von Alter(n), Technik und Raum beschreiben vor allem, wie sich Räume und Praktiken im Alter durch die Nutzung von Technologien verändern. Seltener wird die Frage verhandelt, welche verschiedenen Alternsbilder in die Technologien eingeschrieben sind und welche Raumkonstruktionen die technisch vermittelten Alternsbilder beinhalten. Die Ko-Konstruktion von Altersidentitäten und räumlichen Praktiken durch Smart-Home-Technologien für das Alter(n) werden unter anderem von Aceros et al. (2015) untersucht. Sie stellen fest, dass Telecare-Technologien trotz des Ideals eines aktiven Alter(n)s bei der Nutzung eher Passivität und damit ein negatives Alternsbild fördern. Durch die Verknüpfung technisch vermittelter altersgerechten Aktivitäten mit dem Zuhause treten Widersprüche in den alltäglichen Praktiken der älteren Menschen auf, sobald diese das Zuhause verlassen. Das verräumlichte Alternsbild der Technologien beinhaltet die Annahme, dass sich ältere Menschen vor allem Zuhause aufhalten. Dass das Zuhause als Ort für ein spezifisches, aktives Alter(n) mit Smart-Home-Technologien erst hergestellt wird, führt Marquardt (2018) aus. Smart-Home-Technologien sollen Selbstbestimmung und Pflege im Zuhause ermöglichen und damit einen Ort für ein „gutes“ Altern schaffen (Marquardt, 2018). Mit der politischen Förderung von Assistenztechnologien finden also Annahmen über „gutes“ Altern in der Form des aktiven Alterns Einzug in den Wohnraum. Das Smart Home wird so zu einem konkreten soziotechnischen und räumlichen Projekt, in dem die „Sozialfigur des ‚aktiven Alten‘ […] mit Hilfe technischer Systeme an konkreten Orten ins Leben gebracht“ (Marquardt, 2018:294) wird. Reid (2022) fragt darüber hinaus, welche Annahmen über Wohnräume im Design von Smart-Home-Technologien für Ältere eingeschrieben sind. Anhand der Annahmen von Personen, die Telecare-Technologien entwickeln, implementieren und warten wird deutlich, wie Vorstellungen von Wohnen und Alter(n) in die Entwicklung und Implementierung einfließen und die Technologien im Wohnraum ein bestimmtes Bild dessen produzieren. So konstruieren sich Technikentwicklung und normierte Wohnvorstellungen gegenseitig.

Die Entwicklung und Vermarktung von Smart-Home-Technologien wird in bisherigen Forschungsarbeiten folglich bereits als Schauplatz konzipiert, an dem gesellschaftliche Vorstellungen von Altern hergestellt und konkret werden. Die Arbeiten beziehen sich hier vor allem auf das aktive Dritte Alter. Weiterhin wird thematisiert, dass in die Technikentwicklung Imaginationen der räumlichen Anwendungskontexte einfließen. Inwiefern verschiedene Alternsbilder sowohl technisch vermittelt als auch räumlich konstruiert sind, wird kaum in Zusammenhang betrachtet. Welche Rolle das Vierte Alter dabei spielt, fand in den bisherigen Arbeiten ebenfalls keine Beachtung. Darüber hinaus wurde bisher nicht detailliert ausgearbeitet, wie spezifische Alternsbilder Raumvorstellungen (ko-)produzieren. Unter Einbezug einer sozialtheoretischen Perspektive auf Alter(n) und eines feministischen Verständnisses von technisiertem Wohnen verbinden wir Ansätze der Ko-Konstruktion von Alter(n) und Technik mit einer geographischen Perspektive und fragen, wie Smart-Home-Technologien Alternsbilder produzieren und wie diese räumlich konstruiert sind. Konkret untersuchen wir die räumliche Produktion von Hochaltrigkeit aus der Perspektive der Technikentwicklung und -ausstellung.

4 Methodischer Zugang

Um die Konstruktion von Alternsbildern in Smart-Home-Technologien zu untersuchen, haben wir Showrooms als Schauplätze der Technikentwicklung aufgesucht, in welchen Entwickler:innen und Aussteller:innen ihre Technologien präsentieren. Bisherige Studien zu Smart-Home-Technologien für das Alter(n) untersuchen vor allem Praktiken im Zuhause oder an anderen Orten der Anwendung – wie Telecare-Callcenter – oder offizielle Strategiepapiere. Mit einem explorativen ethnographischen Zugang haben wir zwischen November 2022 und Februar 2023 drei Showrooms besucht, die Smart-Home-Technologien für Wohnen im Alter und häusliche Pflege zeigen. In begleiteten Führungen haben wir uns durch die ausgestellten, altersgerechten und technisch aufbereiteten Wohnräume bewegt – Küchen, Badezimmer, Wohnzimmer, Schlafzimmer und Pflegeräume. Die Aussteller:innen haben die Technologien demonstriert und dazu ihre Funktionen und Nutzungsweisen gezeigt und erklärt, und Notsituationen wie Stürze, oder Gespräche mit den sprachgesteuerten Systemen simuliert. Einige Technologien durften wir selbst ausprobieren. Die Technologien in den Showrooms reichten von digital vernetzten Anwendungen bis hin zu „einfachen“ mechanischen Tools, wie speziell geformte Trinkbecher. Durch die Besuche der Showrooms erhielten wir einen Überblick über neue und etablierte Geräte und Technologien, ihre Versprechen und imaginierten Anwendungsfälle. Als Anwendungsfälle – auch „use cases“ genannt – beschreiben die Entwickler:innen die Ausrichtung der Technologien auf spezifische Situationen, die im Alltag älterer Menschen auftreten können. Die Anwendungsfälle sind durch Studien oder den Markt bestimmt, oder werden in sogenannten „discovery processes“ gemeinsam mit den sie betreffenden Personen entwickelt.

Technologien, die uns als besonders innovativ vorgestellt wurden und verschiedene Anwendungsfälle miteinander kombinieren, untersuchten wir in einem zweiten Schritt ausführlicher, indem wir die Entwickler:innen der Technologien interviewten. Wir haben problemzentrierte, leitfadengestützte Interviews mit zehn Entwickler:innen und Aussteller:innen1 aus dem Smart-Home-Bereich geführt. Konkret fragten wir nach ihrer Motivation die Technologie zu entwickeln, sowie nach den Alter(n)s-, Wohn- und Care-Verständnissen, die an die Technologien geknüpft sind. Die Interviews führten wir digital oder vor Ort. Wenn wir vor Ort waren, wurden uns die Technologien live präsentiert. Unser Datenkorpus besteht aus den Transkripten der Interviews, sowie unseren Feldnotizen.

Als feministische Geographinnen interessieren uns insbesondere Fragen von sozialer Ungleichheit und wie sich diese räumlich und technisch vermittelt ausdrücken. Alter(n) wird in der Humangeographie selten im Kontext sozialer Ungleichheiten untersucht (Enßle und Helbrecht, 2018). Während unserer Feldforschung wurde uns schnell klar, dass in die Technologien bestimmte Alter(n)sbilder und daran geknüpfte Wohnvorstellungen eingeschrieben sind, die gesellschaftlich ausgeschlossen und damit tabuisiert werden. Unsere Motivation ist es zu einem besseren Verständnis und Beschreibung dieser räumlichen Alter(n)sbilder beizutragen und die damit einhergehende Reproduktion sozialer Ungleichheiten zu theoretisieren.

5 Die Konstruktion von Hochaltrigkeit durch Smart-Home-Technologien

Durch die Feldbegehung konnten wir fünf Kontexte identifizieren, in denen die Technologien angewendet werden: Erstens gibt es körpernahe und körperferne barrierereduzierende Technologien, wie Türkommunikation, automatische Lichtsysteme, höhenverstellbare Toiletten, aber auch Haltegriffe und Ganzkörpertrockner. Zweitens spielen Kommunikations- und Organisationstechnologien eine immer größere Rolle. Diese Technologien ermöglichen eine niedrigschwellige Kommunikation mit Angehörigen und Freund:innen, erinnern an Termine oder erlauben die Durchführung von Telemedizin. Ein großes Anwendungsfeld gibt es drittens im Bereich des Monitorings. Diese Anwendungen sollen abweichende Aktivitäten und Gefahrensituationen – zum Beispiel Brände oder Stürze – erkennen und einschätzen, um dann automatisiert ein Notrufsystem zu aktivieren. Digitale Assistenzsysteme bilden ein viertes Anwendungsfeld. Dies sind technische Plattformen, welche die gemeinsame Steuerung mehrerer Geräte ermöglichen und ihre Daten auslesen können. Dazu sind sie mit einem Interface, wie einem Tablet oder Smartphone verbunden. Ihre Funktionen umfassen meistens Aktivitäts- und Gefahrenerkennung, sowie Unterhaltungs- und Kommunikationstools und manchmal Sprachsteuerung. Ein aktueller Trend der Technikentwicklung sind fünftens Anwendungen, die für die psychische Gesundheit konzipiert sind. Hierunter fallen zum Beispiel Klangkissen zur Aktivitätsanregung oder VR-Brillen, mit welchen Reisen an Orte aus der eigenen Vergangenheit virtuell unternommen werden können.

Im Folgenden zeigen wir, wie Smart-Home-Technologien gesellschaftliche Vorstellungen eines aktiven Dritten und eines abhängigen Vierten Alter(n)s produzieren. Dafür nutzen wir das Konzept des sozialen Imaginären nach Higgs und Gilleard (2015). Diese theoretisieren Hochaltrigkeit als gesellschaftsübergreifende Imagination, die sich über die Zuschreibung von Gebrechlichkeit und in Abgrenzung zu einem aktiven Dritten Alter herstellt. Darüber hinaus ist das Vierte Alter von einem Abjektstatus – also als Quelle von Kontamination und Ekel – geprägt. Alle negativen Eigenschaften von hohem Alter werden auf das Vierte Alter projiziert und müssen gleichzeitig als nicht tolerierbar verworfen werden. Anschließend an die Konzeptualisierung von Hochaltrigkeit als soziales Imaginär arbeiten wir zunächst heraus, wie Smart-Home-Technologien ein Drittes und Viertes Alter mithilfe der Abgrenzung durch die Kategorie Gebrechlichkeit konstruieren (Kapitel 5.1). Über die Kategorie Gebrechlichkeit wird sichtbar, dass sich das Dritte und Vierte Alter gegenseitig herstellen. Anschließend zeigen wir, wie das Dritte Alter mithilfe der Technologien aktiviert werden soll (Kapitel 5.2) und gleichzeitig Hochaltrigkeit und mit ihr assoziierte negative Attribute als etwas nicht Tolerierbares verworfen werden (Kapitel 5.3).

5.1 Gebrechlichkeit: Drittes und Viertes Alter in der Technikentwicklung

Anhand der Kategorie Gebrechlichkeit werden mit Smart-Home-Technologien verschiedene Alternsbilder konstruiert. In die Anwendungsfälle der Technologien sind spezifische Vorstellungen von vorhandenen oder fehlenden Kapazitäten älterer Menschen eingeschrieben, sich selbst versorgen zu können. Meistens sind die Technologien auf einen oder mehrere der folgenden sechs Anwendungsfälle ausgelegt: Vermeidung von Stürzen, schnelle Reaktion in Not- und Gefahrensituationen, korrekte und ausreichende Einnahme von Medikamenten, Nahrung und Flüssigkeit, Umgang mit Inkontinenz, Erhebung von Vitaldaten, Motivation für alltägliche Aktivitäten und Reduzierung von Einsamkeit. Durch Monitoring, Erinnerungen, Übungen, Kommunikation oder Anpassung von Pflegeleistungen sollen so bestimmte Fähigkeiten erhalten bleiben. Zentral für diese Anwendungsfälle ist die Kategorie der Gebrechlichkeit. Die programmierten Anwendungsfälle werden entlang einer Zuschreibung von Gebrechlichkeit angepasst. Die Technologien richten sich dementsprechend an „fitte“ oder „gebrechliche“ Ältere, wie der Gründer eines Startups für ein digitales Assistenzsystem feststellt:

Ich sag mal so, […] der gesunde, total topfitte Senior braucht das System vielleicht nicht […]. Aber wenn der auch total topfit ist, kann der vielleicht auch sein Handy für sowas verwenden. Da braucht er ja nicht so ein System. Aber ein Senior oder eine Seniorin, die schon bestimmte Einschränkungen hat – sei es jetzt eben physisch oder psychisch – die viele Medikamente nehmen und allein deswegen schon sturzgefährdet sind. Die können von so einem System eben entsprechend profitieren. (Entwickler G, Januar 2023)

Gleichzeitig merken Entwickler:innen an, dass die Nutzer:innen eine gewisse Fitness mitbringen müssen um in der Lage zu sein „gewisse Dinge vielleicht noch neu zu lernen. Sich damit noch auseinanderzusetzen und dann zu nutzen.“ (Entwicklerin F, Januar 2023). Als Entwickler:in dürfe man sich keine „siechende Person [als Nutzer:in vorstellen], die eigentlich nur noch darauf wartet, dass das Ende kommt“ (Entwicklerin F, Januar 2023). Ein prominentes Technikversprechen ist die Förderung sozialer Teilhabe. In der Vorstellung der Entwickler:innen kann soziale Teilhabe nur gefördert werden, wenn die Zielgruppe noch zum aktiven Dritten Alter gehört. So versuchen diese, die Grenzen zwischen einem nur wenig einschränkendem Dritten Alter, das mit Technologien optimiert, sozial bereichert und hinausgezögert werden kann, und einem Vierten Alter, das vor allem von Pflegebedürftigkeit geprägt ist, auszuloten und reproduzieren die Grenzen so.

Die Kategorie der Gebrechlichkeit dient hier als Abgrenzung des Vierten vom Dritten Alter. Dadurch wird Gebrechlichkeit in seiner Gegensätzlichkeit zu einem fitten, gesunden Zustand oder aus sich selbst heraus definiert: Eine Person ist gebrechlich, weil sie schwach, erschöpft, fragil usw. ist (Higgs und Gilleard, 2015:74–75). Die Gegenüberstellung eines fitten und eines gebrechlichen Alters impliziert ein defizitorientiertes Bild von Hochaltrigen. Sie sind die „Anderen“, die „wirklich Alten“, die nicht mehr ohne Hilfe leben können. Dieser hochaltrige Zustand soll so lange wie möglich hinausgezögert werden. Das selbstbestimmte Dritte Alter ist dementsprechend die erstrebenswerte Norm.

Gebrechlichkeit (frailty) wird aus biomedizinischer Sicht als Krankheitsbild und Syndrom betrachtet. Allerdings gibt es keine einheitliche Definition des Gebrechlichkeitssyndroms, da keine klar abgrenzbaren biologischen Auslöser identifiziert werden können (Higgs und Gilleard, 2014:14). Higgs und Gilleard (2014, 2015) identifizieren Gebrechlichkeit als zentrales Motiv, das Hochaltrigkeit definiert. Sie beschreiben, wie die Norm des aktiven Dritten Alters über den Ausschluss von Hochaltrigkeit funktioniert. Dabei wird die vermeintliche Lücke zwischen fit und gebrechlich vertieft: „By advocating diverse lifestyles, a timeless self, and an endless journey through life, the third age helps paint a darker picture of `old age', contributes a darker narrative and exaggerates the gap between the fit and the frail […]“ (Higgs und Gilleard, 2015:19).

Die konstruierte Grenze zwischen Drittem und Viertem Alter ist einerseits deutlich in den Erzählungen der Entwickler:innen und Aussteller:innen vorhanden, andererseits verläuft sie anhand nicht konkret bestimmbarer Merkmale. Aus sozialwissenschaftlicher Perspektive wird Gebrechlichkeit als Zuschreibung betrachtet, die Hochaltrige zu Anderen macht und sie objektifiziert. Dabei werden als gebrechlich attribuierte Ältere auf ihre Körper reduziert und vor allem über das definiert, was in Zukunft vielleicht mit ihnen passieren könnte. Im Interview geht der Beirat eines Informationszentrums für häusliche Pflege davon aus, dass Technologien die gebrechliche Hochaltrigkeit hinauszögern können, bis der Körper sie „einholt“. Erst wenn ein Körper pflegebedürftig würde, sei er wirklich alt: „Wenn meine Körperkräfte die Hilfsmittel übertroffen haben, dann bin ich ein Pflegefall“ (Entwickler A, November 2022). Durch die Konstruktion von Gebrechlichkeit wird Hochaltrigkeit zu einem „corporeal state that is nevertheless defined and surrounded by ubiquitous risk and the ‚need‘ for care“ (Higgs und Gilleard, 2015:73). Personen, die einmal als gebrechlich gelten, sind somit über eine allgegenwärtige Verletzlichkeit und Angewiesenheit definiert. Das ist durchaus widersprüchlich, denn manche Pflegetechnologien können körperliche Einschränkungen ausgleichen, wie beispielsweise Rollstühle oder Schnabeltassen. Die Entwickler:innen von Smart-Home-Technologien orientieren sich jedoch vielmehr am Dritten Alter, das aufrechterhalten werden soll. Sie wollen sogar vermeiden, dass eine zu starke Sichtbarkeit der technischen Hilfen ein Bild von Gebrechlichkeit produziert: „[…] es gibt ja Notrufsysteme. Die haben natürlich den Nachteil, dass da ganz groß draufsteht, wenn man so ein Ding um den Hals trägt: ich bin alt und klapprig und brauche Hilfe“ (Entwickler G, Januar 2023).

Über die Anwendungsfälle konstruieren die Technologien eine vermeintlich natürliche Gebrechlichkeit und produzieren so ein Bild von Hochaltrigkeit, das vor allem über den Abbau körperlicher Leistungsfähigkeit definiert und von einem aktiven Alter abgrenzbar wird. Die ökonomischen Interessen hinter den Anwendungsfällen bleiben dabei oft unbenannt, obwohl sie ein maßgeblicher Faktor für die Entwicklung und Etablierung von Technologien sind:

Ok, der Markt beschäftigt sich mit dem Thema Sturz. Weil das eben, weil die Sturzthematik einer der häufigsten Unfälle ist, die auch unbemerkt bleibt, die auch eben dann […] ne besonders psychische Belastung darstellt für die Betroffenen. Letztendlich aber auch rein wirtschaftlich gesehen die Einrichtung dann auch unfassbar viel kosten, weil wenn dann die Person, dann ins Krankenhaus muss, die Zimmer lange unbelegt sind und so weiter […] (Entwickler H, Februar 2023)

Das Interesse, Stürze zu vermeiden, gründet nicht allein auf den möglichen schlimmen Folgen für die Betroffenen, sondern ebenfalls auf den Kosten für unbelegte Betten in Pflegeheimen und den hohen Kosten für Pflegekassen.

In der Zuschreibung von Gebrechlichkeit wird sichtbar, wie in der Technikentwicklung ein Drittes und ein Viertes Alter in ihrer Abgrenzung voneinander konstruiert werden. Im nächsten Schritt arbeiten wir heraus, wie Smart-Home-Technologien das Dritte Alter aktivieren und verlängern sollen.

5.2 Aktivierung des Dritten Alters

Technologien nehmen bei der Herstellung eines aktiven Alter(n)s eine wichtige Rolle ein. Werden Elemente des täglichen Lebens in messbare Aktivitäten, wie ein Spaziergang um den Block, übersetzt (Katz, 2000:127), ermöglichen technische Geräte wie Self-Tracker die Vermessung des aktiven Selbst (Lupton, 2016). Während Fürsorgestrukturen – wie eine ausreichend finanzierte Pflegelandschaft – im Zuge eines neoliberalen Umbaus des Wohlfahrtsstaates abgebaut werden und die Privatisierung von Care-Arbeit zunimmt (Schwiter und Steiner, 2020), wächst der Appell an die Eigenverantwortung für Gesundheit und Fitness. In dieser Logik der Responsibilisierung Einzelner für ihr eigenes Wohlergehen und dem Aufruf zur Optimierung alltäglicher Aktivitäten im Alter unterstützen Technologien die Ausweitung neoliberaler Anforderungen auf ältere Menschen (Endter, 2016:121). Das Aktivitätsparadigma hat ein Drittes Alter hervorgebracht, welches auf individueller Anpassungsfähigkeit und konsumorientierter Selbstverwirklichung aufbaut. Im heute beinah selbstverständlichen „positive ageing paradigm“ bleiben soziale Ungleichheiten allerdings oft unbenannt (van Dyk, 2020:47; Katz, 2000).

Die Aktivierung des Dritten Alters beinhaltet einen Disziplinierungscharakter, denn Aktivität wird mithilfe der Technologien zu einem messbaren Verhalten. Im folgenden Ausschnitt eines Gesprächs zwischen einem digitalen Assistenzsystem mit Sprachsteuerung und ihrem Entwickler beharrt das Assistenzsystem darauf, einen Eintrag in ein Dankbarkeitstagebuch einzutragen2:

EG [Entwickler G]: Und hier in dieser [Name des Assistenzsystems] haben wir das [Dankbarkeitstagebuch] schonmal eingebaut. Die erlaubt auch nicht, dass man irgendwie sagt, dass das alles schlecht ist. Ich kann das ja nochmal fortführen. Okay, [Name des Assistenzsystems]. Gute Nacht.

DA [Digitales Assistenzsystem]: Hast du noch fünf Minuten Zeit für einen kleinen Tagebuch Eintrag?

EG: Ja bitte.

DA: Was hast du heute so Schönes gemacht?

EG: Heute war alles doof.

DA: Oh nein, das ist wirklich doof. Man muss auch nicht immer für ein Ereignis oder einer anderen Person dankbar sein. Man kann auch für seine aktuellen Lebensumstände dankbar sein. Wie zum Beispiel ein leckeres Essen. Also welche schöne Sache darf ich jetzt notieren?

EG: Ah ich habe heute mit meinem Bruder mal wieder telefoniert. Seit langem mal wieder.

DA: […] Wunderbarer Tagebucheintrag. Hast du noch einen Eintrag? Antwort mit Ja oder Nein.

EG: Ähm ja. Einen Eintrag noch. Ja!

DA: Prima, ich freue mich über alles was du mir erzählst. Was hast du heute so Schönes gemacht?

EG: Ich war noch eine Runde spazieren und habe bestimmt 300, 400 Meter geschafft.

DA: Wow. Spazieren. Du bist gut drauf. Ich muss auch mal wieder Sport treiben. Aber erst nächsten Dienstag. Das habe ich gerne notiert. Möchtest du noch einen Eintrag machen? Antworte mit ja oder nein.

EG: Nein. Das ist alles […] Nein.

DA: Alles klar […]. Damit sind wir am Ende des Tagebuchs. Wir haben heute zwei Einträge gemacht. Jeder Tag ist ein Geschenk mit vielen positiven Überraschungen. (Entwickler G und Digitales Assistenzsystem, Januar 2023)

Durch die Affirmierung von Aktivität werden hochaltrige Menschen als zu Abhängigkeit neigend und risikobehaftet problematisiert. Katz (2000) hat das Aktivitätsparadigma in Alterseinrichtungen als disziplinierend kritisiert. Nun erhalten disziplinierende und responsibilisierende Maßnahmen zur Vermeidung von Hochaltrigkeit Einzug in den Wohnraum. Ältere sollen dort nicht nur herumsitzen und sich aufgeben, sondern selbst aktiv daran arbeiten, sich fit zu halten. Wie Silke van Dyk beschreibt, ist das Ziel der Aktivierung stets „durch individuelle zu verantwortende Maßnahmen […] die aktive Lebensführung zu steigern, Einschränkungen und Funktionsverluste so lange wie möglich hinauszuzögern“ (van Dyk, 2020:50). In der gesellschaftlichen Wahrnehmung von Hochaltrigkeit als individuelles Schicksal werden ältere Personen selbst zur Vermeidung des ihnen zugeschriebenen Zustands angerufen.3

Im Dritten Alter steckt darüber hinaus ein „Ideal der Unabhängigkeit“ (van Dyk, 2020:170), da man sich durch Arbeit an sich selbst vom abhängigen Vierten Alter „fernhalten“ kann. Das Ideal der vermeintlichen Unabhängigkeit und Selbstständigkeit orientiert sich am männlich kodierten, bürgerlichen Erwachsenenleben. Feministische Perspektiven kritisieren diese Idee des autonomen Subjekts, die Abhängigkeit problematisiert, da sie unsichtbar macht, dass letztlich alle Menschen auf andere angewiesen sind (Tronto, 2009). Obgleich es verschiedene Grade der Angewiesenheit gibt, normiert das Ideal der Unabhängigkeit Vorstellungen von „gutem“ und „schlechtem“ Altern und trägt dazu bei, Care-Arbeit zu verschleiern und abzuwerten.

Die negativen Attribute von Hochaltrigkeit sollen von den Technologien mit Aktivierung kompensiert werden. Denn ältere Menschen säßen „stundenlang vor dem Fernsehen. Total passiv und machen nichts“ (Entwickler G, Januar 2023). Dafür werden in digitale Assistenzsysteme Spiele und Übungen eingebaut, die verhindern sollen, dass „man dann nur noch vor dem Fernseher sitzt und konsumiert“ (Entwickler G, Januar 2023). Dahinter steckt die Annahme einer generellen Passivität von Hochaltrigen, die wiederum mit Technik und individuellem „Bemühen“ behoben werden kann. Aktivität soll so altersbedingte Einschränkungen aufheben oder in den Hintergrund rücken. Das Vierte Alter gilt demnach als Zustand, den man durch Arbeit an sich selbst bzw. am eigenen Körper verhindern oder hinauszögern kann. Mit der Aktivierung von Menschen mit Einschränkungen ist das Ziel verbunden, sie vor einem Vierten Alter zu bewahren und in einem Dritten Alter zu halten. Dies verdeutlicht, dass das Dritte und Vierte Alter sich gegenseitig herstellen, wobei die gegenseitige Konstruktion immer mit der Verwerfung des Vierten Alters einhergeht.

5.3 Abjektion: Hochaltrigkeit als das verworfene Andere

Hochaltrigkeit wird gesellschaftlich mit dem Verlust von Unabhängigkeit und Autonomie assoziiert. Sie steht für einen Ausschluss aus sozialer Teilhabe und Handlungsmacht und damit für die größten gesellschaftlichen Ängste. Insbesondere der Verlust von Selbstbestimmung und die Angewiesenheit auf Andere werden auf das Vierte Alter projiziert (Higgs und Gilleard, 2015:17). Im Kontext von Demenz schreibt Silke van Dyk, dass der „soziale Tod“, der mit der Vorstellung von Hochaltrigkeit einhergeht, mehr gefürchtet wird als das eigentliche Lebensende (van Dyk, 2020:164). Somit umfasst das Vierte Alter als soziales Imaginäres alles Negative, was das Dritte Alter nicht sein soll.

In unserem Material haben wir eine Verknüpfung von Hochaltrigkeit und Pflege mit Schmutz und Ekel festgestellt. Bei dem Besuch eines Ausstellungsraums für Pflegetechnologien wurde betont, dass moderne Wohnungen für Ältere weder nach Pflege aussehen oder riechen sollen. Pflegegerüche werden hier mit Körperausscheidungen wie Kot und Urin assoziiert. Unangenehme Gerüche gelten als Anteile von Hochaltrigkeit, die vermieden werden sollen, weshalb Aromaöle zur Dufttherapie eingesetzt werden. Ein Aussteller wies bei der Führung durch einen Showroom auf einen Aromaöl-Duftspender mit dem Hinweis hin, dass die Aromaöle „für die Angehörigen [seien], damit diese noch zu Besuch kommen, denn bei den Pflegekräften ist schon alles in der Nase abgetötet“ (Entwickler A, Feldnotizen, November 2022). Der Besuch einer hochaltrigen Person wird so zu einer Zumutung für Angehörige stilisiert und das Vierte Alter nicht nur für die betroffene Person zu einer Belastung erklärt.

Der Umgang mit Inkontinenz ist ein Anwendungsfall der Technologien, welcher ein negatives Bild von Hochaltrigkeit entwirft. Ein digitales Assistenzsystem erinnert beispielsweise an die Flüssigkeitsaufnahme:

Diese Reaktion des Körpers ist nicht mehr so ausgeprägt und deswegen vergessen die einfach zu trinken. Dazu kommt noch, dass häufig im Alter auch Inkontinenz kommt und dann wollen die aus solchen Gründen auch schon nicht trinken, weil sie dann ja wieder müssen und nicht so kontrollieren können. (Entwickler G, Januar 2023)

Indem die Technologien an das Trinken erinnern, sollen sie Selbstmanagement und Selbstfürsorge ermöglichen und damit ein Drittes Alter aufrechterhalten. Dies verdeutlicht, dass den Menschen, die mit dem Vierten Alter assoziiert werden, die Fähigkeit zur Selbstsorge abgesprochen wird. Ihre letzte Handlungsmöglichkeit und damit die Wahrung von Subjektivität liegen in diesem Fall im Verzicht von Flüssigkeitsaufnahme, um Inkontinenz zu vermeiden. Dies ist wiederum mit Vergesslichkeit verbunden.

Die Technologien verfestigen so den sogenannten Abjektstatus von Hochaltrigkeit. Higgs und Gilleard (2015) beschreiben Abjektion als weiteres Motiv des sozialen Imaginären der Hochaltrigkeit. Sie schließen hierbei an die feministische Psychoanalytikerin Julia Kristeva an. Kristeva zeigt, dass das Abjekt das Verworfene ist, welches „beyond the scope of the possible, the tolerable, the thinkable“ (Kristeva, 1982:1) liegt. Abjektion ist Teil der Subjektkonstitution, indem sich das Subjekt durch einen radikalen Ausschluss von nicht tolerierbaren Anteilen des Selbst – hierzu gehören unkontrollierbare Körperausscheidungen und Verschmutzung – abgrenzt, bzw. diese verwirft (Pfaller und Schetsche, 2021:2). Abjektion bezieht sich auf eine Person und ihren Zustand, als auch auf die Assoziation mit abjekten Dingen, wie Kot und Urin (Higgs und Gilleard, 2015:80). Über den Ekel vor abjekten Dingen hinaus umfasst Abjektion das Urteil, dass die Personen sich nicht mehr sauber halten und sich nicht mehr um sich selbst kümmern können. Ihnen wird ihre Handlungsfähigkeit und die Fähigkeit zur Selbstsorge abgesprochen. Indem Hochaltrigkeit mit Inkontinenz verknüpft wird, werden als hochaltrig markierte Menschen zu Abjekten. Das „Scheitern des Managens der Körpergrenzen“ (Pfaller, 2021:307) ist dabei mit Angst und Scham verbunden. Ältere Menschen sollen sich daher permanent vom Vierten Alter abgrenzen, um ihren Subjektstatus aufrecht zu erhalten, sie müssen die Grenze zu dem ziehen, was sie nicht sind – bzw. nicht sein dürfen.

Anhand von Gebrechlichkeit und Abjektion wird sichtbar, wie das Dritte und Vierte Alter in die Technologien eingeschrieben sind und wie die Technologien Vorstellungen von „gutem“ und „schlechtem“ Altern (re)produzieren. Hochaltrigkeit ist untrennbar mit dem Dritten Alter verknüpft, da sich das Dritte Alter über seine Abgrenzung zum Vierten Alter als abweichendes, negatives Gegenbild immer wieder neu herstellt (van Dyk, 2020:163).

Smart-Home-Technologien für das Alter (re)produzieren Ideale des Dritten Alters und die Verwerfung von Hochaltrigkeit durch ihre Anwendungsfälle, die programmierten Inhalte und die mit ihnen verbundenen Versprechen. Smart-Home-Technologien konstruieren Hochaltrigkeit, indem sie Gebrechlichkeit zuschreiben, eine „Aktivierung“ des Dritten Alter(n)s fördern und negative Attribute von Alter verwerfen. Dabei wird deutlich, dass sich die Vorstellungen des Dritten und Vierten Alters gegenseitig aufrechterhalten. Im Folgenden machen wir sichtbar, dass in den Alternsbildern jeweils spezifische Raumkonstruktionen enthalten sind und arbeiten heraus, wie die Raumkonstruktionen dazu beitragen, die Grenze zwischen dem Dritten und Vierten Alter und damit das soziale Imaginäre der Hochaltrigkeit zu festigen.

6 Raumkonstruktionen in den Alternsbildern

Die durch Smart-Home-Technologien produzierten Alternsbilder sind räumliche Konstruktionen, die das Zuhause als Ort des Dritten Alters und das Pflegeheims als Ort des Vierten Alters festschreiben. In diesem Kapitel zeigen wir, wie die Idealisierung des Dritten Alters und die Abwertung des Vierten Alters ihre räumliche Entsprechung finden und so das soziale Imaginär der Hochaltrigkeit räumlich manifestieren.

Das wohl vehementeste Versprechen der Technologien für häusliche Pflege ist das der Ermöglichung eines Ageing in Place, also der Verbleib in der gewohnten Wohnumgebung in Verbindung mit einem selbstbestimmten, aktiven Alter. Häufig ist damit der Wohnort gemeint, an dem die Person die meiste Zeit ihres Lebens gewohnt hat. Dort soll das Dritte Alter so lange wie möglich erhalten bleiben und das Zuhause ist damit wie kein anderer Ort mit dem Dritten Alter assoziiert. Dabei soll gleichzeitig das Pflegeheim als Verräumlichung des Vierten Alters vermieden oder ein Umzug dorthin so lange wie möglich hinausgezögert werden. In den Technikversprechen werden also spezifische Räume des Alterns konstruiert: Zum einen das Zuhause als Ort des selbstbestimmten Dritten Alters und zum anderen das Pflegeheim als Ort des abhängigen Vierten Alters.

Ein Interviewpartner ist der Gründer eines Startups, das einen Raumsensor entwickelt hat, der mit einer Vielzahl an Funktionen ausgestattet ist, z.B. Rauchmelder, Messung von Luftqualität und Lärm, Sturzmelder, Kamera und viele weitere. Die Sensortechnologie soll es Menschen ermöglichen, so lange wie möglich im eigenen Zuhause wohnen zu bleiben. Mit dem Versprechen, das Leben zuhause zu verlängern, geht immer die Zusicherung einher, ein Leben in abhängiger Hochaltrigkeit hinauszuzögern, da dieses jederzeit „vor der Tür“ stehen kann:

Das ist glaube ich für mich etwas, wenn wir da irgendwie einen Beitrag leisten können mit so einem Gerät. Dass ich erstmal sagen kann, ok ich muss nicht ins Pflegeheim, weil meine Angehörigen sich Sorgen machen, dass ich zuhause nicht mehr selbst leben kann, nur weil ich mal gestürzt bin, aber ich bin ja eigentlich fit. Dann ist das für mich erstmal ein guter Beitrag, den wir zum würdevollen Altern leisten können. (Entwickler H, Februar 2023)

Das Ziel, so lange wie möglich im eigenen Zuhause zu bleiben, wird – so das Versprechen – mithilfe der Technologien erreicht und hierdurch ein „würdevolles Altern“ ermöglicht. Dahinter steht die negative Projektion des Pflegeheims wie ein Bedrohungsszenario, das einen Ort des unwürdigen, verworfenen, abhängigen Alterns repräsentiert. Solange jemand noch zuhause oder in einem dem Zuhause ähnlichen Setting verbleibt, ist das abhängige Vierte Alter noch nicht ganz erreicht und verbleibt am „dunklen Horizont“ dieses verworfenen Alters (Higgs und Gilleard, 2015). Der Schatten des Vierten Alters materialisiert sich somit im stationären Pflegeheim4. Das Pflegeheim ist ein Ort, an den niemand will, da man dort „richtig“ alt und angewiesen ist. Es gilt als letzter Ort vor dem Tod, als place of no return, an dem ein würdevolles Altern nicht mehr möglich ist.

In den durch die Technologien vermittelten gesellschaftlichen Vorstellungen der Räume des Dritten und Vierten Alters tritt das Zuhause als bester Ort des Alter(n)s hervor. Hinter dem Versprechen des Ageing in Place steht ein normativ idealisiertes Zuhause, in dem die Personen schon lange leben, dort Besuch von Angehörigen bekommen und darüber hinaus ins Quartier vernetzt sind. Ein Mitarbeiter aus einem Informationszentrum für häusliche Pflege beschreibt das Zuhause so:

Ich sehe es jetzt aus meiner Sicht einfach nur, wenn ich in meinem gewohnten Umfeld, mit meinem geliebten Menschen meinetwegen, auch noch so lange wie möglich zusammen sein kann. Was gibt es denn Schöneres? Also mal umgedreht, das hat jetzt nichts mit Pflegeheimen zu tun oder so. Darum geht es ja nicht. Die Frage ist ja nur: was gibt es Schöneres in seinen eigenen vier Wänden, mit seinen liebsten Menschen zusammen Zeit zu verbringen? (Aussteller A, November 2022)

Die Technologien werden für ein idealisiertes Zuhause entwickelt, die „eigenen vier Wände“, in denen die „liebsten Menschen“ ein- und ausgehen. Sie versprechen mit Überwachungssensorik und automatisierten Meldungs- und Kontrollsystemen die häusliche Pflege für Angehörige leichter zu machen und ein selbstbestimmtes und sicheres Umfeld für Ältere zu schaffen. Somit verschwimmt oftmals, inwiefern ein Gerät eigentlich für eine ältere Person oder für ihre vermeintlich vorhandenen Angehörigen ausgelegt ist. Die Entwickler:innen der Smart-Home-Technologien gehen davon aus, dass eine angehörige Person die Technologien einrichten kann und sich um ihre Anwendung kümmert. Obwohl Smart-Home-Technologien Pflege aus der Distanz versprechen, fixieren sie Pflege somit im Zuhause und familiären Umfeld.

Teil des Versprechens von Ageing in Place ist mitunter das Versprechen von mehr Teilhabe durch Technologien für häusliche Pflege. Dies wurde in den Interviews der vermeintlichen Einsamkeit des Vierten Alters im Pflegeheim gegenübergestellt. Es wurde deutlich, dass der Einzug ins Pflegeheim gleichzeitig mit einem Verlust an Teilhabe in der Gesellschaft verknüpft wird, da die Bewohner:innen im Pflegeheim „allein rumsitzen und nicht mehr kommunizieren“ (Entwickler G, Januar 2023) würden. Dieser Horrorvorstellung kann in den Augen des Entwicklers eines digitalen Assistenzsystems nur durch den möglichst langen Aufenthalt im eigenen Zuhause entgangen werden. Er verspricht, dass mit seinem Produkt ältere Menschen mit Teilhabe zuhause altern können und somit nicht – oder erst später – drohen, in die Räumlichkeit des Vierten Alters und damit einer Passivierung und Entmenschlichung, „abgeschoben“ zu werden.

Die Bewohner:innen eines Pflegeheims gelten gegenüber den aktiven Alten in ihrem Zuhause als vergessen: „Die haben ihr ganzes Leben gearbeitet und dann werden sie plötzlich hinten rum vergessen“ (Entwickler H, Februar 2023). Im Pflegeheim sei man kein:e Bürger:in mehr mit eigenen Rechten, sondern im institutionellen Sumpf gefangen, segregiert von der Welt „da draußen“. In der Gegenüberstellung „leben und nicht alt werden mithilfe von Technik“ und „überleben im Pflegeheim“ wird in zwei Interviews mit Entwicklern von Smart-Home-Technologien deutlich, wie vorherrschend die Angst vor dem sozialen Tod (van Dyk, 2020) ist, welche im Imaginären der Hochaltrigkeit steckt und im stationären Pflegeheim seine räumliche Entsprechung findet. Auf die Frage hin, wie sie selbst gerne altern würden, antwortete einer:

Ansonsten ja, wie gesagt, lange hoffentlich gesund, selbstverantwortet. Und dann aber in einem Umfeld, was es mir ermöglicht, auch tatsächlich dann selbstbestimmt dort leben bleiben zu können. Das wäre einfach der Wunsch. Und nicht, ich sag mal, die letzte Zeit geparkt in irgendeinem Setting, was eigentlich weniger mit Leben zu tun hat. Sondern eigentlich nur noch damit zu tun hat, dass man notwendigerweise vielleicht gepflegt und betreut wird. Aber eigentlich das nichts mehr mit Leben zu tun hat. (Entwickler B, November 2022)

Das Ideal des selbstbestimmten Alters im eigenen Zuhause, das mit den Smart-Home-Technologien umgesetzt werden soll, braucht, wie im Zitat von Entwickler B deutlich wird, die gesellschaftliche Vorstellung des abhängigen Alters im Pflegeheim und andersherum.

Laut Entwickler B (November 2022) sind Bewohner:innen im Pflegeheim nur noch „geparkt“ und passiv. Diese Annahme macht unsichtbar, dass die eigene Wohnumgebung ebenso ein schwieriges Setting für ein Leben mit Einschränkungen sein kann, zum Beispiel wenn Wohnungen ungeeignet oder nicht barrierefrei sind, es aber aufgrund des angespannten Wohnungsmarkts keine Anreize oder fehlende Möglichkeiten für Umzüge gibt, oder Personen in ihrem Zuhause einsam und isoliert sind. Die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt wird sich aufgrund des demographischen Wandels und einem angenommen zusätzlichem Bedarf von 2,9 Millionen weitestgehend barrierearmen Wohnungen bis 2030 weiter zuspitzen (BBSR, 2016:5). Dass ältere Menschen aufgrund eines fehlenden Fahrstuhls teilweise nicht mehr in der Lage sind, ihre Wohnung zu verlassen, wird bei der politischen Verhandlung von Ageing in Place nicht beachtet und zeigt, dass das soziale Imaginäre des Vierten Alters mit dem Pflegeheim als seiner räumlichen Entsprechung vor allem auf gewachsene gesellschaftliche Ängste zurückgreift und nicht an eine materielle Infrastruktur gebunden ist.

Das Pflegeheim ist immer das verworfene Andere, über das sich das Ideal des Ageing in Place mit Hilfe von Smart-Home-Technologien aufrechterhält. Damit ist das soziale Imaginäre der Hochaltrigkeit auch als technisch produziertes, sozialräumliches Imaginäres zu verstehen.

7 Fazit

Die Entwicklung und Ausstellung von Smart-Home-Technologien für das Alter(n) sind als Schauplätze zu verstehen, an welchen die gesellschaftliche Trennung zwischen einem aktiven Dritten, und einem abhängigen Vierten Alter vollzogen und aufrechterhalten wird. Smart-Home-Technologien konstruieren Hochaltrigkeit, indem sie Gebrechlichkeit zuschreiben, eine „Aktivierung“ des Dritten Alter(n)s fördern und negative Attribute von Alter verwerfen. In der Ko-Konstruktion von Technik und Alter wird Hochaltrigkeit somit stets als Negativbild verworfen. Die technisch vermittelten Alternsbilder sind überdies räumliche Konstruktionen. Darin wird einerseits das Zuhause als Ort des Dritten Alters idealisiert und andererseits das Pflegeheim als Ort des Vierten Alters abgewertet. Wir konnten zeigen, dass sich Hochaltrigkeit räumlich über das Pflegeheim konstituiert, denn die Vermeidung des Vierten Alters geht mit der Vermeidung des Pflegeheims Hand in Hand. Die Aufrechterhaltung des Dritten Alters ist dementsprechend mit dem Verbleib im damit assoziierten Zuhause verbunden, dessen idealisierte Vorstellung als Ort des „besseren“, unabhängigen Alter(n)s manifestiert wird.

In den Alternsbildern der Smart-Home-Technologien zeigt sich letztlich ein spatial fix im metaphorischen Sinne David Harveys als kurzfristige Reparatur kapitalistischer Krisen durch Raumproduktionen (Harvey, 2001:24; Belina, 2011:243). Die Technologien sollen eine Lösung für die Pflegekrise sein – indem ältere Menschen zuhause meist unbezahlt von ihren Angehörigen mithilfe der Technologien gepflegt werden –, sind aber nur temporäre und idealisierte räumliche fixes der Pflege im Zuhause. Die Ursachen der Pflegekrise werden nicht tangiert und Orte institutioneller Altenpflege bleiben trotz erheblichem Personalmangel weiterhin von hoher Bedeutung. Indem sie die Entlastung von Pflegepersonal und eine Lösung der Pflegekrise in Aussicht stellen, reagieren Smart-Home-Technologien zwar auf tatsächliche Missstände in Pflegeheimen, festigen aber auch Dichotomien von gutem und schlechtem Altern sowie Abhängigkeit und Unabhängigkeit. Die Gegenüberstellung von Zuhause versus Pflegeheim verschleiert darüber hinaus, dass es eine diversifizierte Pflegelandschaft gibt, bestehend u.a. aus Demenz-WGs, Pflegewohngruppen, oder ganzen Wohnquartieren mit Betreuung. Mit der Förderung von Ageing in Place durch Smart-Home-Technologien soll für die risikobehafteten Älteren ein Ort des aktiven Dritten Alters ermöglicht werden, der die Verantwortung für die eigene Gesundheit hochhält. Smart-Home-Technologien produzieren so einen idealisierten Raum des unabhängigen Alter(n)s mit normierten Ansprüchen an „erfolgreiches“ Altern und unbezahlter Pflegearbeit durch Angehörige.

Indem wir technisch vermittelte Alternsbilder als räumliche Konstruktionen entlarven, konnten wir zeigen, wie wirkmächtig Alternsbilder und die mit ihnen verwobenen Raumkonstruktionen sind. Durch die Untersuchung in den Showrooms und in der Entwicklung wird darüber hinaus deutlich, wie die Versprechen von Smart-Home-Technologien über ihre konkreten Anwendungsfälle hinaus wirksam sind. Ein sozialtheoretisch informierter Blick auf die Ko-Konstruktion von Alternsbildern und Räumen durch Smart-Home-Technologien zeigt letztlich, dass diese soziale Ungleichheiten reproduzieren. Sie stützen die Responsibilisierung alternder Personen, sich um ein aktives Alter zu kümmern und Hochaltrigkeit zu vermeiden. Gesellschaftliche Ungleichheiten, wie Klassen- und Eigentumsverhältnisse werden in der Verhandlung von Alternsbildern und daran geknüpften Raumkonstruktionen selten thematisiert, obwohl diese maßgeblich mit beeinflussen, wie „erfolgreich“ eine Person altern kann, sprich wie lange eine Person „autonom“ zuhause leben kann. So wird die Care-Krise durch das von Smart-Home-Technologien geförderte Narrativ von Ageing in Place individualisiert und räumlich im Zuhause fixiert. In der Analyse der soziotechnischen Hervorbringung von Raum und Alter(n) zeigt sich letztlich, wie Smart-Home-Technologien als Lösungen für soziale Fragen mobilisiert werden.

Datenverfügbarkeit

Aufgrund der Anonymitätsvereinbarungen mit den befragten und beteiligten Personen sind die qualitativen Daten dieser Studie nicht öffentlich zugänglich.

Autor:innenmitwirkung

MH entwickelte die wichtigsten konzeptionellen und inhaltlichen Ideen des Artikels. LP war an der inhaltlichen Entwicklung beteiligt. Beide Autorinnen trugen zur Entwicklung der Methodik, zur Erhebung und Analyse der empirischen Daten und zur Erstellung des ursprünglichen Entwurfs bei.

Interessenkonflikt

Die Autor:innen erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Haftungsausschluss

Anmerkung des Verlags: Copernicus Publications bleibt in Bezug auf gerichtliche Ansprüche in veröffentlichten Karten, institutionellen Zugehörigkeiten oder anderen geographischen Begrifflichkeiten neutral. Obwohl Copernicus Publications alle Anstrengungen unternimmt, geeignete Ortsnamen zu finden und im Manuskript anzupassen, liegt die letztendliche Verantwortung bei den Autor:innen.

Danksagung

Wir danken den Interviewpartner:innen für die intensiven Einblicke, die sie uns ermöglicht haben. Wir danken Nadine Marquardt für die wertvollen und konstruktiven Kommentare zu den verschiedenen Versionen des Textes und Antonia Burgold sowie Leonore Okruch für die unverzichtbare Unterstützung bei der Datenauswertung und ihre Anmerkungen zum Text. Wir danken der Herausgeberin Hanna Hilbrandt für die hilfreiche und wertschätzende Begleitung. Außerdem danken wir den beiden anonymen Gutachter:innen für ihr hilfreiches Feedback.

Finanzierung

This research has been supported by the Deutsche Forschungsgemeinschaft (grant no. 471892882).

Begutachtung

This paper was edited by Hanna Hilbrandt and reviewed by two anonymous referees.

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1

Als Entwickler:innen bezeichnen wir Personen, die am Entwicklungsprozess der Technologien im weiteren Sinne beteiligt sind, zum Beispiel als Ingenieur:in oder Expert:in aus dem AAL-Bereich. Aussteller:innen sind die Personen, die in den Showrooms arbeiten und die Technologien für die Ausstellungsräume auswählen, dort vorführen und/oder für Vermarktung und Verkauf zuständig sind. Die Hintergründe der Personen reichen von Pflege und Gerontologie bis zu Informatik und Wirtschaftsingenieurwesen.

2

Das Dankbarkeitstagebuch ist als Abendroutine im Assistenzsystem programmiert. Die Kommunikation mit dem Assistenzsystem verläuft über ein sprechendes Tablet. Das Tablet lag während des Interviews auf dem Tisch und hat am Gespräch teilgenommen, wenn es aktiviert wurde. Die Aktivierung erfolgt über den Satz: „Okay, [Name des digitalen Assistenzsystems]!“ Sobald man dem Assistenzsystem „Gute Nacht“ sagt, wird die Abendroutine aktiviert.

3

Mit der Responsibilisierung Älterer für ein „gesundes“ und „aktives“ Leben ist ein Klassencharakter verbunden (van Dyk, 2020:29). Die Umsetzung der Anforderungen an das Dritte Alter bleibt denen vorbehalten, die sich den Lebensstil und die dazugehörigen Produkte leisten können. Mit Altern ist also ein enormer gesellschaftlicher Druck verbunden, der Hochaltrigkeit am Horizont noch bedrohlicher wirken lässt. Für eine vertiefende Betrachtung der Frage sozioökonomischer Ungleichheit fehlt in dieser Publikation der Platz.

4

Das stationäre Pflegeheim ist kein neues Schreckensbild, sondern hat als solches eine lange Vorgeschichte. Dies ist unter anderem auf seine Wurzeln in Armen- und Arbeitshäusern zurückzuführen, in welchen im Zuge der Industrialisierung vor allem ältere Menschen leben und arbeiten mussten (vgl. Higgs und Gilleard, 2015; Hillebrecht, 2020; Laws 1993).

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Short summary
Smart home technologies promote ageing in place as solution for the care crisis in ageing societies. Based on an ethnographic investigation in technology showrooms and interviews with developers, we show how smart home technologies construct images of active age on the one hand, and dependent old age on the other. We show that images of ageing are also spatial constructions that idealize the home as a place of active age and devalue the nursing home as a place of old age.