Articles | Volume 75, issue 4
https://doi.org/10.5194/gh-75-349-2020
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23 Oct 2020
Standard article |  | 23 Oct 2020

Geographizität des Rechts – ein missing link in der geographischen Theoriebildung?

Mathis Stock
Kurzfassung

Law is on the one hand indispensable for the constitution of space, and, on the other, legal orders emerge or develop in specific local situations. Does the question of the law exist in geographical theories and how has it been received? The article raises the issue of a missing link in geographical theorisation: Are the legal dimensions of social spatialities sufficiently considered? This text aims at enriching geographical theory formation through legal dimensions, especially by translating legal studies’ contributions into geographical questions who experience a specific spatial turn. On the one hand, the concept “geographicity of Law” is being developed for this purpose. On the other hand, two examples will be used to illustrate how geographical theory can benefit from legal dimensions: the right to public space and the issue of urbanness.

Dates
1 Einleitung

Die Geographie stellt sich als forschungsleitende Perspektive die Aufgabe, den Prozess der intendierten und nichtintendierten Konstitution von Raum vieler verschiedener Akteure und konfligierender Handlungen in asymmetrischen Machtbeziehungen zu untersuchen. Handlungs-, Praxis-, Diskurs-, Strukturations-, Systemtheorien etc. haben in die Geographie Eingang gefunden, und die Frage der Arten und Weisen, in denen „Raum“ durch Handlungen, Imaginäres, Repräsentationen und Diskurse konstituiert wird, kann als nunmehr klassische Frage der Geographie angesehen werden1. Darüber hinaus geht es auch um die Frage der Räumlichkeit von Gesellschaften, d. h. die Arten und Weisen, wie Gesellschaft in ihren politischen, wirtschaftlichen oder kulturellen Eigenschaften durch räumliche Dimensionen konstituiert wird. Diese doppelte Verweisung von Raum und Gesellschaft kann im Begriff „Geographizität“ aufgehoben werden. In diese Herstellungsprozesse werden sowohl Rechtsnormen mit eingewoben als auch permanent räumliche Elemente diskursiv aufgearbeitet, verarbeitet, „übersetzt“, welche sich dann in Rechtsnormen oder -akten wiederfinden, und somit selbstverstärkende Effekte bekommen. Dabei werden Vorstellungen von räumlichen Tatsachen in Gesetzestexte eingeschrieben, die dann wiederum Handlungsfolgen auslösen, welche sich auf die Rechtsordnung beziehen.

Damit ist das „alltägliche Geographie-Machen“ oder die „Praxis der Weltbindung“ (Werlen, 1996) auch rechtlich reguliert, z. B. durch Raumkonzepte wie das Territorium. Dabei ist die Frage der Macht zentral, sowohl als Deutungshoheit oder hegemonialer Imaginationen der Symbolik von Orten als auch als Balance zwischen Fremdzwang und individueller Handlungsfreiheit (Elias, 1987). Die Beziehung zwischen Recht und Macht ist jedoch alles andere als trivial, da einerseits Macht auf Rechtsordnungen beruht, andererseits sich aber auch Handlungen über geltendes Recht hinwegsetzen. Es gibt seit den 1980er Jahren eine legal geography, welche sich spezifisch dem Problemkomplex Raum-Macht-Politik angenommen hat2. Es stellt sich jedoch die Frage, ob und inwiefern die in der Geographie entstandenen Grundbegriffe und die Theoretisierung der Räumlichkeit von Menschengesellschaften die rechtliche Komponente aufgreifen. Könnten die rechtlichen Dimensionen ein missing link der geographischen Theoriebildung darstellen? Könnten geographische Modelle und Grundbegriffe auch rechtlich fundiert werden? Könnten diese Dimensionen menschlichen Handelns und Interpretierens in die vorhandenen Theorieangebote eingearbeitet werden? Diese Fragen sollen hier behandelt werden; sie betreffen spezifisch eine „theoretische Geographie“ und nicht allgemein theoretisch fundierte empirische Studien. In diesem Sinne soll „Theoretische Geographie“ hier nicht weit gefasst werden als „theory-laden observation“ (Hanson, 1958) jeglicher empirischer Phänomene, sondern stricto sensu als Produktion von Theorien, Konzepten, Modellen.

Insbesondere soll es darum gehen, drei Elemente einer theoretischen Geographie auszuloten. Erstens stellt sich die Frage, geographische Grundbegriffe als auch rechtlich fundiert zu konstruieren. Standortprobleme, Grenzziehungen und Regionalisierungen, Erreichbarkeit, sprachliche Verweisungen auf die biophysische Welt und auf Ortstypen und -qualitäten sowie räumliche Differenzierungen und Maßstabsebenen werden in Form von Rechtsnormen gerahmt. Letztere stellen damit einen spezifischen Typus von Raumkategorien und -konzepten dar. In der Tat sind Orte, räumliche Anordnungen und Dispositive, die aus der wissenschaftlichen Perspektive beobachtet werden, (auch) rechtlich definiert. Damit sind die Standardfragen der Geographie auch der rechtlichen Dimension zugänglich. Zweitens sollen die vielfältigen geographischen Theorieansätze durch die rechtlichen Dimensionen erweitert werden. Vor allem in Handlungs- oder Praxistheorien ist Recht eine spezifische Form von Norm: Recht als formalisierte Sozialnorm (Bourdieu, 1990). Damit könnte auch Anschluss zur Rechtssoziologie gefunden werden: Bourdieu (1990) spricht in diesem Zusammenhang vom Spiel mit der Norm, nicht nur blindem Befolgen der Norm: „Même au sein de l'univers par excellence de la règle et du règlement, le jeu avec la règle fait partie de la règle du jeu“ (Bourdieu, 1990:89). Es finden sich in dem breit gestreuten Feld rechtlicher Normierungen – Recht, Gesetz, Rechtsprechung, Verwaltungsbestimmungen etc. – sowie in den verschiedensten Rechtsgebieten Aussagen, welche als rechtliche Regeln menschliches Handeln in räumlicher Hinsicht einrahmen, begleiten, sichern. Es könnte für die theoretische Geographie fruchtbar sein, Menschen als Rechtssubjekte, die von je unterschiedlichen Rechtsnormen gestaltete Orte bewohnen und sich damit von einem (auch) rechtlich definierten Ort an den anderen bewegen und in ihrer Praxis der Weltbindung rechtlich eingeordnet werden, zu konzeptualisieren. Drittens soll Geographie als wissenschaftliche Untersuchung der gesellschaftlichen Räumlichkeit einen Beitrag zu Gesellschaftstheorie leisten können. Dazu werden einerseits rechtswissenschaftliche Beiträge rezipiert und in geographische Fragestellungen übersetzt. Andererseits soll das Konzept der „Geographizität des Rechts“ ausgelotet werden. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass in der Rechtswissenschaft ein spatial turn rezipiert und die räumlichen Dimensionen als unabdingbar für Rechtsprechung und Rechtsinterpretation angenommen werden3.

Der Text ist in sechs Teile strukturiert: Erstens wird die legal geography rekonstruiert und in Diskussion mit der theoretischen Geographie gebracht. Zweitens stelle ich kurz Aspekte des spatial turn in den legal studies dar. Drittens soll ausgelotet werden, inwiefern die Begriffskonstruktion „Geographizität des Rechts“ innerhalb einer theoretischen Geographie belastbar ist. Es werden sodann zwei Beispiele, in denen rechtswissenschaftliche Elemente in geographische Fragestellungen übersetzt werden, entwickelt: das Problem des öffentlichen Raums als Raum der Freiheit und der Zumutung und die rechtliche Komponente in Theorien des Städtischen. Das Fazit geht schließlich thesenhaft auf eine rechtstheoretisch fundierte geographische Theoriebildung ein.

2 Das Projekt der legal geography im Lichte der theoretischen Geographie

Die legal geography entwickelt sich in den 1980er Jahren in der US-amerikanischen und britischen Geographie und reiht sich so in die seit 40 Jahren herrschende geographische Forschungsausrichtung einer räumlichen Ordnung von Gesellschaft ein. Sie wird dabei als Kritische Geographie mit drei Aufgaben verstanden: (1) „identification of the frozen politics of legal and spatial representations and an exploration of its implications“; (2) „demonstration of the social construction (…) of these representations“; (3) „a tactical analysis of the material conditions under which challenging such dominant representations can be part of a wider struggle for progressive social change“ (Blomley und Bakan, 1992:690). Die Ausgangsüberlegung lautet: Raum wird von gesellschaftlichen Prozessen organisiert, also auch vom Recht. Blomley (1994:51) drückt dies folgendermaßen aus: „They seek to reconstruct the law-space nexus so as to accord proper recognition to both and to affirm the complex interplay of the two, evaluating the manner in which legal practice serves to produce space yet, in turn, is shaped by a sociospatial context“ (Blomley, 1994:51, Hervorhebung von mir). Deshalb ist einerseits Recht bei der Konstitution von Raum unabdingbar, andererseits werden bestimmte Rechtsnormen in ortsabhängigen spezifischen Situationen neu generiert oder fortentwickelt. Z. B. wird Recht und Raum durch räumliche Repräsentationen – als Wohnung, Straße, öffentlicher Raum codiert – verflochten (Blomley, 1994:53). In der weiteren Entwicklung der legal geography werden drei Fragestellungen nach Blomley et al. (2001) zentral: (1) Räumliche Vorstellungen in Rechtsordnungen, deren Analyse auch Rechtstheorie erneuern könnte; (2) Herstellung von sozialem Raum durch Recht, z. B. als Macht oder Diskurs; (3) Analyse vom Aufbau der sozialen Welt durch räumlich-rechtliche Perspektiven. Mit dem Insistieren auf Repräsentationen und Diskurs begleitet die legal geography die Entwicklung einer new cultural geography; mit der rechtlichen Fundierung von Macht trägt sie zur Erneuerung der politischen Geographie bei.

Das Verhältnis von Recht und Raum wird dabei als dialektisch oder dialogisch gesehen; einerseits sind räumliche Anordnungen auch rechtlich definiert, andererseits ist die rechtliche Ordnung auch räumlich konstituiert: „Spatial orderings are simoulteanously legal orderings, and vice versa (…). Both spatial and legal categories are mutually dependent“ (Blomley, 2003:29). Vor allem die Analyse der räumlichen Kategorien als auch rechtlich definiert ist dabei wichtig. Diese Dialektik wird von Delaney (2003) prägnant in zwei Analysemöglichkeiten synthetisiert: Produktion des Raums durch Recht (Law-in-Space) und die räumlichen Kategorien des Rechts (Space-in-Law). Die legal geography hat mit der Entwicklung der theoretischen Geographie insofern Schritt gehalten, als die ersten Formulierungen von z. B. „Raum und Recht“, „Recht im Raum“ oder „Recht und sozialer Raum“ – die man als problematische Gegenüberstellung zweier Blöcke kritisieren kann – Formulierungen von „Räumlichkeit“ gewichen sind. In der Tat ist Recht nicht in Räumen enthalten, sondern ist konstitutiv für gesellschaftliche Räumlichkeiten: „The ‚legal‘ is not simply poured into preexisting ‚spaces‘ but, rather, is constitutive of spatialities, spatial relationships, spatial performances, and experiences, as these, in turn, condition the lived character of the legal“ (Delaney, 2014:239–240). D. h. Raum ist kein Container, in den man Recht hineinfüllen könnte, sondern Rechtsordnungen sind eingewoben in räumliche Bezüge, welche Individuen, Kollektive, Organisationen etc. herstellen. Delaney (2003) z. B. definiert als Herzstück der legal geography „the way in which situated legal practices (…) contribute to the spatialities of social life“ (Delaney, 2003:68). Dies bedeutet, dass Rechtsordnungen als soziale Praxis verstanden werden können, welche ortsabhängig fortentwickelt wird und gesellschaftliche Räumlichkeiten rahmt. Damit gilt es, die Räumlichkeit des sozialen Lebens, aber auch räumliche Metaphern im rechtlichen Diskurs aufzudecken (Delaney, 2003). Dies führt dazu, auch die symbolischen und diskursiven Dimensionen des Rechts mitzudenken und nicht nur den (positivistischen) Normgedanken aufzunehmen (Mélé, 2009). Im Prozess der Symmetrisierung von Akteuren, die geographisches Wissen im Alltag produzieren, eröffnet dies auch inter- und transdisziplinäre Perspektiven zur Frage der rechtlichen und räumlichen Kategorien, z. B. „How do lawyers and geographers engage with notions of jurisdiction and scale?“ (Bennett and Layard, 2015:410). Ebenfalls werden auf der Ebene der Methodologie neue Wege beschritten: Einerseits stellt sich die Frage der Methode einer geographischen Auslegung von diversen Rechtsquellen, z. B. von Garcier (2014) für die Frage des Atommülls reflektiert. Andererseits werden neue Orte der geographischen Feldarbeit und der Dokumentation erschlossen: Bennett and Layard (2015) sowie Klosterkamp und Reuber (2017) arbeiten mit dem Gerichtssaal als Ort der Datengewinnung.

Damit haben die Arbeiten der legal geography durchaus das Potential, in geographische Theorien eingebunden zu werden. Jedoch ist dieses Potential m. E. für eine theoretische Geographie zu wenig ausgeschöpft. Diese Einschätzung ist nur dann belastbar, wenn „theoretische Geographie“ präzisiert wird und nicht als „allgemeine Geographie“, „theory-laden observation“ (Hanson, 1958) oder Import von Theorien in die Geographie missverstanden wird. Dabei gehe ich von einem Begriff der theoretischen Geographie aus, der verschiedene Modellierungs-, Konzeptualisierungs- und Theorieansätze in allen Bereichen der sozialwissenschaftlichen Geographie umfasst – und zwar in ihren vier Hauptbereichen Kultur-, Sozial-, Wirtschafts- und Politischer Geographie4. Es soll sich dezidiert nicht nur um Import von Sozialtheorien in die Geographie, die dann für die Analyse von „Raum“ benutzt werden, sondern mithin um einen geographischen Beitrag zu Gesellschaftstheorien und sozialwissenschaftlichen Grundbegriffen handeln. Auf die Frage des Rechts gewendet, bedeutet dies z. B. die Theoretisierung der Räumlichkeit von Staatsmacht, z. B. als „spaces of benevolent abandonment“ (Hannah, 2014:791) durch verfassungsrechtliche Setzungen, als „Ausnahmezustand“ (Korf, 2009) oder als Macht des Illegalen (Maccaglia, 2009), über die klassische Frage der Territorialität hinaus. Das Problem der spatial justice könnte dann nicht nur als ethisches, sondern auch als rechtliches Problem angegangen werden, das in eine Theorie der Gerechtigkeit eingearbeitet wird: „One possible way to square such conflicts is to integrate the right to the city into a general theory of social justice or substantive democracy“ (Attoh, 2011:678). Individuelle Mobilität ist ebenfalls aus der Sicht des Rechts eine rechtlich fundierte Aktivität: Cresswells (2006:735) Frage, „how particular modes of mobility are enabled, given licence, encouraged and facilitated while others are, conversely, forbidden, regulated, policed and prevented“, ruft geradezu nach der Analyse von rechtlich differenzierten Mobilitäten und einer Theorie von Mobilität, in der die rechtlichen Dimensionen vorkommen. Einerseits z. B. als hoch differenziertes „globales Mobilitätsregime“ (Shamir, 2005), das z. B. zwischen Migration und Tourismus unterscheidet, andererseits von Mobilität als „rights-based activity“ (Prytherch, 2012:301).

Wenn man einerseits die Konsequenzen aus den Impulsen des spatial turn (Soja, 1989; Lévy, 1999) – und der Kritik des „spatial trap“ und der Reifizierung (Smith und Katz, 1993; Lossau und Lippuner, 2004) – im Sinne einer Integration von räumlichen Dimensionen in Gesellschaftstheorie zieht und anderseits einen Theoriebegriff verwendet, der nicht nur auf das Handhaben schon vorhandener, sondern auch auf die Generierung von spezifischen Konzepten und Konzeptarrangements für Gesellschaftstheorien abstellt, wird die Positionierung einer theoretischen Geographie verständlich. Und zwar ganz im Sinne Masseys (1999:7): „Our argument is that working these theories in an explicitly geographical fashion may radically reconfigure fields which previously had been thought without that dimension“. Ziel einer theoretischen Geographie wäre es demnach, räumliche Konzepte in Gesellschaftstheorien einzuarbeiten. Damit würde sie sich in einen Dialog mit den anderen Disziplinen der Sozialwissenschaften begeben, in dem sich die Geographie nicht mehr nur in der Nehmerposition befindet. Theoretische Geographie als Element von Gesellschaftstheorie kann dann nicht mehr nur Import einer weiteren theoretischen Ressource in die allgemeine Geographie bedeuten, der die letzten 40 Jahre der sozialwissenschaftlichen Geographie bestimmt hat. Sondern sie könnte als spezifischen Beitrag der räumlichen Dimensionen zu Gesellschaftstheorien positioniert werden. Dieser Text wird von der Idee einer theoretischen Geographie, die räumliche Dimensionen in Gesellschaftstheorien fruchtbar macht, geleitet. Dies erscheint vor dem Hintergrund eines spatial turn der Sozial- und Geisteswissenschaften, und neuerdings auch in der Rechtstheorie, plausibel.

3 Ein spatial turn der Rechtswissenschaften

Interessanterweise kann ein solcher spatial turn in der Rechtswissenschaft beobachtet werden, der in der theoretischen Geographie fruchtbar gemacht werden könnte, aber auch in einen Dialog mit den interdisziplinären sozialwissenschaftlich orientierten legal studies münden könnte (cf. Braverman et al., 2014)5. Eine gewisse Anzahl von Rechtswissenschaftlern entdeckt die unabdingbare räumliche Dimension vor allem im öffentlichen Recht (Verwaltungsrecht, Staatsrecht, Verfassungsrecht) und im Völkerrecht, und dies sowohl in der Rechtsprechung als auch in den Gesetzestexten. Zick (2006) plädiert für einen spatial turn in der Rechtsprechung zu Demonstrationen in den USA, der die Standorte als konstitutiv für die Demonstrationen angehe, und somit den staatlichen Spielraum für Verbote oder räumliche Regulierungen einschränke. Der österreichische Verwaltungsrechtler Winkler (1999) z. B. nimmt einen „rechtlichen Raum“ an:

Innerhalb der staatsorganisatorischen und rechtlich funktionellen Gebietsnetze verbinden rechtliche Wege rechtliche Orte mit rechtlichen Orten, rechtliche Gebiete mit rechtlichen Gebieten: Forstwege, Wirtschaftswege, Bringungswege; Gehwege, Gassen, Gemeindewege, Landesstraßen, Bundesstraßen, Autobahnen und Fernstraßen; Straßenbahnwege, Seilbahnwege, Eisenbahnwege, Wasserwege, Flugwege und Nachrichtenwege. Das gilt sogar für Wanderwege und Skipisten. Die rechtlichen Wege von rechtlichen Orten zu rechtlichen Orten, von rechtlichen Gebieten in rechtliche Gebiete von geringerer oder größerer Ausdehnung ermöglichen dem Menschen rechtliche Bewegung und Kommunikation mit anderen Menschen, zur Entfaltung seiner kulturell-sozialen Existenz in der Rechtsgemeinschaft eines Staates, in den Staatengemeinschaften und in der Völkergemeinschaft“ (Winkler, 1999:50).

Es sei dahingestellt, ob sich konzeptionell ein so genannter „rechtlicher Raum“ in angemessener Weise synthetisieren lässt. Es bedeutet jedoch aus geographischem Blickwinkel, dass Menschen als mobile (Rechts-)Subjekte von je unterschiedlichen Rechtsnormen gestaltete Orte bewohnen und sich damit von einem (auch) rechtlich definierten Ort an den anderen bewegen. Die Grundbegriffgestaltung der Geographie könnte diese Dimension berücksichtigen. Müller-Mall (2013:62) plädiert ebenfalls für einen „legal space“, in dem das Recht räumlich gesehen wird: „The concept of legal space could thus be meaningful for legal science beyond a simple reference frame to a political-geographical point of departure“. Siehr (2016) nimmt den Begriff „öffentlicher Raum“ wörtlich und analysiert ihn als rechtlich produzierten relationalen Raum. Im Verfassungsrecht analysiert Erbsen (2011:1169) die „constitutional spaces“ der Verfassung der USA: „Spatial precision is essential because knowing how the Constitution addresses a particular problem often requires knowing where the problem arises“ (Hervorh. i. Original). Die Entwicklung in der Rechtswissenschaft in Richtung der Fragestellung der Raumproduktion durch Recht trifft sich mit der geographischen Fragestellung.

Der spatial turn wird ebenfalls von Philippopoulos-Mihalopoulos (2010, 2011) aus dem Blickwinkel der spatial justice reflektiert, deren „rechtliche Räumlichkeit“ (Philippopoulos-Mihalopoulos, 2010:205) als Ausgangpunkt dient. Er positioniert eine „always-already spatial conception of the law, the materiality of law and its inevitable emplacement in space“ Philippopoulos-Mihalopoulos (2010:192). Dies ist in der Rechtsphilosophie als „Nomos der Erde“ bekannt: Schon bei Carl Schmitt (1974, 1995) wird der „Nomos“ als Beziehung von „Ortung und Ordnung“ eines Volkes definiert und damit interessanterweise das Recht als räumlich konstituiert konzipiert6. Bei Philippopoulos-Mihalopoulos (2011:197) kommt dies als Beziehung zwischen Raum und Recht folgendermaßen zum Ausdruck: „The law, through its theory, invites space to become part of the legal corpus. What is more, law's spatial turn is the process of awareness of law's always-already spatiality, its connection to space and its questioning qualities“. Dieser Versuch, Recht als intrinsisch räumlich aufzufassen, sollte uns Geographen bewusst machen, dass Recht nicht als externes Normenelement einen „Faktor“ in der Analyse von Raumproduktionen darstellt, sondern eine spezifische „Geographizität“ beinhaltet. Könnten die räumlichen Dimensionen ebenfalls konstitutiv für die Definition des Rechts sein? Der Rechtswissenschaftler Möllers (2015) arbeitet mit einem Verständnis von „Normen, die in einem sozialen Kontext, zu einer konkreten Zeit und an einem konkreten Ort in Erscheinung treten“ (Möllers, 2015:19, meine Hervorh.), das sich dem Geographischen öffnet. Daraus könnten lokalisierte Rechtsordnungen, welche Recht räumlich ko-konstituieren, abgeleitet werden. Vor dem Hintergrund eines expliziten spatial turn der Rechtswissenschaft stellt sich die Frage der räumlichen Dimensionen des Rechts für die theoretische Geographie.

4 Von einer legal geography zur „Geographizität des Rechts“?

Wie bei allen gesellschaftlichen Fragen ist das Verhältnis zum Recht wandelbar, d. h. der historisch spezifische gesellschaftliche Kontext ist dabei zu beachten. Der einschlägige Begriff ist „Historizität“. Analog zum Begriff der Historizität, der die Einbettung der Handlungsströme in datierbare Kontexte beschreibt, gibt es den Begriff der „Geographizität“, den ich hier für die Verknüpfung von Raum und Recht fruchtbar machen möchte. Dieser ist in der französischsprachigen Geographie relativ geläufig, in der deutschsprachigen Geographie quasi nicht existent. Der Begriff „Geographizität“ verweist ursprünglich auf die existenziale Räumlichkeit von Individuen und die Konstitution vonsinnhaften Orten durch Menschen als Subjekte im Sinne Heideggers. Dardel (1952) definiert Geographizität als existenziellen Bezug zur Erde rein phänomenologisch: „Connaître l'inconnu, atteindre l'inaccessible, l'inquiétude géographique précède et porte la science objective. Amour du sol natal ou recherche du dépaysement, une relation concrète se noue entre l'homme et la Terre, une géographicité de l'homme comme mode d'existence et de son destin„ (Dardel, 1952:1, meine Hervorh.). Das Interessante daran ist, dass das Geographische als existenziale Räumlichkeit der wissenschaftlichen Beobachtung vorgehe, die wissenschaftliche Geographie also eine Objektivierung dieser existenzialen Räumlichkeit sei und sich auch daraus legitimiere.

Dieses relationale Verständnis des Geographischen kann auch dahin gedeutet werden, dass über die existenziale Räumlichkeit hinaus unterschiedlichste Weltbeziehungen bedeutsam werden, die nicht nur in der subjektiv definierten Lebenswelt, sondern auch in der gesellschaftlich definierten Mit- und Umwelt bedeutsam sind. Der so erweiterte Begriff „Geographizität“ verweist somit auf diese relationalen Raumbezüge der Gesellschaft, wie z. B. Ortstypen, Grenzen, Erreichbarkeitssysteme und Anordnungen als räumliche Bedingungen der Möglichkeit von Handeln, Erleben, Gestalten, sowie hegemoniale gesellschaftliche Raumbezüge, die in legitimen Dispositiven und Normen verankert sind. So gewendet, ginge Geographizität als Begriff über die subjektive Definition Dardels hinaus. Dies ist auch mit dem Vorschlag Raffestins (1989:29) kompatibel, der die Geographizität als Fundament für eine theoretische Geographie ansieht, und zwar als Praxis und Wissen von räumlichen Elementen7. Damit könnten die verschiedenen räumlichen Dimensionen – Distanzen, Erreichbarkeiten, Ortsqualitäten, kartographische Elemente, Grenzen etc. – als jeweilige „Geographizitätsregime“, als vorherrschende geographische Bedingungen von Gesellschaften angesehen werden8. In der weiteren Entwicklung, in welcher die französischsprachige Geographie einerseits zwischen Räumlichkeit als Praxis und anderseits Raum als Umwelt unterscheidet, dient der Begriff der Geographizität neuerdings als Klammer, die beide Modalitäten des Geographischen subsumiert, und zwar als „composante spatiale de la sociétalité. Elle réunit la spatialité comme agir spatial et l'espace comme environnement de cet agir“ (Lévy, 2013:434).

Der Begriff „Geographizität“ könnte nun für die verschiedenen Dimensionen des raum-rechtlichen Zusammenspiels fruchtbar gemacht werden, welches mit dem Ausdruck „Geographizität des Rechts“ bezeichnet werden könnte. Analog zum Ausdruck „Historizität des Rechts“ verfügten wir dann über einen Ausdruck, der die räumlichen Dimensionen des Rechts fassbar machte. Er soll hier vier Elemente zusammenfassen:

  1. Als diskursive Ordnung des Raums anhand von räumlichen Kategorien, die in Gesetzestexten oder Rechtsprechung vorkommen. Einerseits können die zahlreichen geographischen Bezüge – Entfernungen, Grenzen, Standorte, Ortsqualitäten, Toponymik, Gebiete, Netzwerke usw. –, die in Rechtstexten erscheinen, analysiert werden. Anderseits kann die juristische Kodifizierung der traditionellen Objekte der Geographie (z. B. Toponymik, Raumkategorien, öffentlicher Raum usw.) als Problem erscheinen.

  2. Als lokalisierte Rechtsordnung, die durch verschiedene rechtkreierende Gruppen auf verschiedenen Maßstabsebenen konfligierend produziert wird.

  3. Als normative Ordnung, die vorschreibt, wie mit Raum umzugehen ist, und bestimmte Raumqualitäten ko-konstituiert. Sowohl räumliche Normen als auch das Spiel mit den räumlichen Normen sind dann einschlägig.

  4. Als komplexe Territorialität und Geltungsbereich des Rechts, in dem konkurrierende, verstrickte normative Räumlichkeiten, entterritorialisierende Elemente des transnationalen Rechts die eindimensionale Territorialität im Sinne eins Geltungsbereichs von Normen verändern.

Die Geographizität des Rechts könnte damit als Element der geographischen Theoriebildung positioniert werden, d. h. nicht nur als empirische Möglichkeit der Untersuchung rechtlicher Probleme. Der Begriff könnte einen Beitrag zur theoretischen Geographie leisten, mit Hilfe dessen systematisch die räumlichen Dimensionen des Rechts in Gesellschaftstheorie bezeichnet werden. Die Berücksichtigung des Rechts als Handlungsmittel anstelle von physischer Gewalt, finanziellen Mitteln oder kulturellem, sozialem und wirtschaftlichem Kapital ist m. E. in den geographischen Theorien bisher unterentwickelt. Eine der theoretischen Herausforderungen scheint darin zu bestehen, das Recht sowohl als eine Quelle des empowerment als auch als Quelle des Machtverlusts in den räumlichen Strategien von Individuen und kollektiven Akteuren zu begreifen. Auf diese Weise kann das Recht als formale Norm in die Handlungs- oder Praxistheorien integriert werden9. Der Ausdruck „Geographizität des Rechts“ könnte demnach bedeuten, die räumlichen Bezüge und die räumliche Konstituiertheit des Rechts herauszuheben. Er synthetisiert somit die geographischen Verweisungen von Rechtsnormen, die rechtlichen Regulierungen von Raum, die lokalen Rechtsordnungen sowie die rechtlichen Dimensionen von gesellschaftlicher Räumlichkeit. Dies ginge über das Territorialitätsprinzip der Rechtsgeltung, das traditionell in der politischen Geographie Bedeutung hat, hinaus10.

5 Das Recht am öffentlichen Raum als Machtgewinn oder -verlust individueller Handlungsfreiheit

Die Wandelbarkeit des öffentlichen Raums ist ein wichtiges geographisches Thema, stellt Öffentlichkeit doch eine zentrale Dimension der modernen und postmodernen Raumproduktion dar. Der öffentliche Raum ist neben der Zentralität als entscheidendes Merkmal von städtischen Orten in der geographischen Theorie thematisiert worden. Damit stellt sich die Frage der rechtlichen Konstitution von öffentlichem Raum und damit die Frage der „verorteten Normen“ (Klamt, 2006, 2007). Gusy definiert ihn folgendermaßen: „Er ist der Raum, den jedermann betreten darf; und zugleich derjenige Raum, in welchem für jeden gegenüber jedem diejenigen Regeln angewendet werden sollen, welche für öffentliches Handeln gelten (…). Es ist der Raum, in welchem die Rollen und ihre Besetzung prinzipiell offen sind. Wer sie wie besetzt, ist von vornherein nicht festgelegt und steht daher bis zu einem gewissen Grad der Freiheit der Nutzer offen. Und auf der anderen Seite stehen auch die Rollenzuschreibungen nicht schon von vornherein fest“ (Gusy, 2009:217). Diese Zugangs- und Nutzungsfreiheit ist auch in der geographischen Theorie rezipiert worden und Gusy (2009) bezeichnet damit den öffentlichen Raum als „Raum der Freiheit“ und „Raum der Gleichheit“. Er erkennt aber auch als drittes Merkmal einen „Raum der Zumutung“, was bedeutet, dass sich dort widersprüchliche, konfliktgeladene Anwesenheit ohne Ausschlussmöglichkeit vollzieht, die der Bürger aushalten muss. Dies hat juristische Konsequenzen, da Einschränkungen von Handlungen (z. B. durch Platzverweise, Gemeindesatzungen über Alkoholkonsum, Musik, Skateboard) in Deutschland verhältnismäßig sein müssen; Gusy (2009) bezeichnet Einschränkungen dieser Handlungsfreiheit als ultima ratio, d. h. der öffentliche Raum bedeute den Ort maximaler Freiheitsausübung und damit der Akzeptanz des Anderen.

Siehr (2016) baut dies nun weiter aus zu einem Recht am öffentlichen Raum und einem Recht auf öffentlichen Raum. Der Wandlungsprozess des öffentlichen Raums durch Privatisierungsprozesse – bei denen zwar öffentlicher Raum simuliert wird, Räume aber einem „Privatrechtsregime“ unterliegen – ist der Ausgangspunkt der Untersuchung. Was bedeutet dies für die Tätigkeiten von Personen aus rechtlicher Perspektive? Gibt es ein Recht am öffentlichen Raum und ein Recht auf öffentlichen Raum? Im Ergebnis wird dies bejaht und aus Artikel 2 Absatz 1 (Allgemeine Handlungsfreiheit) in Verbindung mit Artikel 14 (Eigentumsfreiheit) des Grundgesetzes hergeleitet. Der Clou des Beweises wurzelt in der Annahme eines Nutzungseigentums der Bürger am Eigentum in öffentlicher Hand, d. h., dass öffentlicher Raum in Bürgerhand sei und daraus ein Nutzen abgeleitet werden könne. Diese so genannte republikanische Auffassung löst eine so genannte „anstaltsrechtliche“ oder „obrigkeitshörige“ Auffassung ab, in der die öffentliche Hand als Obrigkeit dem Bürger ein eigenes Eigentum entgegensetzen kann.

Dies kommt in drei zentralen Aussagen zum Ausdruck. Erstens ist der öffentliche Raum ein Ort der Freiheit, er „schützt die räumliche Dimension der Handlungsfreiheit“ (Siehr, 2016:671) und die Wahl des konkreten Ortes: „Der Schutz des räumlichen Aspekts der jeweiligen Freiheitsbetätigung ist somit so“ stark' wie das jeweilige Grundrecht selbst, bei Ausübung der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG folglich deutlich stärker als beim Füttern von Tauben im Park“ (Siehr, 2016:671). Zweitens „schlägt das Recht am öffentlichen Raum jedoch auch eine Brücke zwischen dem materiellen Substrat des öffentlichen Raumes und der Ausübung von Verhaltensfreiheiten und bietet damit eine wichtige Grundlage dafür, dass sich im Sinne der relationalen rechtswissenschaftlichen Konzeption ‚öffentlicher Raum‘ konstituieren kann“ (Siehr, 2016:672). Drittens bedarf das öffentliche Nutzungseigentum einer republikanischen Fundierung, in der die Legitimationsquelle nicht mehr die „Kollektivperson Volk“, sondern eine „pluralistische Bürgerschaft“ ist. Damit wird der öffentliche Raum zum „Raum eines sich selbst regierenden Bürgerverbandes“, welcher der Bürgerschaft zusteht: „Gleichzeitig kann der Einzelne dieses ‚ Nutzungseigentum‘ jedoch auch zur Grundlage seiner Freiheitsausübung im öffentlichen Raum machen, d. h. in ihm wurzelt auch ein individuelles Recht am öffentlichen Raum“ (Siehr, 2016:673). Dieses Recht am und auf öffentlichen Raum, das einen öffentlichen Auftrag ableitet, ist eine neue Erkenntnis der Rechtswissenschaft und könnte auch uns Geographen bei der Analyse des öffentlichen Raums helfen.

Mit dem Insistieren auf die unabdingbaren räumlichen Dimensionen des Öffentlichen schneidet die Studie die Fragestellung der heutigen wissenschaftlichen Geographie an, in der die Sinnadäquanz von Orten im Hinblick auf unterschiedliche soziale Praktiken eruiert wird. Der öffentliche Raum als sinnhafter Ort für so unterschiedliche Praktiken wie Spazierengehen, Joggen, Demonstrieren, Einkaufen, Flyer austeilen, Trinken, Schlafen usw. wird durch die Privatisierung in Frage gestellt. Damit stellt sich die Frage der rechtlichen Dimensionen: Welche Tätigkeiten sind erlaubt, welche verboten, welche können durch Verwaltungsakte oder Hausordnungen eingeschränkt werden? Beispiele wie die Shopping Malls in den USA, Fraport (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 2011), private Tunnels wie der Herrentunnel in Lübeck (Entscheidung des Verwaltungsgericht Schleswig 2008), Bonner Hofgartenwiese (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1993) zeigen auf, dass sogar in Privatrechtsregimen politische Meinungsäußerungen zugelassen werden müssen. Die vorgebrachten Argumente sind vielschichtig und verweisen in den USA auf ein public forum, das Shopping Malls darstellen, in Deutschland analog auf die simulierte Öffentlichkeit sowie auf die öffentliche Trägerschaft. Diese Stärkung des öffentlichen Charakters privater Räume ist deshalb von Bedeutung, da öffentlicher Raum als Ort der Freiheit und Gleichheit, aber auch als Ort der Zumutung unterschiedlicher Verhaltensweisen, eine nicht zu unterschätzende Rolle in demokratisch verfassten Gesellschaften spielt.

Jedoch ist das Recht auch Element von Machtverlust, nicht nur Machtgewinn des Individuums. Die Privatisierung von öffentlichen Räumen und Ausschlussnormen haben Konsequenzen auf politische Rechte, aber auch auf den Alltag. Waldron (1991) kann anhand von homeless people in US-amerikanischen Städten zeigen, dass deren Überleben an der Möglichkeit für das Bewohnen des öffentlichen Raums hängt. Der Geograph Mitchell (1997) baut auf dieser Arbeit auf und nennt diesen Prozess der Ausgrenzung „annihilation of space by law“. Wie könnten politische Rechte ohne öffentlichen Raum wahrgenommen werden? Wie würden Nichtsesshafte oder Asylsuchende überleben können, wenn die privaten Eigentumsrechte gleichzeitig räumliche Ausschlussrechte beinhalten?

Diese Unabdingbarkeit von öffentlichen Orten für die Ausübung von Freiheit kommt auch in der politischen Meinungsäußerung zum Ausdruck. Der US-amerikanische Jurist Zick (2006) untersucht die Praktiken der Demonstration und der Zuweisung von spezifischen Orten durch die Polizei und die Verwaltung in den USA. Es handelt sich um „tactical places“ als Orte, um Demonstranten zu kontrollieren, welche sich der Staatsmacht unterwerfen, indem sie gerade da demonstrieren, wo sie sollen. Dies bedeutet, dass keine freie Ortswahl mehr stattfinden kann. „But the sorts of cages, zones, and pens that have appeared of late involve an altogether different strain of spatial restriction. Here the state has moved from regulating place to actually, in some case, creating place for the express purpose of controlling and disciplining protest and dissent“ (Zick, 2006:584). Zick interpretiert dies als Bedrohung der Meinungsfreiheit, denn die Orte der Artikulierung der politischen Meinung würden von der öffentlichen Hand vordefiniert. „This sort of spatial sophistication is a recent phenomenon. It represents a new generation of spatial regulation. Governments have learned to manipulate geography in a manner that now seriously threatens the basic First Amendment principles“ (Zick, 2006:584). Im Umkehrschluss heißt dies, wie bei Siehr (2016), dass Ortsqualität (deren Lage, Ausstattung und Symbolik) ko-konstitutiv von Grundrechten ist. Deshalb plädiert Zick (2006:587) für einen spatial turn in der Rechtsprechung, der dieses Problem der freien Ortswahl und damit der räumlichen Adäquanz von Demonstration mit einbezieht. Diese Problematik trifft auch in Deutschland ganz konkret auf Fälle wie die Demonstrationen gegen den G8 in Heiligendamm 2007 zu, bei welcher der Aufenthalt (präziser: ein so genannter Sternmarsch) in zwei von der Polizei definierte Verbotszonen hinein nicht genehmigt wurde. Auch einem Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht wurde nicht stattgegeben (BVerfG, 1 BvR 1423/07). Hier zeigt sich ein spezifischer Zusammenhang von Recht und Raum: Das Verbot der Demonstration an jenem sinnhaften Ort hat den Verlust der Bedeutung und der Sinnhaftigkeit der Praxis zur Folge.

Diese Beispiele zeigen die Wandelbarkeit des öffentlichen Raums in der Interdependenz von Recht und sozialen Praktiken. Es genügt demnach nicht, öffentlichen Raum als rein rechtlich definiert darzustellen, es handelt sich um eine relationale Herstellungsleistung, in der Rechtliches mit sozialen Praktiken verwoben wird, um das Öffentliche herzustellen. Dies wird ebenfalls am Beispiel des Zugangs von Stränden in den USA deutlich, die rechtlich zwar als öffentlich definiert werden, aber durch Praktiken der Privatisierung von Anwohnern den Besuchern unzugänglich gemacht werden, was von Kranz (2009) für Florida und von Davidson und Entrikin (2005) für Los Angeles dokumentiert wurde. Geographen könnten zu dieser Problematisierung des Nexus von Handeln und Recht bei der Analyse der Konstitution öffentlichen Raums beitragen.

6 Theorie des Städtischen und Städte als Problem des Rechts: Recht der Stadt, Recht auf Stadt

Die Stadt als Ort spezifischer Qualität hat in der geographischen Theorie und Empirie einen hohen Stellenwert erlangt. Ein großer Teil der Theoriebildung geht von einem geographischen Konzept der Agglomeration und der Zentralität aus, der als relationaler Raum nicht mehr der einzige urbane Ort darstellt. Das Städtische und die Urbanität im Plural (Lévy, 2006) stehen im Kontext der „planetary urbanisation“ (Lefebvre, 1970; Brenner und Schmid, 2014) im Vordergrund. Wie wird Urbanität als „place-making“ von verschiedensten Akteuren, inklusive Bewohnern und Besuchern, in einer „visitor economy“ (économie présentielle) konstruiert? Um die Frage der asymmetrischen Machtverhältnisse zu rahmen, stehen die Konzepte der „Governance“, der „Gouvernementalität“ oder der „growth coalitions“ (Logan und Molotch, 1978) zur Verfügung. Machtausübung wird jedoch auch juristisch abgesichert oder konterkariert, was in der urban theory als Rechtsproblem thematisiert werden könnte.

In der Tat könnte es fruchtbar sein, ein Konzept von Stadt zu entwickeln, in dem rechtliche Prozesse ko-konstitutiv sind. Die Konstitution von Urbanität, von Handlungsspielraum, von Machtchancen in Bezug auf den Nationalstaat, ja sogar das Recht auf Stadt, das sich Lefebvre vorstellte, könnte aus rechtlicher Sicht neuen Erkenntnisgewinn bringen. Der US-amerikanische Jurist Frug (1980) stellt die Frage nach der Macht der US-amerikanischen Städte in den 1970er Jahren aus rechtlicher Sicht. Er stellt auf Stadt als ein „rechtliches Konzept“ in dem Sinne ab, als spezifische Rechte und Souveränität lokal verankert werden. Frug (1980) arbeitet heraus, dass die Enge oder Breite dieser Rechte den Handlungsspielraum der lokalen Regierungsform bestimmen. Damit stellt eine Stadt eine lokalisierte Rechtsordnung dar. Im Unterschied zur europäischen Tradition der kommunalen Selbstverwaltung ist der Status der US-amerikanischen municipalities verfassungsrechtlich nicht so klar. Stellen Städte „Territorien“ oder Gebietskörperschaften im Sinne der Bill of Rights dar oder Anstalten öffentlichen Rechts, die von den Bundesstaaten beliebig verändert werden können? Gibt es Regeln, nach denen Gemeinden kreiert werden und nach denen Gebiete und Personen von der Eingemeindung ausgeschlossen werden können? Können Unternehmen Städte gründen und diese dann administrieren? Die Antworten sind in den USA aufgrund der unterschiedlichen Rechtstraditionen anders gelagert als in Europa, weisen aber auf die rechtlichen Probleme hin, die sich aus der Beschäftigung mit Städten ergeben. Dass die Rechtsordnungen nicht unbedingt die Machtverhältnisse in den Städten widerspiegeln, macht das Beispiel New York deutlich. Dort verschaffte sich Moses durch die Leitung etlicher städtischer Gesellschaften (public authorities) und staatlicher Kommissionen eine herausragende Machtstellung, die lange Zeit rechtlich nicht in den Griff zu bekommen war (Caro, 1975). Dies erlaubte ihm, seine Vorstellungen von Urbanität und Stadtentwicklung (parkways, expressways, Parks etc.) auch gegen massive Widerstände durchzusetzen (Berman, 1983). Das Beispiel zeigt, wie die demokratisch legitimierte Macht in Städten ausgehebelt wird. Gleichzeitig war Moses in der Lage, rechtliche Neuerungen wie den Federal Aid Highway Act von 1956 oder Housing Act von 1949 in einer Weise zu instrumentalisieren, wie dies in anderen Städten nicht möglich war.

Jedoch geht es nicht nur um klassische Governance-Fragen in der Stadt, sondern auch um die rechtlichen Handlungsmöglichkeiten der Stadt als Akteur in der Globalisierung. Aust (2017) rekonstruiert das Erstarken von Städten zu international relevanten Akteuren innerhalb internationaler Städtenetzwerke wie des United Cities and Local Governments (UCLG) als bedeutsames Netzwerk. Er stellt die Frage, ob Städte im Völkerrecht als Rechtssubjekte anerkannt sind. Er bejaht dies und verankert Städte einerseits im global administrative law, andererseits im informal international law. Lindemann (2014) ihrerseits geht es um die Verzahnung von Stadtentwicklungskonzepten und Recht im Völkerrecht und um die Stadt als Regelungsobjekt in internationalen Dokumenten: „Es entsteht dabei ein internationales Konzept der Stadt und deren Beziehungen zu ihrem Staat“ (Lindemann, 2014:129). Sie analysiert im Einzelnen internationale Stadtkonzepte als „Programm“, als „Ideologie“ und als „Völkerrecht“. Dabei zeichnet sie eine „Verrechtlichung“ durch Schiedsgerichte, Internationaler Gerichtshof, Konventionen nach, die zu einer rechtlichen Definition von Stadt als Raumkategorie führt. Dabei werden unterschiedliche Rechtsstatuten von Stadt deutlich: als Gebietskörperschaft im Internationalen Verwaltungsrecht, als soft law (Rechtsnatur des Stadtkonzepts von UN-Habitat) und als Sekundärrecht oder Vertrag (Rechtsnatur des Stadtkonzepts der Weltbank). Es spielen ebenfalls geographical imaginations eine Rolle, die Idee eines Städtesystems oder von Städten als Orte für Profit werden in rechtlich (mehr oder weniger) bindende Normen eingeschrieben: „Many policy makers perceive cities as constructs of the state – to be managed and manipulated to serve some social objective. In reality, cities and towns, just like firms and farms, are creatures of the market. (…) Planners and policy makers should see their role as prudent managers of a portfolio of places, to get the most from agglomeration economies“ (World Bank Development Report, 2009, zitiert nach Lindemann 2014:128). Dies sollte uns Geographen auf den Plan rufen, um die rechtlichen und normativen Dimensionen in unser Forschungsobjekt „Stadt“ mit einzubeziehen.

Dies wird besonders deutlich am Thema „Recht auf Stadt“, da in der Geographie zwar politische Bewegungen zu Recht auf Urbanität, Recht auf Zentralität, räumliche Gerechtigkeit sowie Recht auf Teilhabe an der Kontrolle von Stadtentwicklung etc. seit Lefebvres Slogan droit à la ville untersucht werden, aber die rechtlichen Grundlagen dafür keineswegs erörtert wurden11. Es blieb ein rhetorisches Mittel, dessen effektheischende Poetik auf die Ungerechtigkeiten in der Stadt, asymmetrische Machtverteilung und die mangelnde Kontrolle der Bürger über Stadtentwicklungsprozesse aufmerksam macht. Vor allem die rechtsdogmatische Untersuchung von Weinhold et al. (2016) versucht, Inhalte von Rechten auf Stadt in deutschen Gesetzen zu interpretieren, da ein umfassendes und in einer Rechtsnorm kodifiziertes Recht auf Stadt in Deutschland nicht existiert. Dabei wird vor allem auf Grundrechtselemente einer allgemeinen Handlungsfreiheit in der Stadt, auf eine Daseinsvorsorge der öffentlichen Hand und auf die Unterstützung marginalisierter Gruppen abgestellt. Die Frage der Videoüberwachung des öffentlichen Raums ist dabei zentral, da die Präsenz von Videokameras die Qualität des städtischen Raums verändert und Verhaltensweisen normiert. Gomes und Starodub (2016) verweisen auf die Forderung von sozialen Bewegungen, Recht auf Stadt juristisch zu institutionalisieren. Im World Urban Forum und UN-Habitat werden diesen Forderungen als Recht auf Wohnung und sauberes Wasser Ausdruck verliehen. Die Verankerung im soft law des Völkerrechts ist jedoch nur eine Seite. Für die Autoren ist Recht auf Stadt „als ein transformativer Prozess zu verstehen, der verschiedene Momente widerständigen Handelns miteinander verknüpft – von Grenzüberschreitungen, die strafrechtlich verfolgt werden könnten, bis hin zu Brüchen sozialer Normen. Dadurch scheint es einerseits unmöglich, das Recht auf Stadt formalrechtlich festzuschreiben, andererseits ist es aber auch nicht einzig als rechtlicher Regelbruch zu verstehen“ (Gomes und Starodub, 2016:29). Als Recht am öffentlichen Raum – wie dies in der oben zitierten Studie von Siehr (2016) herausgearbeitet wurde – könnte es möglich sein, bestimmte Dimensionen eines Rechts auf Stadt auch formalrechtlich zu interpretieren. Darin könnte eine wichtige Aufgabe einer Zusammenarbeit von Rechtswissenschaft und Geographie liegen.

Schließlich geht es in der Stadt auch um Wirtschaftsfragen und um Standortpräferenzen. Diese werden durch Verwaltungs- und Gerichtsurteile auf lokaler Ebene geprägt und hier kommt genau das Ortsspezifische des Rechts zum Ausdruck, das in der legal geography als entscheidende räumliche Komponente angesehen wird: Lokale Kontexte formen Recht. Michaels (2001) analysiert die Gerichtsentscheidungen von Klagen gegen die Standortentscheidung von EADS zum Ausbau des Produktionsstandorts für den Airbus 380 in Hamburg auf der Halbinsel Finkenwerder von städtischen Privatpersonen und Umweltverbänden mit Verweis auf Naturschutzbelange vor dem Landgericht Hamburg. Mit dem Argument, städtische Wirtschaftsstruktur sei „gemeinnützig“, wurde diese Klage schließlich vom OVG Hamburg abschlägig beschieden, obwohl der Ausbau des Produktionsstandorts in einem Natura-2000-Gebiet liegt (Michaels, 2001). Dabei wird deutlich, dass die rechtliche Entscheidung wirtschaftlichen Interessen den Vorrang vor lokal-politischen und naturschützerischen Interessen gibt. Das Problem von Standortentscheidungen ist also keineswegs nur ein rein wirtschaftliches Problem, wie dies in den neoklassischen oder auch heutigen akteurs- oder netzwerkzentrierten Standorttheorien rekonstruiert wird. Dieses Beispiel macht deutlich, dass geographische Standorttheorien um die rechtliche Komponente erweitert werden könnten, die diese örtlichen Unterschiede, in der Art und Weise mit Recht umzugehen, ausdrückt. Dies könnte anhand des Konzepts der örtlichen Rechtskulturen oder des „rechtlichen Kapitals“ von Städten geschehen, und damit eine Brücke zur (Rechts)Soziologie geschlagen werden12.

7 Fazit

Der theoretischen Geographie eröffnet sich die Chance, in einem erneuerten wissenschaftlichen Kontext rechtliche Dimensionen in Modelle und Grundbegriffe einzuarbeiten. Die Rechtswissenschaftler erkennen nunmehr „Raum“ als bedeutungsvolle Dimension für Rechtsdeutung und Rechtsprechung und benennen einen expliziten spatial turn. Sie öffnen sich ebenfalls einer sozialwissenschaftlichen Zugangsweise, welche außer der klassischen Rechtssoziologie auch die Anthropologie und die Geographie betreffen. Es ginge nun darum, in einen Dialog über die Geographizität des Rechtlichen zu treten. Es stellen sich drei Probleme für eine theoretische Geographie, die ich hier thesenhaft formuliere.

These 1: Die rechtlichen Dimensionen sind ein missing link in der geographischen Theoriebildung sowohl als Element geographischer Grundbegriffe als auch als geographischen Beitrag für Gesellschaftstheorien. Einerseits fehlt es den geographischen Grundbegriffen (Ort, Territorium, Landschaft, Distanz, Netzwerk, Standort, Mobilität etc.) an rechtlichen Dimensionen. In den einschlägigen Wörterbüchern (siehe Johnston et al., 2009; Lévy und Lussault, 2013; Brunotte et al., 2005) werden lediglich die sinnhaften, wirtschaftlichen und politischen Dimensionen konnotiert, die rechtlichen Dimensionen jedoch übersehen. Der Territorium- bzw. Territorialitätsbegriff, in dem klassischerweise die Geographizität des Rechts aufgehoben wird, ist dabei die Ausnahme (siehe Elden, 2013). Jedoch sind darüber hinaus z. B. die Toponymik, Landschaft (Kulturwelterbe), Orte (geographische Herkunftsangaben von Produkten), Areale (Nationalparks, Bioreservate, Wassereinzugsbereiche, Kadaster), Distanzen und Erreichbarkeiten usw. rechtlich abgesichert. Andererseits wird für die räumlichen Dimensionen der Handlungs-, Praxis-, Diskurs-, Strukturationstheorien zwar die Normenfrage gestellt, deren rechtliche Übersetzungen aber weitgehend übersehen. In rechtsstaatlichen Verfassungen sind sowohl Freiheitsrechte als auch (un)verhältnismäßige Einschränkungen von Freiheitsrechten zu beobachten, welche in der Räumlichkeit von Praktiken zum Tragen kommen13. Gerade der öffentliche Raum ist dabei ein entscheidendes Element zeitgenössischer Räumlichkeit, wo Freiheitsrechte zum Ausdruck kommen. Darüber hinaus könnte innerhalb praxistheoretischer Erörterungen ein „rechtliches Kapital“ von Individuen – analog zum „rechtlichen Kapital des Staats„ (Bourdieu, 2012) – als Element eines „räumlichen“ Kapitals der Individuen gedacht werden. Damit können Mobilitätszwänge und -ungleichheiten in einem „mobility regime“ als rechtliches Problem beobachtet werden. Diese Machtasymmetrien sind in der Tat auch rechtlich fundiert: Vor allem die Frage einer spatial justice als ungleicher Verfügung über Ressourcen (Soja, 2010; Lévy et al., 2018) könnte (auch) mit Rechtstheorien überlegt werden.

These 2: Geographizität des Rechts könnte als zentrales Konzept einer theoretischen Geographie im Kontext eines so genannten spatial turn der legal studies fungieren. Rechtliche Normen fungieren als räumliche Zwänge und Vorschriften, Rechtsordnungen sind räumlich organisiert, die räumlichen Dimensionen des rechtlichen Diskurses sind relevant, rechtlich fundierte Machtasymmetrien haben räumliche Auswirkungen, und räumliche Dimensionen von Gerechtigkeit sind rechtlich fundiert. Sowohl diese Pluralität der räumlichen Verweise von Recht als auch die rechtlichen Dimensionen der verschiedenen Manifestationen von Räumlichkeit (als Ort, Distanz, Grenze, Standort, Landschaft, Toponymik, Territorialität etc.) werden von diesem Begriff eingefangen. Analog zur Historizität des Rechts, vor allem in der Rechtsgeschichte einschlägig, wäre dann ein synthetisches Konzept vorhanden, das auf die vielfältigen geographischen Bezüge des Rechts, die räumlichen Organisationen der Rechtsordnungen und die rechtlich normierten Handlungsströme sowie die Analyse informeller und formeller Normen abstellt. Die Theorie des „alltäglichen Geographie-Machens“ (Werlen, 1996) als Praxis von spezifischen sinnadäquaten Orten und räumlichen Vorstellungen könnte durch die rechtlichen Dimensionen weiterentwickelt werden. Damit wäre ein spezifisches Konzept als Beitrag in einer interdisziplinären legal studies vorhanden, mit dem ein Beitrag der Geographie als Gesellschaftstheorie geleistet werden könnte. Der Dialog zur Rechtsphilosophie, Rechtssoziologie, Rechtsanthropologie als auch zur klassischen Rechtswissenschaft könnte somit gesucht werden.

These 3: Raummodelle sind auch Rechtsmodelle: Eine rechtliche Doppelung von räumlichen Kategorien und eine rechtliche Konstitution von räumlichen Kategorien ist sowohl ein theoretisches als auch epistemologisches Problem. Das eindringlichste Beispiel der rechtlichen Ausformung von geographischen Vorstellungen ist wohl das den Geographen am bekanntesten, jedoch nicht als Rechtsproblem erfasste Zentrale-Orte-Modell. Das „Zentrale-Orte-Konzept“ des Bundesraumordnungsgesetzes entstammt, wie bekannt, nicht der Feder von Juristen, sondern der Vorstellungskraft eines Geographen, Walter Christaller. Der Transfer eines Modells hin zu einem Gesetzestext hilft zu verstehen, dass geographische Theorien nicht nur selbstreferenziell sind, sondern auch normative Effekte freisetzen, welche in diesem Fall in Rechtsnormen übersetzt werden. Das Modell wurde in der Raumordnung und -planung instrumentalisiert, zuerst in der nationalsozialistischen Diktatur zwischen 1933 und 1945, in der Folge von den Landesentwicklungsplänen und im Bundesraumordnungsgesetz von 1965 (ROG 1965 Paragraph 2 Abs. 1 Grundsatz 3), letztmalig 2017 novelliert. Über diese Rechtsnorm mit geographischen Inhalten wird Wirtschaftspolitik betrieben und massiv in die Geographizität des alltäglichen Lebens eingegriffen. Die Stellung dieses Modells in der geographischen Theorie könnte dahingehend überdacht werden, dass diese rechtliche Doppelung selbstverstärkende Züge bekommt oder sogar zur self-fulfilling prophecy wird. Es könnte damit der wissenschaftlichen Geographie vermehrt die Aufgabe zukommen, Raumkategorien in Rechtsnormen zu untersuchen. In der Tat könnte das Bundesraumordnungsgesetz ebenfalls der kritischen geographischen Analyse unterzogen werden – und nicht nur als ein Gegebenes akzeptiert werden. Mit welchen Begriffen hantiert das Bundesraumordnungsgesetz? Auf welche Sachverhalte verweisen die Raumkategorien „zentrale Orte“, „Achsen“, „Siedlungsstruktur“, „Freiraum“, „strukturschwache Räume“, „ländliche Räume“, „Kulturlandschaft“, „Städte“, „Vorranggebiete“, „Vorbehaltsgebiete“, „Eignungsgebiete“ etc.? Sind diese aus geographischer Sicht sachgemäß? Welche Wirkungen entfalten diese Kategorien?

Datenverfügbarkeit

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Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Danksagung

Dieser Aufsatz ist im Rahmen eines Forschungsaufenthalts am Institut für Recht und Gesellschaft der Humboldt-Universität Berlin entstanden und baut auf meinem dort gehaltenen Vortrag „Geographizität des Rechts“ vom 2 Juli 2018 auf. Ich bedanke mich bei Anna-Bettina Kaiser für die freundliche Aufnahme am Institut und den Diskutanten für kritisches Feedback.

Begutachtung

This paper was edited by Benedikt Korf and reviewed by three anonymous referees.

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1

Siehe z. B. Harvey (1989), Gregory (1994), Lévy (1994), Thrift (1996), Werlen (1995, 1996, 1997), Lippuner (2005), Lussault (2007), Redepenning (2006) für unterschiedliche Schwerpunktsetzungen, die jedoch alle in der sozialwissenschaftlichen Theoriebildung verankert sind.

2

Ich verweise auf den zusammenfassenden Reader von Blomley et al. (2001) sowie die zentralen Beiträge von Blomley (1994) und Delaney (2003). Die jüngere Entwicklung in Richtung eines transdisziplinären Ansatzes findet sich bei Bravermann et al. (2014); einen Überblick über aktuelle Arbeiten gibt Delaney (2015, 2016, 2017).

3

Siehe die Arbeiten von Ford (1999), Zick (2006), Brighenti (2006), Philippopoulos-Mihalopoulos (2010, 2011), Müller-Mall (2013), Siehr (2016) sowie Winkler (1999), Dreier (2002), Cancik (2012).

4

Siehe als Beispiele für theoretische Geographie die Arbeiten von Harvey (1989), Lévy (1994), Thrift (1996), Werlen (1995, 1997), Berque (2000), Lussault (2007).

5

Die Überlegung eines „spatial turn“ (Soja, 1989; Lévy, 1999; Warf und Arias, 2009) wäre vor dem Hintergrund des Risikos einer „spatial trap“ (Lossau und Lippuner, 2004) zu vertiefen. Dies kann hier jedoch nicht geleistet werden.

6

Siehe Hofmann (1992) für eine eingehende Analyse und Einordnung der Rechtsphilosophie Schmitts, auf die hier aus Platzgründen nicht näher eingegangen werden kann. Siehe Legg (2011) für eine Einordnung von Schmitts Raumtheorie im Zusammenhang mit politischen und juristischen Fragestellungen sowie Barnes and Minca (2013) und Minca and Rowan (2015). Siehe auch Korf (2009) für die Frage des Ausnahmezustands.

7

Siehe Klauser (2010) für die deutschsprachige Edition von Raffestins Texten zu Geographizität und Territorialität.

8

Der Begriff „Geographizitätsregime“ wird analog zum Begriff „Historizitätsregime“ konstruiert (Besse, 2009). Dieser wiederum wird von Hartog (2003) als vorherrschendes gesellschaftliches Zeitverhältnis, also als Verhältnis zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, benutzt.

9

Wenn Recht als eine mögliche Ressource von Macht, die in Praktiken eingewoben ist, konzipiert würde, könnte auch der Kritik des „Juridismus“ (Loick, 2017) begegnet werden.

10

In der noch immer zitierten Staatrechtslehre Jellinek gilt u. a. das Staatsgebiet, da dieses „seiner rechtlichen Seite nach den Raum, auf den die Staatsgewalt ihre spezifische Tätigkeit, die des Herrschens, entfalten kann“ (Jellinek, 1914), als Kriterium für die Definition des Staates.

11

Siehe für eine Ausnahme Attoh (2011), der dezidiert nach dem Rechtsbegriff fragt, der im Ausdruck „Recht auf Stadt“ enthalten ist. Siehe auch Caillosse (1995), der den Status der Stadt für das französische Rechtssystem nachzeichnet.

12

Siehe Bourdieu (2012), der dem Staat ein „rechtliches Kapital“ zuschreibt und damit sowohl die klassischen Kapitaliensorten (ökonomisches, soziales, kulturelles, symbolisches Kapital) als auch das individuelle um ein kollektives Kapital erweitert. Beides könnte in einer theoretischen Geographie fruchtbar gemacht werden.

13

Die aktuelle Covid-19-Krise ist ein Beispiel für rechtliche Einschränkungen der räumlichen Mobilität und der Wahl von Orten des Aufenthalts (Kirchen, Diskotheken, öffentlicher Raum usw.), die in der Bundesrepublik Deutschland vom Bundesverfassungsgericht als zulässige Einschränkungen von Freiheitsrechten entschieden wurden (siehe z. B. 1 BvR 996/20 zum „Wohnungsverlassungsverbot“ in Bayern; 1 BvR 1003/20 zum Versammlungsverbot in Hamburg; 1 BvQ 26/20 zu allen Corona-Verordnungen und Versammlungsverbot; 1 BvQ 28/20 zur Untersagung von Zusammenkünften in Kirchen in Hessen).

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Short summary
Are the legal dimensions of social spatialities sufficiently taken into account in geographical theory? The concept geographicity of law will be developed in order to answer this question in a dialogue between the current spatial turn of legal studies and the already existing legal geography. Especially, the realms of public space and urbanity will be addressed.