Articles | Volume 77, issue 4
https://doi.org/10.5194/gh-77-433-2022
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Book review
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05 Oct 2022
Book review |  | 05 Oct 2022

Book review: Handbuch Diskurs und Raum

Benedikt Korf, Julia Verne, Jürgen Oßenbrügge, Matthew Hannah, Georg Glasze, and Annika Mattissek
Dates

Glasze, G. und Mattissek, A. (Hrsg.): Handbuch Diskurs und Raum: Theorien und Methoden für die Humangeographie sowie für die sozial- und kulturwissenschaftliche Raumforschung, 3. überarbeitete und erweiterte Auflage, Bielefeld, Transcript, 484 ff., ISBN 978-3-8376-3218-7, EUR 29,50, 2021.

1 Einführung: Diskurs und Raum – Benedikt Korf

Als das von Georg Glasze und Annika Mattissek herausgegebene Handbuch Diskurs und Raum, das nun in dritter, grundlegend überarbeiteter und erweiterter Auflage vorliegt, 2009 erschien, sah die deutschsprachige Humangeographie noch anders aus als heute. Die Neue Kulturgeographie (NKG), der sich eine neue Generation von Nachwuchswissenschaftler*innen verbunden fühlte, war seit ihren ersten Gehversuchen nach der Jahrtausendwende noch stark unter Beschuss: zu feuilletonistisch sei sie, nicht wirklich wissenschaftlich, alles sei nur noch Text, und das könne natürlich nicht sein, so polterten einige Altvorderen (meist Männer). Das laufe auf einen unwissenschaftlichen Relativismus des anything goes hinaus. Daneben gab es aber auch einige ernstzunehmende Vorbehalte gegenüber einer vielleicht zu stark auf die Diskurstheorie konzentrierten Rezeption des Poststrukturalismus und insbesondere der Schriften Michel Foucaults, des neuen Theoriestars der deutschsprachigen Humangeographie. 2008 schrieb Julia Lossau eine Replik, in der sie diese Vorwürfe detailliert zurückwies (Lossau, 2008). Der scharfe Ton ihrer Replik kann einen Anhaltspunkt für die antagonistische Stimmung geben, die damals in der deutschsprachigen Humangeographie herrschte.

Das Handbuch Diskurs und Raum, das aus der intensiven Zusammenarbeit eines Netzwerks damals junger Humangeograph*innen hervorging, kann auch – so zumindest meine Lesart – als ein Versuch gewertet werden, sich gegen diese Vorwürfe des Feuilletonistischchen, des Nicht-wissenschaftlichen zu wehren, indem die Diskurstheorie nicht nur gesellschaftstheoretisch reflektiert, sondern auch methodologisch wasserdicht ausgearbeitet wurde. Hier ist Matthew Hannah zuzustimmen, der schrieb, dass die diskurstheoretische Schule der deutschsprachigen Geographie die Diskurstheorie und ihre Methodologie sehr viel gründlicher durchgearbeitet hat, als dies in der anglophonen Geographie der Fall war, wo zum Zeitpunkt der Diskussionen im Umfeld der Neuen Kulturgeographie die diskurstheoretischen Arbeiten der new cultural geography schon weitgehend „out“ waren (Hannah, 2016). „In“ war damals insbesondere die non-representational theory, deren einflussreiche Vertreter die Diskurstheorie für tot erklärt hatten (Thrift und Dewsbury, 2000). Die Gründlichkeit der deutschsprachigen Diskurstheoretiker*innen setze sich, so suggeriert Hannahs Einordnung, wohltuend von der Diskursdynamik der anglophonen Geographie ab, in der alle paar Jahre ein neues Paradigma ausgerufen werde, ohne dass die bisherigen Paradigmen und ihre jeweiligen theoretischen und empirischen Potentiale bereits sorgfältig (aus-)diskutiert worden seien.

2021 scheinen diese Kontroversen vorbei. Die NKG geht auf ihre 18. Jahrestagung zu (was die Frage nach dem „neu“ in ihrer Selbstbezeichnung zumindest aufwirft)1. Die alte Garde, die damals gezetert oder zumindest gegrummelt hatte, ist abgetreten. Viele der „jungen Wilden“, die 2009 einen Beitrag im Handbuch geschrieben hatten, sitzen längst auf wichtigen Lehrstühlen (Steinbrink und Aufenvenne 2017:85). Die NKG hat sich disziplinpolitisch durchgesetzt. Zugleich hat sie sich offen und flexibel gezeigt: Theoriepolitisch existiert mittlerweile eine Pluralität von Ansätzen weitgehend friedlich nebeneinander her. Die theoretische Diskussion hat sich ausdifferenziert und verbreitert – Posthumanismus, Neuer Materialismus und so weiter sind neben die Diskurstheorie getreten. Diese Pluralität wird im neuen Handbuch in einer Vielzahl neuer Kapitel aufgegriffen, v. a. der new materialism (siehe hierzu Julia Verne im vorliegenden Rezensionsforum).

Interessant ist aus meiner Sicht, dass beide Kritikpunkte, die der Diskurstheorie zu ihren Anfängen vorgehalten wurden – der Vorwurf des „Idealismus“ (wie Verne es nennt und damit die Vernachlässigung des Materialismus bezeichnet) und des feuilletonistischen Relativismus –, entweder noch virulent sind (der Vorwurf des „Idealismus“) oder in neuer Form wiederkehren (die Frage nach dem normativen Relativismus im Zeitalter von post-truth, also der grundlegenden Anzweiflung wissenschaftlicher Erkenntnisse durch rechtspopulistische Bewegungen). Der zweite Punkt wurde schon 2004 von Bruno Latour in einem weitherum beachteten Beitrag in gewohnt provokanter Weise aufgegriffen: Ja, mit seiner eigenen wissenschaftlichen Arbeit habe er selbst zu der Infragestellung der Objektivität wissenschaftlichen Wissens beigetragen, die nun von rechtspopulistischer Seite politisch ausgenutzt werde. Jetzt gehe es darum, Stellung zu beziehen im Krieg der Positionen (Latour, 2004). Jürgen Oßenbrügge und Matthew Hannah greifen in ihren Beiträgen zu diesem Diskussionsforum beide diese Problematik auf: Sie stellen Fragen an die normativen Prämissen und die Wahrheitsbegriffe der Diskurstheorie – aus der Besorgnis heraus, wie auf die Infragestellung wissenschaftlicher Erkenntnisse durch rechtspopulistische Kreise zu reagieren sei. Dabei wird deutlich, dass es zu diesen Fragen keine einfachen Antworten gibt. Dennoch scheint es mir besser, nicht Latours bellizistischem Vokabular zu folgen, denn es ist schlussendlich von Carl Schmitt inspiriert (vgl. Werber, 2014:182).

Etwas bellizistisch war manchmal auch der Ton in den frühen Zeiten der NKG. Heute ist der Tonfall konzilianter geworden: Die Diskussion ist nicht mehr grundsätzlich, sondern an den Nuancen und Feinheiten orientiert. Dies zeigt sich auch in diesem Rezensionsforum: Julia Verne, Jürgen Oßenbrügge und Matthew Hannah formulieren ihre kritischen Fragen als konstruktive Anregungen für ein zukünftiges Gespräch.

2 Diskurstheorie und/oder Neuer Materialialismus: Gedanken zur Neuauflage und Weiterentwicklung des Handbuchs Diskurs und Raum – Julia Verne

Der Ausgangspunkt der ersten Auflage dieses Buches war eine intensive Auseinandersetzung mit diskurstheoretischen Überlegungen in der zweiten Hälfte der 2000er im Rahmen eines von der DFG geförderten Netzwerks. Bis heute sind es solche Netzwerke, die in der Humangeographie in Deutschland immer wieder wichtige Akzente setzen und durch die Organisation von Sommerschulen sowie die Herausgabe solcher Handbücher die Entwicklung der Disziplin entscheidend mitgestalten. Dieses Netzwerk hat in dieser Hinsicht sicher eine besondere Rolle gespielt, da es in einer Zeit entstanden ist, in der es in der Humangeographie wesentlich darum ging, die neuen Impulse aus der sich im anglophonen Kontext entwickelnden new cultural geography zu rezipieren und für den deutschsprachigen Kontext fruchtbar zu machen (siehe u. a. Gebhardt et al., 2003; Berndt und Pütz, 2007). Das Handbuch Diskurs und Raum in seiner ersten Auflage kann in dieser Hinsicht als Ausdruck einer sich formierenden „Neuen Kulturgeographie“ in Deutschland verstanden werden. In diesem Netzwerk kamen einige der zentralen Figuren und ihre Schüler*innen zusammen und diskutierten, wie sich Geographie gesellschaftstheoretisch betreiben ließe. Über die intensive Auseinandersetzung mit Diskurstheorien hinaus, haben viele der Autor*innen wichtige Beiträge zur Stärkung einer theoretisch-informierten Humangeographie geleistet, die die Diskussionen im Kontext der „Neuen Kulturgeographie“ bis heute prägen.

Meine Perspektive auf diese Zeit, und damit auch auf dieses Werk, ist stark durch meine eigene Studienerfahrung an der Royal Holloway University of London geprägt, einem der Zentren der britischen new cultural geography. Dort spielten diskurstheoretische Ansätze ebenfalls eine große Rolle, nicht allein in den Diskussionen mit Derek Gregory zu seinem 2004 erschienen Buch „The Colonial Present“ (Gregory, 2004), allerdings diskutierten wir genauso die unterschiedlichen Ansätze einer „Rematerialisierung“ der Geographie (siehe u. a. Jackson, 2000; Whatmore, 2002). Vor dem Hintergrund meines eigenen ethnographischen Ansatzes, mit dessen Hilfe ich in meiner Promotion versuchte, die Materialität der Dinge in einer translokalen Kultur des Handels stärker in den Blick zu nehmen, erschien mir der in der deutschsprachigen geographischen Diskursforschung damals dominante, bewusste Verzicht auf eine Berücksichtigung von Praktiken sowie des Zusammenspiels von Materiellem und Repräsentationalem für meine Forschung nicht überzeugend. Was mich allerdings beeindruckte, war die Intensität der theoretischen Auseinandersetzung in diesem Netzwerk und das aufrichtige Interesse, die gesellschaftstheoretischen und philosophischen Hintergründe tatsächlich zu durchdringen, statt sie aus der Rezeption der cultural studies zu übernehmen, wie es andernorts immer wieder der Fall war.

Dieses Anliegen spiegelt sich auch in dieser Neuauflage des Handbuchs wider. Die einzelnen Beiträge machen alle die starke theoretische Verankerung der methodischen Überlegungen deutlich. Dieses Mal geht es aber nicht allein um die Darlegung von Diskurstheorien und ihrer möglichen Umsetzung in geographischen Arbeiten, sondern darum, sich aus diskurstheoretischer Perspektive zu dem sogenannten material turn bzw. den Neuen Materialismen zu verhalten. Damit wird deutlich gemacht, dass es in der Arbeit mit Theorie schließlich nicht darum geht, den einen „richtigen“ Weg zu finden und an ihm festzuhalten, sondern die Gedanken im Austausch mit anderen weiterzudenken.

Bereits im Vorwort heißt es nun, dass das Potential der Diskursforschung in der Geographie auch darin liege, „sensibel für die Herstellung sozialer Wirklichkeiten durch Verknüpfungen heterogener, bspw. symbolischer und materieller Elemente zu sein“ (Glasze und Mattissek, 2021:11). Dies aber wirft die Frage auf: Wie genau lässt sich der material turn berücksichtigen und lässt er sich tatsächlich so einfach mit diskurstheoretischen Überzeugungen in Einklang bringen?

An zahlreichen Stellen im Buch wird anschaulich dargelegt, dass Repräsentationales nicht vom Materiellen getrennt verstanden werden muss. Damit wird der Blick der Diskurstheorie im Vergleich zur vorherigen Ausgabe überzeugend erweitert. Allerdings zeigen die Beispiele, dass es dabei in erster Linie darum geht, Praktiken, Visuelles, Körper oder urbane und Gebäude-Strukturen als MATERIALISIERUNG von Diskursen zu verstehen. Diesem Verständnis entsprechend transportieren Praktiken und Materialität Diskurse; das Materielle wird hier also vor dem Hintergrund seiner Formbarkeit betrachtet und bleibt damit nach wie vor Ausdruck des Politischen. Die Perspektive bleibt damit idealistisch.

Auf der anderen Seite verfolgen die Ansätze des Neuen Materialismus – auch hier hängt es natürlich davon ab, auf welche Autor*innen man sich bezieht – einen stärker realistischen Zugang zur Welt. Während einige in erster Linie an der Konzeption des Materiellen interessiert sind, geht es anderen vielmehr darum, das Materielle eben nicht als Teil des Diskurses, sondern tatsächlich als eine Gegenperspektive zu verstehen – ein Ansatz, der sich auch in dem Begriff „Objekt“ ausdrückt (das, was entgegensteht; von lat. objectum –entgegengeworfen; siehe auch Bingham, 1996; Schlitte et al., 2021). Hier geht es explizit darum, eine Welt jenseits des menschlichen Zugriffs einzubeziehen!

Statt also die gewohnte Frage zu stellen, wie wir die Welt – vor allem sprachlich – formen, regen diese Arbeiten dazu an, auch andersherum zu fragen: Wie beeinflusst eigentlich die Welt unser Denken über sie (siehe z. B. Tsing (2015), die aufzeigt, wie sich die Welt selbst wieder zu Wort meldet, oder Ingold (2004), wenn er sich mit dem barfuß gehen beschäftigt)? Während Latour (2005) das Materielle durch seine Einbindung in Akteur-Netzwerke an das Ideelle/Repräsentationelle anbindet, versucht Ingold die Verwobenheit von beidem durch neue Begrifflichkeiten wie das meshwork deutlich zu machen (Ingold, 2011). Was dabei jedoch entscheidend ist: Die Bestimmtheit des Diskurses lässt sich nicht mehr halten! Indem die Welt nicht allein als diskursiv konstruiert verstanden wird, wird der Diskurs nur ein Element von vielen. Das Materielle spielt mit, ohne (auch diskursive) Intention, und somit ist auch das Ergebnis offen!

Diese Emergenz der Welt lässt sich wohl vor allem ethnographisch untersuchen – und zwar in einer Ethnographie, die über diskursive Praktiken hinausblickt. Dabei geht es dann nicht nur darum, Praktiken und Materialitäten als stimmigen Ausdruck von Diskursen zu verstehen oder zu entlarven (wie es in diesem Buch vor allem vorgestellt wird), sondern auch darum zu erkunden, wie Dinge Diskurse beeinflussen oder sich Diskursen widersetzen oder entziehen. Ein recht banales Beispiel dafür wäre die Frage, wie z. B. die Materialität des Mediums den Diskurs mitbestimmt (siehe dazu u. a. Moats, 2017).

Dieser Schritt, die Stellung des Diskursiven konsequent vor dem Hintergrund des Neuen Materialismus zu überdenken, ist sicher nicht der zentrale Gegenstand dieser Neuauflage, wird aber insbesondere im neuen Kapitel zu Materialität angelegt.

Dass Diskurse für das Verständnis unserer Welt und ihre Gestaltung eine große Relevanz besitzen, wird dabei wohl niemand in Frage stellen. Dies illustriert auch das Handbuch anhand vielfältiger Beispiele sehr überzeugend. Aber der spannende Punkt, der sich aus den Diskussionen im Zusammenhang mit dem Neuen Materialismus ergibt, ist meiner Ansicht nach zu versuchen, eben auch die Welt jenseits von Diskursen nicht zu vernachlässigen, und dabei zu untersuchen, wie beides zusammenwirkt.

Dies führt einen in gewisser Weise zurück zu dem klassischen hermeneutischen Anliegen, sich vom Menschen zur Welt und von der Welt zum Menschen zu bewegen – und grundsätzlich zu den „großen“ Fragen der Philosophie nach dem Verhältnis von Mensch und Umwelt, Mensch und Natur, die gerade auch für uns Geograph*innen eine besondere Bedeutung haben.

Wenn dem allerdings so ist – und ich denke, das macht dieses Handbuch deutlich –, stellt sich uns noch eine weitere, allgemeinere Frage: Wie verläuft die theoretische Auseinandersetzung in der Geographie? In welchem Zusammenhang/auf welche Art und Weise findet sie statt? Und wie wirkt sich das auf unseren Umgang mit Theorien aus?

Wie eingangs bereits gesagt, ist für mich das Netzwerk zur Diskurstheorie DER Ausdruck einer gesellschaftstheoretisch-orientierten Geographie. Eine Orientierung, die für uns als Beitragende und Lesende dieses Buches sicher zu einem wesentlichen Bestandteil unserer geographischen Arbeit geworden ist, auch wenn ein Großteil von uns weder Sozialtheorien noch Philosophie studiert hat. Auf der Suche nach einer relevanten Humangeographie sind wir daher wohl etwas aufgeregter, als es Philosoph*innen in der Regel tun, auf sozialwissenschaftliche Theorie-Züge aufgesprungen und haben dabei vielleicht manchmal zu wenig Aufmerksamkeit für die (theoretischen) Gesamt-Landschaften mitgebracht, durch die diese Züge gefahren sind.

Diese Neuauflage zeigt, wie wichtig es ist, die Vielzahl der möglichen Wege, ihre Hintergründe und Implikationen kennenzulernen, um eine reflektierte Entscheidung für Theorien und entsprechende Methoden treffen zu können und diese immer wieder vor dem Hintergrund neuer Debatten weiterzudenken. Auch zeigt es, dass Theorien eben an bestimmte Fragestellungen gebunden sind und nicht einfach alles erklären. Die Frage ist, wie sich diese Überzeugungen noch besser in der geographischen Lehre widerspiegeln könnten. Dies würde es schließlich erleichtern, Theorien in erster Linie in Abhängigkeit von bestimmten Fragestellungen auszuwählen, und nicht, um einem bestimmten (geographischen) Diskurs zu folgen.

In dieser Hinsicht sehe ich dieses Buch als einen ganz wichtigen Meilenstein – es nimmt den Fehdehandschuh des material turns auf. Strukturell kann es dabei vor allem auf materialisierte Diskurse eingehen und macht ein für die Geographie zentrales Anliegen deutlich, das es gilt, in Zukunft weiter zu verfolgen: neben der Hervorhebung der Bedeutung diskursiver Konstruktion von Raum ebenso deutlich zu machen, welche Fragen diskursorientierte Zugänge nicht beantworten können.

3 Krise der Faktizität: Diskurs und gesellschaftliche Wirklichkeit – Jürgen Oßenbrügge

Den hier zur Diskussion stehenden Band „Diskurs und Raum“ halte ich für sehr gelungen. Sicherlich erzeugt er nicht mehr die konzeptionelle und wissenschaftspolitische Aufregung der Erstauflage, aber die Diskursanalyse ist in ihren möglichen Aufgabenstellungen und neuen Herausforderungen sicherlich nicht am Ende, eher „mittendrin“. Schon ein flüchtiger Blick über Neuerscheinungen in Sachen Diskursforschung reicht für diese Einschätzung. Allerdings kann und soll hier keine umfassende Würdigung erfolgen, die nach der positiven und konstruktiven Resonanz auf die Erstauflage auch redundant ausfallen würde. Vielmehr möchte ich einige Fragen und Aspekte herausgreifen, die zugleich von aktueller und grundsätzlicher Bedeutung sind.

Mein Interesse am Band Diskurs und Raum ist von den Begriffen Ideologie, Diskurs und politischer Kampf geprägt, genauer vom aktuellen Rechtspopulismus, dem Diskurs über Postfaktizität und den damit verbundenen politischen und wissenschaftlichen Auseinandersetzungen (Oßenbrügge, 2018). Es sind zum einen die Ausdrucksformen, die auf den Trumpismus, auf Pegida, Klimaleugner oder Querdenker zurückführbar sind, aber auch bestimmte Formen des gesellschaftspolitischen Umgangs damit. Zusammengenommen lösen sie nicht nur Unbehagen aus, sondern markieren auch neuartige politische Konfliktfelder und divergierende Einschätzungen des Wertes wissenschaftlichen Wissens. Zum anderen muss aber auch das Zusammenfallen der Positionen beunruhigen, die im ‚March for Science‘ zur Unterstützung wissenschaftlicher Erkenntnisse hervorgebracht worden sind (z. B. gegen die Leugnung des anthropogen verursachten Klimawandels), mit den überwiegend feuilletonistisch vorgetragenen Kritiken an postmodernen Theorie- und Methodenverständnissen aus dem Kreis des ‚Neuen Realismus‘.

Die „Krise der Faktizität“ (van Dyk, 2017) ist damit nicht bzw. nicht nur Ausdruck dessen, was mit der Bezeichnung Postfaktizität als Wort des Jahres 2016 ausgedrückt werden sollte, sondern bezieht Teile der Wissenschaft ein, besonders die, die poststrukturalistische Wahrheitsbegriffe bevorzugen und den Szientismus ablehnen. Betroffen ist damit auch die Humangeographie, die zudem institutionell häufig an der Schnittstelle zwischen (eher szientistischen) Natur- und (inzwischen eher pluralen, postmodernen) Sozialwissenschaften angesiedelt ist. Es besteht damit ein aktueller Anlass, sich mit der neuen Kritik an der sozialen Bedingtheit wissenschaftlichen Wissens und an einem prozesshaften Wahrheitsbegriff auseinanderzusetzen (vgl. Nullmeier, 2021).

Aber es gibt noch weitere ‚ Kampflinien‘: Sicherlich sind der Rassismus der Pegida und ist die Faktenleugnung der sogenannten Klimaskeptiker oder Querdenker schwer zu ertragen. Aber sie lassen sich sehr gut diskursanalytisch hinterfragen, um Form, Inhalte, mögliche Wirkungsweisen und Benutzung des Repertoires, das in der Bezeichnung Fake-News zusammengefasst wird, zu analysieren. Desinformationen lassen sich identifizieren und darüber kann die Kritikfähigkeit gegenüber derartigen gesellschaftlichen Strömungen erhöht werden. Nicht vergessen sollten wir aber dabei, dass die postfaktischen Stimmen auch eine subalterne Herausforderung des Mainstreams darstellen. Wenn sich die bestehende kulturelle Hegemonie nach Streeck (2017:259) als die Verschmelzung der „technokratische(n) pensée unique des Neoliberalismus mit dem moralischen juste milieu einer internationalistischen Diskursgemeinschaft“ charakterisieren lässt (und ähnliche Einordnungen prominenter Provenienz lassen sich leicht finden), landen wir bei der Frage nach dem Kritikverständnis der Diskursanalyse.

Da Diskurse häufig auf andere in zustimmender, ablehnender oder abgrenzender Form verweisen, sind zwar Kriterien wie diskursimmanente Konsistenz gut vorstellbar. Darüber hinaus, so die These, benötige ich aber als Diskursforscher*in eine externe Sensorik, die mir sagt, welche Diskurse wichtig sind, welche aus welchen Gründen und mit welchen Zielen dekonstruiert werden sollten, vielleicht auch welche richtig und wahr sind. Diskursanalyse, besonders eine sich als kritisch verstehende (Langer et al., 2019), benötigt daher eine explizite gesellschaftstheoretische Einbettung mit einem zeitdiagnostischen Potential, das darüber aufklärt, warum bestimmte Diskurse für die wissenschaftliche Praxis wichtig sind und welche gesellschaftlichen Interventionen angestrebt bzw. Transformationen mit der Analyse bewegt werden sollen. Vielleicht ist dieses für die Beteiligten eine Selbstverständlichkeit. Jedoch mag das Zitat von Streeck in diesem Zusammenhang als provozierender Hinweis verstanden werden, dass die Lobpreisung der Vielstimmigkeit, die auch für den Band Diskurs und Raum charakteristisch ist, als gesellschaftspolitisch einseitig zu sehen ist, da sie problemlos neoliberal vereinnahmt werden kann und daher Ergänzungen bedarf.

Jürgen Habermas hat für derartige Fragen ja die „Einheit der Vernunft in der Vielheit ihrer Stimmen“ aufgerufen (Habermas, 1988). Ähnlich legte Hannah Arendt mit Blick auf Fake-News des Vietnam-Krieges eine reinigende Vernunft nahe, die sie mit einem wissenschaftlichen Wahrheitsbegriff verband (Arendt, 2013 [1971]). Damit komme ich zu einem weiteren Punkt poststrukturalistischer Forschung und der Krise der Faktizität, der um die Wahrheitsspiele kreist. Sicherlich sind herrschaftsfreie Diskurse und das Setzen auf wissenschaftliche Wahrheit sozusagen in letzter Instanz kaum haltbare Vorstellungen. Aber welche Wahrheitsbegriffe legen wir denn zu Grunde, wenn wir über Emanzipation, Transformation, Ungerechtigkeit und Ähnliches sprechen? Mit welchem Wahrheitsbegriff tritt die Wissenschaft, hier die poststrukturalistische Diskursanalyse, an die Gesellschaft heran, die ja zumindest im deutschsprachigen Raum der Wissenschaft und ihren Aussagen hohes Vertrauen schenkt? Mehr noch: In der Auseinandersetzung über den Kritikbegriff der Diskursanalyse stellt Nonhoff (2019:16) fest: „Indem Diskursanalysen Aussagen generieren, intervenieren sie in das Feld des verfügbaren Wissens und in die hiermit verbundenen Machtverhältnisse.“

Unabhängig davon, wie „mächtig“ die Diskursanalyse sein mag, interventionistische Formen der Wissenschaft sollten nicht nur hohe methodische Standards berücksichtigen, was ich mit Blick auf den hier im Vordergrund stehenden Band nicht anzweifeln möchte, sondern auch eine epistemische Reflektion über Werte, Standards und Reichweite. Wenn ein universeller Wahrheitsbegriff nicht zur Verfügung steht, Wissen immer situiert und die Wahrheitsproduktion mit Machtverhältnissen verbunden ist, bleibt die immanente Normativität der Diskursanalyse eine Herausforderung, die dazu führen sollte, die „praktischen und logischen Formen realer Wissensproduktion empirisch in den Blick zu nehmen“ (Diaz-Bone und Horvath, 2019:36). Wenn also die Frage nach wissenschaftlicher Wahrheit nicht mehr ohne Weiteres gestellt werden kann, wird die Frage umso vordringlicher, wie sich die Diskursforschung zur gesellschaftlichen Wirklichkeit stellt, in der sie eingebettet ist. Kritische Diskursanalyse in der Geographie muss daher an den Beiträgen gemessen werden, die mit emanzipatorischen, egalitären und nachhaltigen Zielen verbunden sind. Auch dieses sollte an sich klar sein, ist aber vielleicht nicht sichtbar genug.

4 Das trojanische Pferd der Wahrheit – Matthew Hannah

Die neue Ausgabe (wie schon die ältere) des Handbuchs ist ausgezeichnet und äußerst nützlich. Besonders gelungen ist die Fundierung (in der Einleitung sowie in Teilen A und B) der ganzen diskursanalytischen Ansätze in längerfristigen philosophischen bzw. linguistischen Entwicklungen. Die neuen Kapitel zu Modi der diskursiven Konstitution bilden eine sehr sinnvolle Ergänzung. Der Einbau von Fragen der Materialität, Ideologiekritik, Körperlichkeit und Visualität ist ebenfalls insgesamt gelungen. Für die schon unvermeidliche nächste Ausgabe wäre ernsthaft zu überlegen, ob auch ein Kapitel zu numerischen Repräsentationsformen aus diskursanalytischer Perspektive sinnvoll wäre.

Im Forum, worauf die hier veröffentlichten Beiträge zurückgehen, wurden die Kommentator*innen dazu ermuntert, Stellung zu einer Reihe von Fragen zu nehmen. Der Rest dieses Beitrags bezieht sich auf eine dieser Fragen, nämlich ”aktuelle Forderungen an eine Positionierung von Wissenschaft im Kontext von fake news/alternative facts”. Mit allem Verständnis für die Annahme, diese Frage sei unumgänglich geworden, möchte ich – ganz im Geiste des Handbuchs Diskurs und Raum – die Formulierung nicht unhinterfragt stehen lassen.

4.1 Die Frage der Verantwortung

Wo kommen die „aktuellen Forderungen“ her? Wer stellt sie, und mit welchem Anfangsverdacht? Eine „neutrale“ Frage ist sie jedenfalls nicht. Sobald akzeptiert wird, dass sich „die Wissenschaft“ als vermeintlich einheitliche Kategorie auf eine fixe Position bezüglich „Wahrheit“ und „Unwahrheit“ beschwören soll, ist schon viel Differenzierung über Bord geworfen. Im Hintergrund steigt der Zombie-Dualismus zwischen dem Glauben an „die Wahrheit“ und dem „Relativismus“ schon wieder aus dem Sarg und schleppt trivialisierende Karikaturen des Poststrukturalismus und anderen diskurstheoretischen Ansätzen unter den Armen mit.

Den viel diskutierten Aufsatz des Kollegen Jürgen Oßenbrügge aus dem Jahr 2018 sowie seinen Beitrag in diesem Heft verstehe ich als ernsthafte Versuche, die an uns gestellten Fragen gelten zu lassen, aber doch differenziert und wissenschaftlich anzugehen (Oßenbrügge, 2018, und in diesem Forum).

Trotz aller Stringenz vermeidet Oßenbrügge in seinem längeren Aufsatz aus dem Jahr 2018 die Reproduktion von Karikaturen nicht vollständig. Er zitiert nämlich als bewusste Provokation einen Artikel von Sheri Berman ausführlich, in dem Berman eine ganze Reihe intellektueller Entwicklungen und sozialer Bewegungen („die Postmoderne“, den Multikulturalismus, den Feminismus, den Postkolonialismus …) in einen Topf wirft und als Ergebnis der „Frustration“ und „Langeweile“ der „linken Intellektuellen“ der 1970er Jahre darstellt (Oßenbrügge, 2018:314). Besonders rhetorisch wichtig in dem Zitat von Berman ist die Zuschreibung der „Langeweile“. Dieses Wort zündet Assoziationen, die es uns ermöglichen, eine unseriöse, kindisch-launische Ennui–Haltung hinter all diesen Entwicklungen zu sehen.

Im Beitrag dieses Hefts vermeidet Oßenbrügge die Verbreitung solcher cartoonhaften Märchen über die Ursprünge der „Post“-Ansätze. Nichtsdestotrotz vermutet er noch einen kausalen Zusammenhang zwischen seriösen, sorgfältig ausgearbeiteten diskursanalytischen Ansätzen einerseits und dem Umgang mit „truth“ seitens eines Rechtspopulismus andererseits, der jahrzehntelang sonst nur Verachtung, Spott und Hohn für genau diese Ansätze gezeigt hat.

Leider ist diese abwertende Haltung auch im Mainstream-Diskurs längst normal (weswegen die AfD geschickt Anti-Political-Correctness-Werbung auf fruchtbaren Boden streut). Wäre es der Fall, dass die deutschsprachige Gesellschaft diskursanalytischen Ansätzen und überhaupt neueren kulturwissenschaftlichen Forschungen genau so viel „hohes Vertrauen“ wie den Naturwissenschaften schenken würde, lebten wir in einer ganz anderen Welt.

4.2 Die neue Beschwörung auf die Wahrheit als trojanisches Pferd

Die Soziologin Silke van Dyk setzt andere Akzente (van Dyk, 2017). Erstens geht sie der Frage nach: Wie wurde und wird das „Postfaktische“ von Trump und anderen konstruiert? Van Dyk bedient sich hierbei Überlegungen von Nietzsche und Arendt und verwendet die Begriffe „Lüge“, „Organisierte Lüge“ und „Meinung“ für ihre Analyse.

Diese Perspektive lässt sich sehr gewinnbringend mithilfe von Forschungen zum Thema „production of ignorance“ ergänzen (Proctor und Schiebinger, 2008; McGoey, 2012). Die Produktion von Unwissen wird z. T. schon in den diskursanalytischen Ansätzen im Handbuch mitgedacht und angesprochen, z. B. wo es um die Exklusion und den Ausschluss von bestimmten Sprecherpositionen oder Gruppen geht.

Aber es gibt andere Dimensionen und Aspekte, die auch über die von van Dyk angesprochenen Fragen der „Lüge“ und „Meinung“ hinausgehen. Beispiele hierfür sind (1) Zweifel produzieren, wie mittlerweile bei Tabakfirmen, Industrie und Klimawandelleugnung belegt ist (Oreskes und Conway, 2012); (2) Wissen entfernen oder nicht mehr sammeln, eine Tätigkeit, die sich unter anderem in gezielten Angriffe auf die öffentliche soziale Statistik in vielen Ländern ausdrückt (Ramp und Harrison, 2012; Walton-Roberts et al., 2014); (3) Wissen privatisieren, Zugang dazu einschränken, was bekanntermaßen eng mit der raschen Entwicklung des „Überwachungskapitalismus“ verschränkt ist (Zuboff, 2019).

Ein zweites Thema, das van Dyk sehr scharfsinnig anspricht, ist die Art und Weise, in der die Kritik an Trump und dem „Postfaktischen“ quasi als trojanisches Pferd genutzt wird. Die vorher ins Wanken geratene These der Alternativlosigkeit der neoliberalen-kapitalistischen Wirtschaftsprinzipien wird von manchen Kommentator*innen zurück in den Bereich der unhinterfragbaren, wissenschaftlich belegten „Wahrheit“ geschmuggelt. Kritiker*innen des Neoliberalismus befänden sich demnach in der Gesellschaft der Verschwörungstheoretiker*innen (van Dyk 2017:360).

Überhaupt bekommen in der aktuellen Konstellation ein positivistisches Verständnis von „Fakten“ sowie ein naiver Realismus unerwartet jeweils ein zweites Leben. Van Dyk zeigt mit diesen Überlegungen einen wichtigen Schwerpunkt für kritische Diskursforschung in „postfaktischen“ Zeiten auf: die Analyse dessen, was dem „Postfaktischen“ entgegengesetzt wird.

Schließlich widmet sich van Dyk auch der Frage, ob „die Postmoderne“ tatsächlich irgendwie mitverantwortlich ist für die postfaktische Wende im öffentlichen Diskurs. Sie stellt dabei fest, dass der Zombie-Reflex, die ganzen „Post“-Ansätze mit einem universalistisch formulierten Relativismus gleichzusetzen, nicht nur falsch, sondern auch eine vermeidbare Ablenkung von dem politischen Kernproblem ist. Auch Verteidiger der Diskurstheorie haben sich leider auf diese Ablenkung eingelassen:

Mit der Beschränkung auf den theoretischen Nachweis der möglichen Ent-Gründung und De-Konstruktion gesellschaftlicher Verhältnisse, d .h. ihrer prinzipiellen Veränderbarkeit, wird aber darauf verzichtet, die Wünschenswertigkeit ihrer Destabilisierung für den je konkreten Kontext zu begründen (van Dyk, 2017:363).

Diese Feststellung deutet schließlich auf die epistemologische Situation, in der wir uns alle befinden, die am adäquatesten von Oliver Marchart mit dem Begriff „postfundamentalistisch“ beschrieben wird (Marchart, 2016). Es ist nämlich einerseits der Fall, dass es keine wissenschaftliche oder sonstige Position oder Theorie gibt, die inhärent unanfechtbar ist oder als ewig unhinterfragbares Fundament dienen kann. Andererseits brauchen wir immer – sowohl als Wissenschaftler*innen als auch überhaupt als Menschen – ein quasi-epistemologisches „Standbein“, eine ganze Reihe Dinge, die wir situativ im praktischen Sinne als „wahr“ unhinterfragt lassen (Hannah, 2019).

Es ist in diesem postfundamentalistischen Rahmen, in dem ich Oßenbrügges Frage im vorliegenden Rezensionsforum deuten würde: Sicherlich sind herrschaftsfreie Diskurse und das Setzen auf wissenschaftliche Wahrheit sozusagen in letzter Instanz kaum haltbare Vorstellungen. Aber welche Wahrheitsbegriffe legen wir denn zu Grunde, wenn wir über Emanzipation, Transformation, Ungerechtigkeit und Ähnliches sprechen?

Entscheidend ist, das Verb „zu Grunde legen“ als zugleich unvermeidlich und selber unbegründbar zu verstehen.

5 Replik: Neue konzeptionelle Impulse und ungebrochene politische Relevanz – Georg Glasze und Annika Mattissek

5.1 Grundideen der überarbeiteten Neuauflage: Diskurstheorien und Geographien

Das Handbuch Diskurs und Raum war Ende der 2000er Jahren in dem damals von der DFG geförderten (Nachwuchs-)Wissenschaftsnetz entstanden. Die Erstauflage verfolgte die Idee, für die deutschsprachige Sozial- und Kulturgeographie Grundlagen einer poststrukturalistisch-orientierten Diskursforschung zu erschließen. Dabei ging es zunächst um die Erarbeitung einer diskurstheoretischen Perspektive für die Geographie. Letztlich wurde die Idee einer „Konstruktion von Räumen“ gegenüber den damals prominenten handlungstheoretischen und den erstmals auch in der deutschsprachigen Geographie breiter diskutierten polit-ökonomischen Ansätzen radikalisiert: Die Konstitution von Räumlichkeiten konnte damit als ein Baustein der Re-Konstruktion bestimmter gesellschaftlicher Verhältnisse gefasst werden. Daneben standen Fragen einer angemessenen methodologisch-methodischen Übersetzung dieser konzeptionellen Neuausrichtung im Vordergrund, mit einem Schwerpunkt auf textbasierten Verfahren.

Die erweiterte und überarbeitete Neuauflage verfolgte nun, 12 Jahre später, neben einer Aktualisierung vor allem zwei Anliegen: Zum einen möchten wir durch eine Neustrukturierung und neue Teilkapitel in Teil C deutlicher machen, dass die „Modi der diskursiven Konstitution von Gesellschaft-Raum-Verhältnissen“ sich nicht auf Sprache beschränken. Entsprechend werden nun in Teilkapiteln neben Sprachlich- und Bildlichkeit auch Fragen von Performativität, Praktiken und Materialität diskutiert. Auch bei den Fragen nach den methodischen Übersetzungen in Teil D haben wir den Schwerpunkt auf textanalytische Verfahren ergänzt durch Teilkapitel zur diskursanalytischen Auseinandersetzung mit Kartographie, Photographie und Ethnographie. Zum zweiten diskutieren wir expliziter Fragen nach dem grundlegenden Wissenschaftsverständnis und der Normativität (durchaus unterschiedlicher) diskurstheoretischer Positionen.

Vor dem Hintergrund dieser Schwerpunktsetzungen der Neuauflage freuen wir uns sehr, dass die Rezensent*innen zu diesen Kernpunkten Stellung genommen haben. Wir haben alle drei Beiträge als spannende und konstruktive Weiterentwicklung der Debatten gelesen und antworten im Folgenden auf einige grundlegende Impulse.

5.2 Diskurstheorie und/oder neuer Materialismus – eine Antwort auf den Beitrag von Julia Verne

Julia Verne rekonstruiert in ihrer Rückschau auf die Geographie in den 2000er Jahren eine gewisse Diskrepanz zwischen der deutschsprachigen Geographie, die diskurstheoretische Kontexte entdeckt und erschließt, und einer anglophonen Geographie, in der gleichzeitig bereits die „over wordy worlds“ der new cultural geography bemängelt und eine „Rematerialisierung“ der Geographie gefordert wurde. Dies kann einerseits mit einem (damals sicherlich noch größeren) Zeitverzug in der Rezeption neuerer Ansätze und der späten Überwindung naturalistisch-geodeterministischer Ansätze in der deutschsprachigen Geographie erklärt werden. Hinzu kommt (in eher wohlwollender Perspektive auf die deutschsprachige Situation, die auch Julia Verne einnimmt) eine im Vergleich zur englischsprachigen Debatte stärker interdisziplinär sowie international ausgerichtete und damit zeitintensive Auseinandersetzung mit theoretisch-philosophischen Grundlagen einer poststrukturalistischen Diskurstheorie sowie mit Fragen einer angemessenen methodischen Umsetzung.

Allerdings ging auch bereits die Erstauflage über einen engen, auf Sprache begrenzten Diskursbegriff hinaus und knüpfte in Rezeption von Überlegungen Foucaults sowie von Laclau und Mouffe an „weite“ Diskurskonzepte an. Dabei wird die relationale Perspektive, welche die Konstitution von Bedeutung in Sprache auf die jeweils spezifische Verknüpfung von sprachlichen Elementen zurückführt, auf nicht-sprachliche Zusammenhänge übertragen (bspw. Verknüpfung visueller Elemente in Bildern und Karten, materiell-semiotischer Elemente im Städtebau oder auch Ensembles spezifischer Praktiken). Dennoch – die Auseinandersetzung diskurstheoretischer Perspektiven mit den Forderungen nach einer Rematerialisierung der Geographie ist weitgehend ein Desiderat der Erstauflage und war ein Ziel der Überarbeitung.

Julia Verne kontrastiert in ihrem Beitrag Ansätze der Diskurstheorie mit Perspektiven des (Neuen) Materialismus und setzt sich dabei mit den in der Neuauflage neu hinzugekommenen diskurstheoretisch orientierten Auseinandersetzungen mit Praktiken (Baumann et al., 2021), Materialität (Wiertz, 2021) und ethnographischen Zugängen (Winkler et al., 2021) auseinander. Dabei beurteilt sie die entwickelten Perspektiven letztlich als (zu) idealistisch, weil sie Materielles als Materialisierung eines spezifischen Diskurses und einer diskursiven Intention fassten. Dagegen würden und könnten sich die Ansätze eines Neuen Materialismus expliziter mit der Welt jenseits des menschlichen Zugriffs beschäftigen.

Diese Beobachtung ist unseres Erachtens einerseits treffend, da Diskurstheorien nicht den Anspruch haben (können und wollen) die inhärenten Wirkweisen materieller Zusammenhänge zu erschließen. Das bedeutet auch, dass diskurstheoretische Ansätze nicht alle Wirkungszusammenhänge dieser Welt durchdringen können – und es ist wichtig und produktiv, diese Beschränkung bzw. Fokussierung explizit(er) zu benennen.

Widersprechen möchten wir aber andererseits der Kritik, dass in den Ansätzen des Handbuches Materielles als Ausdruck einer Art diskursiven Intentionalität gefasst würde. Die poststrukturalistisch orientierte Auseinandersetzung mit Praktiken oder Materialität verwirft doch gerade die Vorstellung einer gegebenen Intention „hinter den Dingen“. Soziale Wirklichkeiten emergieren vielmehr immer wieder neu durch die spezifischen Relationierungen vielfältiger Elemente, sind immer brüchig und dynamisch. Diskursanalysen wollen die Muster- und Regelhaftigkeit dieser Relationierungen herausarbeiten. Sie gehen damit weder davon aus, dass es hinter diesen Mustern vordiskursiv gegebene Intentionen gibt, noch dass diese Muster auf andere Weise determiniert sind.

Genau diese Sensibilität gegenüber Determinismen kann (und sollte) aus unserer Perspektive auch die stärker materialistisch orientierten Positionen begleiten und ergänzen – im Sinne einer Sensibilisierung gegenüber a-politischen Naturalisierungen. Nicht zuletzt zeigen ja die kommerziellen Erfolge von Bestsellern, welche die Weltpolitik mit geodeterministischen Argumenten erklären (etwa „prisoners of geography“, Marshall, 2015) und noch dramatischer die Legitimation aggressiv-expansiver Politiken mittels vermeintlicher historischer und natürlicher Zwänge, die anhaltende Gefahr materialistisch-naturalistischer Argumente. Entsprechend ist es aus unserer Sicht ein nach wie vor aktuelles Projekt, immer wieder zu verdeutlichen, dass etwa Fragen von Identitäten, von Geopolitik oder Klimakrise unzweifelhaft auch materiell konstitutiert werden, und dennoch nie alleine die gesellschaftlichen Wirklichkeiten bestimmen, sondern stets in emergenten Verbindungen mit sozialen Verhältnissen und kulturellen Deutungen.

Gleichzeitig ist die Relevanz der Impulse aus der materialistischen Theoriedebatte unstrittig: Beispielsweise wären ohne diese Impulse Fragen von Körperlichkeit und Affekt (bspw. Massaro und Williams, 2013; Schnurr und Strüver, 2016), Fragen der Konzeption von Natur (bspw. Bakker, 2010) und planetaren Grundlagen des Lebens (dazu bspw. Chakrabarty, 2022) oder die Materialität von medialer Bedeutungsproduktion (bspw. Wiertz und Schopper, 2019) kaum in angemessenen Maße ins Blickfeld der Sozial- und Kulturgeographie gerückt.

Damit stimmen wir letztlich mit Julia Verne überein: Die Wahl zwischen diskurstheoretischen und materialistischen Theorien sollte im Sinne eines konzeptionellen Pluralismus weniger als Entweder-oder gedacht werden, sondern zumindest in Bezug auf poststrukturalistische Perspektiven als eine gegenseitige Ergänzung, bei der die diskurstheoretischen Ansätze primär die Machteffekte der Konstitution spezifischer gesellschaftlicher Wirklichkeiten mit ihren „Verknüpfungen heterogener, bspw. symbolischer und materieller, Elemente“ (Glasze und Mattissek, 2021:11) in den Blick nehmen.

5.3 Diskurstheorien und normative Positionierung – eine Antwort auf die Beiträge von Jürgen Oßenbrügge und Mathew Hannah

An dieser Stelle leitet die Frage nach der Rolle von Materialität zu den von Jürgen Oßenbrügge und Matthew Hannah aufgeworfenen Fragen nach der normativen Positionierung über. Denn aus einer dezidiert an gesellschaftlichen Machtbeziehungen interessierten und scheinbare „Normalitäten“ hinterfragenden Perspektive ist gerade die Kritik an vermeintlichen Bestimmungen sozialer Wirklichkeiten durch natürlich gegebene außerdiskursive Materialitäten eine zentrale politische Intervention. Teil einer diskurstheoretischen Herangehensweise ist es aus unserer Sicht auch, die Machteffekte der Wahl bestimmter wissenschaftlicher Perspektiven offenzulegen (Mattissek und Reuber, 2021). Aus der Perspektive der Diskurstheorie ist entsprechend die Wahl einer bestimmten Theorie zur Untersuchung einer spezifischen Fragestellung immer auch eine Entscheidung dafür, bestimmte Aspekte zu problematisieren, sichtbar zu machen und zu hinterfragen – und andere auszublenden.

Entsprechend lautet unsere Antwort auf die von Jürgen Oßenbrügge in diesem Rezensionsforum aufgeworfene Frage „Aber welche Wahrheitsbegriffe legen wir denn zu Grunde, wenn wir über Emanzipation, Transformation, Ungerechtigkeit und Ähnliches sprechen?“: Diese Entscheidung müssen wir jedes Mal neu begründen. Eine diskurstheoretische Perspektive, die die Vorstellung außerdiskursiv gegebener Wahrheiten und Determinierungen problematisiert, sollte ja nicht quasi durch die Hintertür wieder vermeintlich allgemeingültige Letztwahrheiten einführen. In poststrukturalistisch orientierten, diskurstheoretischen Arbeiten müssen damit die Auswahl von Fragestellungen, die Art von deren Bearbeitung sowie die normative Interpretation der Ergebnisse immer argumentativ gerechtfertigt werden.

Wichtig erscheint uns an dieser Stelle eine Unterscheidung zwischen zwei Aspekten, die zwar miteinander verknüpft sind, aber doch einer zumindest analytischen Trennung bedürfen: Erstens der an Debatten rund um Postfaktizität anschließenden Frage nach der Bewertung des vermeintlichen „Wahrheitsgehalts“ von Forschungsergebnissen, zweitens die normative Auswahl und Bewertung von Fragestellungen und die Ableitung von politischen Schlüssen, die aus diesen Ergebnissen gezogen werden sollten.

Der Aspekt des „Wahrheitsgehalts“ von Forschung wirft in erste Linie die Frage nach den Regeln der Wissensproduktion innerhalb und außerhalb von Wissenschaft auf. Die daraus resultierenden Praxen der Reflexion und Offenlegung von blinden Flecken sind in den Sozial- und Kulturwissenschaften inzwischen – gerade auch im Zuge der Etablierung poststrukturalistischer Ansätze – etabliert und schließen Fragen der Positionalität und Kontextabhängigkeit der Forschenden ebenso ein wie die Offenlegung von Strategien der Datengenerierung und -analyse (Howarth et al., 2016). Gleichzeitig – und für die Debatte um Postfaktizität zentral – lassen sich diese Überlegungen auch auf naturwissenschaftliche Forschungen übertragen. Dies ermöglicht es einerseits, im Sinne der wissenschaftssoziologischen Arbeiten von Bruno Latour, auch Aussagen in den Naturwissenschaften als sozio-technische, hergestellte Aussagen zu verstehen und in diesem Sinne vermeintliche Ansprüche auf absolute Wahrheit und Universalität zu kritisieren. Gleichzeitig ermöglicht diese Perspektive aber auch, unterschiedliche Wege der Herstellung von Aussagen zu differenzieren. So lassen sich bspw. eine Veröffentlichung des IPCC, die auf Tausenden wissenschaftlichen Einzelstudien mit jeweils nachvollziehbaren, langjährig etablierten und immer wieder öffentlich zur Diskussion gestellten Mechanismen der Erkenntnisgenerierung beruht, von Aussagen unterscheiden, die ohne vergleichbare Regeln der Herstellung publiziert wurden (ähnlich argumentieren wir auch in unserem Vorwort Glasze und Mattissek, 2021). Damit geht – ganz im Sinne des Beitrags von Julia Verne – eine explizite Anerkennung der Rolle von Materialität in der Wissenschaft einher, die anerkennt, dass bestimmte Formen des Wissens, etwa über physikalische oder chemische Prozesse in Atmosphäre und Böden, notwendigerweise der Zusammenarbeit von (materiellen) Meßinstrumenten und -anordnungen mit menschlichen Interpretationen und Entscheidungen bedürfen. Zentral ist gleichzeitig, dass diese Generierung von Daten gepaart wird mit einer Reflexion darüber, dass auch das Eintreten für bestimmte wissenschaftliche Theorien und Methoden immer eine machtvolle Intervention in ein diskursives Feld darstellt (Mattissek und Reuber, 2021).

Die zweite Frage nach der Wahl und Bewertung von Fragestellungen und Forschungsergebnissen adressiert weniger die Frage nach Wahrheit, sondern mehr die Frage der wünschenswerten und nicht-wünschenswerten Wirkungen und Rollen von Wissenschaft. Aus der Perspektive der Diskurstheorie sind Ansprüche wie Emanzipation, Menschenrechte oder Gerechtigkeit dabei nicht außerdiskursiv gegeben, sondern immer begründungsbedürftig und diskurs-immanent. Das heißt aber keinesfalls, wie auch Matt Hannah schreibt, dass Forscher*innen nicht notwendig darauf angewiesen wären, Fundamente zu setzen und als temporär fixiert anzunehmen. Es heißt aber sehr wohl, dass normative Entscheidungen etwa dafür, spezifische soziale Ungleichheiten und Marginalisierungen zu thematisieren und problematisieren, einer Offenlegung der eigenen Positionalität bedürfen. Der Intervention von Jürgen Oßenbrügge stimmen wir dabei insofern zu, als dass diskurstheoretisch orientierte Arbeiten diese Fundierungen vielfach expliziter herausarbeiten und klären sollten.

Das ist sicherlich keine einfache Aufgabe, v. a. in Situationen, in denen andere Diskursteilnehmer*innen sich für ihre eigenen Positionen auf vermeintlich universelle Wahrheiten und Werte beziehen. Es ist aber gleichzeitig unumgänglich, wenn wir postulierte Wahrheiten immer wieder hinterfragen und deren Verknüpfung mit Machtverhältnissen herausarbeiten sowie Auseinandersetzungen um die normativen Grundlagen des Zusammenhaltens offenhalten wollen.

Haftungsausschluss

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Im Gegensatz zur NKG scheint mir der Begriff new cultural geography in der anglophonen Geographie bereits historisiert, d. h. als eine bestimmte Episode innerhalb der Theoriegeschichte der Geographie rezipiert. Es erschiene sonderbar, würde sich jemand in der anglophonen Geographie heute noch als new cultural geographer bezeichnen.