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Wissenschaftliche Episteme und Geltung. Von der Konstruktion zum Dialog
The long triumph of constructivism, particularly visible works such as Kuhn's writing on the structure of scientific revolutions, and many other scientific studies have made one thing clear: Reason alone does not decide on scientific topics, theories, and methods. Instead, very different factors, often considered illegitimate, help determine the course of science. These findings make scientific enlightenment gestures recurrently appear as sheer mockery, undermine the validity claims of scientific statements, open up possibilities for a strong politicisation of science and block any retrograde way out. Those who are nevertheless convinced of the importance of scientific autonomy, who defend a special validity of scientific knowledge and who accept the scientific duty of responsiveness, should acknowledge the decision-making challenges in science and, as the article recommends, engage in theory-theoretical dialogues.
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„Reason explains, but like and dislike command.“ (Maturana, 1980:23)
Dass innerhalb der Wissenschaft1 fortwährend über Themen, Theorien und Methoden entschieden wird und somit auch Aussagen mit wissenschaftlichen Geltungsansprüchen von Entscheidungen abhängen, ist eine Binsenweisheit, die spätestens mit dem Siegeszug konstruktivistischer Epistemologien zum akzeptierten Konstituens wissenschaftlichen Arbeitens wurde. Doch das Offensichtliche wird immer wieder zu einem Mysterium: Schon allein aus Zeitgründen können nicht alle Entscheidungen beim wissenschaftlichen Arbeiten, so sie uns überhaupt bewusst sind, in allen Details an- und ausgesprochen werden. Überdies genießen bestimmte Entscheidungen Latenzschutz. Sie können gewusst werden, sollten aus Struktursicherungsgründen aber besser nicht ausgesprochen werden (vgl. Luhmann, 1984:459).
Doch was ausgesprochen werden kann und was besser nicht, unterliegt einem Wandel. Die vielen Wissenschaftsstudien, die immer wieder aus Neue auf zweifelhafte epistemische Verstrickungen aufmerksam machen, die jüngeren Demokratisierungsschübe und Pluralisierungsbegehren in der Wissenschaft sowie die artikulierten Ansprüche an eine verantwortungsvolle Wissenschaft zeigen in aller Deutlichkeit, dass bestimmte Entscheidungen und Entscheidungsprämissen zur Diskussion stehen (z. B. Dickel und Böhmer, 2021; Maasen et al., 2012). Und immer wenn die vielen Kontingenzen, Probleme und Schattenseiten beim wissenschaftlichen Entscheiden zur Sprache gebracht werden, steigt die Zahl der ins Bewusstsein tretenden Entscheidungen. Zu homogene Panels auf Konferenzen gelten dann zum Beispiel nicht mehr als hinzunehmender zufälliger Nebenwiderspruch des wissenschaftlichen Arbeitens, sondern werden als ein Ergebnis schlechten Entscheidens gewertet. Im Ergebnis lassen die Enthüllungen von impliziten Entscheidungen, die Forderungen nach Begründungen für Entscheidungen und die Hinweise auf das bei Entscheidungen noch zu Bedenkende wissenschaftliches Entscheiden riskant werden, ohne dass klar zu erkennen wäre, nach welchen Regeln und Kriterien in der Wissenschaft legitim zu entscheiden ist.
Diese skizzierte multikausale Steigerung von Entscheidungslasten und die damit einhergehenden Probleme motivieren den Beitrag, diese Entwicklungen im ersten Schritt zu erfassen, um sich der Herausforderungen gewahr zu werden (Kapitel 1). Anschließend soll vor allem die epistemische Dimension der Herausforderungen möglichst ursächlich begriffen werden (Kapitel 2), um im dritten Kapitel die Idee theorietheoretischer Dialoge als kleinen Ausweg zumindest für Theorieentscheidungsprobleme skizzieren zu können. Die Tauchgänge zur German Theory (Korf et al., 2022) bieten einen aus mehreren Gründen guten Rahmen für dieses Anliegen. Indem sie selbst als Zeichen für die Kontingenzen beim wissenschaftlichen Entscheiden zu werten sind und mit ihnen hadern, waren sie zumindest für mich ein willkommener Anlass, um über Entscheidungen in der Wissenschaft systematisch nachzudenken. Dies auch deshalb, weil frühere Erkundigungen bei Kolleg:innen nach den individuell verwendeten Entscheidungsprämissen meist ausweichend beantwortet wurden. Weil die Tauchgänge überdies zur Provinzialisierung auffordern, bieten sie auch einen normativen Rahmen, um systemtheoretische, kybernetische oder theorietheoretische Argumente aus der deutsch-österreichischen Provinz in die Diskussion einzuführen. Allerdings, ohne French Theory geht es nicht! Am Ende braucht es wenigstens einen Bisou von Jullien (2019), um die Einladung zum theorietheoretischen Dialog epistemologisch-pragmatisch zu begründen.
Der Ausgangspunkt dieser Erkundungen ist also die Entscheidungsabhängigkeit wissenschaftlichen Wissens, wie sie nicht bloß in den Tauchgängen und vergleichbaren Wissenschaftsreflexionen deutlich wird (z. B. Müller und Schmieder, 2016; Stichweh, 1984). Auch Lobreden und Nachrufe, das heißt personalisierte bis heroisierende Kompositionen vorausgegangener Entscheidungen (vgl. Hamann, 2016), wissenschaftliche Jurys, die über Aussprachen explizit auf Entscheidungen hinauslaufen (vgl. Lamont, 2009), oder Forschungsstanddarstellungen, die angesichts der Literaturfülle als Dokumentation von Lektüreentscheidungen gelesen werden können, zeigen die Omnipräsenz von Entscheidungen in der Wissenschaft an. Und spätestens mit Blick auf den wissenschaftlichen Klatsch, bei dem ausdrücklich, spitzzüngig oder gar derb über das wissenschaftliche Feld und sein Personal gesprochen wird sowie en passant Freund- und Komplizenschaften gepflegt und Außenseiter-Etablierte-Verhältnisse gestaltet werden (vgl. Elias und Scotson, 2002 [1965]:166ff.; Wardenga und Weichhart, 2012:298), wird offensichtlich, dass nicht alle Entscheidungen in der Wissenschaft uneingeschränkte Legitimität genießen.
Zweifellos variieren die Qualitäten der jetzt in den Blick genommenen Entscheidungen enorm. Es kann um Entscheidungen über Aussagen mit einem wissenschaftlichen Geltungsanspruch bis hin zu Zuteilungsentscheidungen von Ressourcen wie etwa Aufmerksamkeit oder Finanzmitteln gehen. Zudem können die Entscheidungen explizit sein und sich als klare Entscheidung zwischen Alternativen präsentieren, doch auch weniger bewusste Entscheidungen mit unbeabsichtigten Nebenfolgen sollen hier gemeint sein. Das gesamte Spektrum von Entscheidungen im Blick zu behalten ist auch deshalb wichtig, weil sich wissenschaftliche Aussagen zwar gerne als alternativlos präsentieren, aber schon allein deshalb entscheidungsabhängig sein sollten, weil wissenschaftliches Arbeiten zu bereits entschiedenen Sachverhalten reichlich trivial wäre (vgl. von Foerster et al., 1997).
Nun ist es keine theoretische Innovation, Entscheidungen im Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Wissensproduktion zentral zu stellen. Spätestens seit Kuhns Arbeit zur Struktur wissenschaftlicher Revolutionen (1996 [1962]) ist bekannt, dass Wissenschaft nicht als teleologische Annäherung an Wahrheit verstanden werden sollte. Vielmehr konfigurieren ex- und implizite Entscheidungen innerhalb wissenschaftlicher Gemeinschaften die epistemischen Werte, die für das jeweilige Paradigma gelten. Zugleich ist Kuhns Argumentation nicht als vollkommene Absage an Fortschrittsideen zu verstehen. Möchte sich eine Theorie durchsetzen, so Kuhns Argumentation, muss sie die Problemlösungskapazitäten der vorherigen Theorien reproduzieren und einen zusätzlichen Mehrwert bieten. So wird Fortschritt möglich, weil jedes Paradigma mittels seiner Unterscheidungen die Möglichkeiten der „articulation and specification“ erhöht und damit die Problemlösungskapazität der Wissenschaft steigert (Kuhn, 1996 [1962]:172; Hoyningen-Huene und Lohse, 2012:81).
Daher besiegelten wissenschaftskritische Studien in der Vergangenheit keineswegs das Ende der Wissenschaft, beförderten aber eine Binnendifferenzierung der Wissenschaft. Im Ergebnis wurde es möglich, Wissenschaft sowohl im progressiven Wissens- und Kapazitätserweiterungsmodus zu betreiben als auch wissenschaftskritisch auf die Kontingenzen wissenschaftlichen Entscheidens aufmerksam zu machen. Das beinhaltet, dass sich die Wissenschaftsreflexion im Dekonstruktions- oder Beobachtungsmodus längst als eigene Disziplin ausdifferenziert hat und eine eigene Fortschrittsnarration mit Hoffnungen auf eine bessere Welt präsentiert. Weil diese bessere Welt aber auf sich warten lässt, erfuhr die epistemische Lage samt weitgehend gebilligter Arbeitsteilung zuletzt eine politische Dimensionierung. Mit mehr Verve als zuvor zeigen die einschlägigen Studien zum Beispiel, dass Macht (z. B. Egner und Uhlenwinkel, 2021) und Diskriminierungen (z. B. Heintz et al., 2004) in all ihren Spielarten bedeutsam sind, dass kognitive Limitationen oder psychische Dispositionen der involvierten Personen Einfluss haben (Kruger und Dunning, 1999), dass gesellschaftliche Erwartungen und Steuerungsprinzipien das Wissenschaftssystem zu manipulieren beginnen (Münch, 2007, 2009), dass dynamische Ideengeschichten (Müller und Schmieder, 2016) zu leiblich spürbaren Ausschlüssen führen (z. B. Hasse, 2017) und dass Vakanzketten in den Organisationen der Wissenschaft, Generationenfolgen in den Disziplinen und Netzwerkdynamiken in allen Konstellationen Einfluss auf die Themen-, Theorie- und Methodenwahl haben (z. B. Steinbrink und Aufenvenne, 2017). Von tiefergehenden epistemischen Problemen, also von Fragen der Theoriearchitekturen, Erkenntnismöglichkeiten oder disziplinären Verfasstheiten, ist da noch gar nicht die Rede gewesen (vgl. Grizelj und Jahraus, 2011). Und offengeblieben ist auch, welche Folgen die vernetzten Computer als Medien und Maschinen (Esposito, 1993), künstliche Intelligenzen und die Algorithmen der sozialen Medien für wissenschaftliches Entscheiden haben.
Die genauen Effekte all dieser Erkenntnisse sind nicht leicht zu erfassen. Zunächst wird man festhalten können, dass im wissenschaftlichen Normalbetrieb der Gegenwart ohne größere Risiken über die nicht-wissenschaftlichen Schattenseiten bei der Themen-, Theorien, Methoden- und Personenwahl gesprochen werden kann. Dies gilt ungeachtet der Beobachtung, dass manche Kritik noch immer lieber von der Seite eingespielt als frontal geäußert wird. Beispiele hierfür sind Arbeiten zu elitären Reproduktionszirkeln in der Soziologie aus dem Ruhestand (Münch, 2007, 2009) oder ein über die angelsächsische Bande eingespielter, bildungssprachlich-metaphorisch gerahmter und mittels Frageform rhetorisch abgemilderter Modeanfälligkeitsvorwurf an die deutschsprachige Humangeographie, die, und jetzt die Kritik, deutschsprachige Denker:innen vermutlich auch deshalb so selten beachten, „weil diese in der anglophonen Geographie nicht so sehr en vogue sind“ (Korf et al., 2022:85). Doch diese Normalisierung von Kritik produziert zugleich die Bedingungen ihres Verfalls. Progression kann bekanntlich nur entzaubert werden, wenn sie behauptet wird. Doch wer will schon immer entzaubert und dabei als gestrig-naiv porträtiert werden? Allzu simple Progressionspositionen wurden folglich aufgegeben. Daraus folgte allerdings nicht, dass die Kritik verstummt. Vielmehr wurde die Kritik vor dem Hintergrund eines historisch geschärften Problembewusstseins um die Schattenseiten wissenschaftlichen Arbeitens und angesichts gestiegener Sensibilitäten für Diskriminierungen aller Art politischer.
Und weil es anscheinend nicht genügt, über die Vernachlässigung bestimmter Themen zu lamentieren, über die Grenzen zwischen Wissenschaft, Free Speech und Hate Speech zu diskutieren (Revers und Traunmüller, 2020), gegen moralisierende Exklusionen Unbehagen zu äußern (Redepenning, 2007; Korf, 2022) oder überhaupt auf mangelnde Gleichheit und ungerechtfertigte Exklusionen lediglich hinzuweisen, münden die Argumentationen zunehmend deutlicher in politische Forderungen: Gegen opake Nobelpreisentscheidungen soll beispielsweise mehr Transparenz helfen, die Hegemonie in den selbstproduzierten Zentren der Wissenschaft soll mit Provinzialisierungsstrategien geschwächt werden, gegen Schiebung bei Berufungsverfahren sollen Berichterstatter:innen wirken, gegen Gender-Diskriminierungen soll die Beachtung des akademischen Alters helfen, diverse und rotierende Boards sollen einseitige Selektionen in Zeitschriften lindern, Interessenskonflikte sollen mit Offenlegungspflichten sichtbar werden, Ethikkommissionen sollen über gute wissenschaftliche Praxis wachen und Diskussionen, um die Beispielliste zu schließen, sollen dialogischer werden. Die eine oder andere konkrete Forderung wird dabei in der Medienöffentlichkeit als überzogen oder skurril bewertet (z. B. Thiel, 2021), doch in ihrem normativen Kern sind die allgemeinen Forderungen nach mehr Gleichheit und Inklusion kaum zu kritisieren (Jacoby, 2022). Damit ähneln die Entwicklungen im wissenschaftlichen Feld rhetorisch, normativ und praktisch Entwicklungen und Dynamiken in anderen sozialen Feldern oder Systemen, die ebenfalls Demokratisierungsprozesse im weitesten Sinn erfahren. Wie folgenreich das im Detail ist, ob also zum Beispiel Ungleichheiten abgebaut oder einst als unwissenschaftlich klassifizierte Themen inkludiert werden, kann dann Gegenstand der fortgesetzten (wissenschaftlichen) Diskussionen werden.
Bei den Forderungen nach mehr Gleichheit und Inklusion bleibt indes oft unbedacht, was Wissenschaft im positiven Sinn ist oder sein soll. Unterscheidet sich eine durchdemokratisierte Wissenschaft epistemisch von anderen sozialen Praktiken? Was heißt wissenschaftlich arbeiten und entscheiden, wenn die jetzt umgesetzten Politiken für mehr Diversität gesorgt haben, wenn Positionen an der Spitze von Hierarchien nicht mehr zur Akkumulation von Macht und Prestige zu Lasten der Untergeordneten führen oder wenn Wissenschaft keine gesellschaftliche Unterdrückung mehr reproduziert? Nun sagt, möchte man mit Gretchen fragen, wie habt ihr's mit der Wissenschaft? Glaubt ihr daran?
Die Gretchenfrage nach der Besonderheit wissenschaftlichen Arbeitens ist aus mindestens drei Gründen wichtig. Sie ist erstens wichtig, weil die politischen Debatten in der Wissenschaft darüber nicht immer Auskunft geben respektive sich eher gegen bestimmte Strukturen richten (z. B. gegen Rassismus, Kolonialismus, Faschismus etc.). Dabei bleiben explizite Instruktionen für wissenschaftliches Arbeiten respektive für ein Arbeiten, das sich von anderen sozialen Formen unterscheidet, aus. Sie ist zweitens wichtig, weil zu klären wäre, nach welchen Kriterien angesichts knapper Ressourcen in der Forschung und Lehre Lese- und Forschungszeit zu verteilen, Finanzmittel zu vergeben oder Anerkennung zu zollen sind. Und die Frage ist drittens wichtig, weil die thematisierte Politisierung der Wissenschaft in Form gesteigerter Demokratisierungsanforderungen nicht allein einem Zeitgeist geschuldet ist und daher zurückgewiesen werden könnte. Vielmehr ist anzuerkennen, dass die beobachtbare Politisierung der Wissenschaft auch ein Resultat von fundamentalen erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Verschiebungen ist. Grob gesprochen verloren bei diesen Verschiebungen Positionen eines erkenntnistheoretischen Realismus an Überzeugungskraft, während konstruktivistische Epistemologien an Gewicht gewannen. Besonders sichtbare Kulminationspunkte dieser Verschiebungen sind die sich gegenseitig vervollständigenden Bücher After Theory (Eagleton, 2004) und After Method (Law, 2004). Politisierter als vorangegangene Beiträge zeigen sie, dass die Theorie- und Methodenprogramme der Wissenschaft interne Konstruktionen des Wissenschaftssystems zur Welterfassung (Theorien) und Welterschließung (Methoden) sind. Das ist nicht neu (vgl. dazu schon: Mitterer, 1992). Doch mit ihrem Titelwort „After“ versperren sie radikaler als frühere vergleichbare Werke (z. B. Luhmann, 1990) den Weg zurück zu klassischen Wissenschaftskriterien, anhand derer man leichter entscheiden konnte. Wer heute noch die normative Struktur der Wissenschaft auf Werten wie Kommunismus, Universalismus, Uneigennützigkeit und organisiertem Skeptizismus aufbauen möchte (die CUDOS-Prinzipien von Merton, 1942), wird schnell als naiv bewertet. Und wer Theoriekriterien wie Widerspruchsfreiheit, Einfachheit, Konsistenz, Verträglichkeit mit anderen Theorien, Viabilität, Prognosefähigkeit, Fruchtbarkeit, Leitdifferenz, Nützlichkeit, Kritisierbarkeit etc. anführt, handelt sich aus guten Gründen den Vorwurf ein, genau jene Vergleichskriterien zu propagieren, die der eigenen Position besonders schmeicheln.
Wie ist nun zu entscheiden, wenn Wahrheit nicht schon selbst „richtig“ sein kann (Luhmann, 1990:198), Haltepunkte schwinden und Rückzüge versperrt sind? Nach welchen Kriterien sind etwa wissenschaftliche Manuskripte zu begutachten, Förderanträge zu bewilligen und Karrieren zu stützen? Ob diese und ähnliche Fragen überhaupt auf ein Problem verweisen, liegt zu einem guten Teil im Auge der Betrachter:innen, und keinesfalls sollte die Autonomie der Wissenschaft pauschal als bedrohtes Gut dargestellt werden. Doch wenn die Antworten auf die Entscheidungsfragen stockend, ausweichend und inkonsistent sind, dann scheint meine Problematisierung des alltäglich gut funktionierenden Wissenschaftsbetriebes nicht vollkommen irrelevant zu sein. Entsprechend der Annahme, dass jede Problembearbeitungsstrategie nicht nur ein Problem bearbeitet, sondern eigene Probleme hervorbringt, soll es im Folgenden um ein tieferes Verständnis der Problemlage gehen.
„Das moderne Wissen muß sich Erklärungen gefallen lassen. Wie kommt es damit zurecht?“ (Luhmann, 1995:151)
„Ach, wissen Sie …“ (Maasen, 2009:88)
Dass die Produktion allen Wissens aus einem paradoxen Verhältnis von Selbst- und Fremdreferenz, Handeln und Erleben oder Volition und Cognition hervorgeht, steht trotz begrifflicher Variationen außer Frage: Wer etwas über die Welt sagen, also eine fremdreferenzielle Aussage treffen möchte, wird sie immer selbstreferenziell machen müssen. Und obgleich Wissen und Wissenschaft auf Erleben abstellen, wird eine Person handeln müssen, um zu Wissen zu gelangen, wird sie also Volition und Cognition zusammenbringen müssen (vgl. z. B. Günther, 1979; Maturana und Varela, 1987; Luhmann, 1995). Wissensproduktion erfordert daher immer auch ein „Paradoxiemanagement“ (Luhmann, 1995:173).
Eine bekannte Form des Paradoxiemanagements ist zum Beispiel die Ideologiekritik. Sie findet ihren Ausgangspunkt in der These, dass Ideologien konstitutiv für unsere Weltbezüge und Deutungshorizonte seien und fordert dazu auf, jene Umstände zu enthüllen und zu dechiffrieren, „die es der Herrschaft erlauben, sich durchzusetzen“ (Jaeggi, 2009:269). Zu erkennen ist ein Paradoxiemanagement, das das paradoxale Verhältnis von Selbst- und Fremdreferenz in den übergeordneten Begriff der Ideologie integriert und sich vorab auf die Enthüllung von Herrschaftsverhältnissen festlegt respektive Herrschaftsverhältnisse immer schon unterstellt. Diese Festlegung führt zu der bekannten Unfähigkeit der Ideologiekritik, die selbst postulierte Notwendigkeit der Kritik zu kritisieren (Esposito, 2011:139).
Damit wird die Ideologiekritik keinesfalls obsolet, aber die zentrale Herausforderung eines Paradoxiemanagements tritt deutlich hervor: Es muss darum gehen, Unterscheidungen vorzuschlagen, die sich nicht selbst blockieren (Luhmann, 1995:173). Der diesbezügliche systemtheoretische Vorschlag, um ein anderes Beispiel zu sichten, lautet, die Disjunktion von Volition und Cognition „durch eine Orientierung an dem übergeordneten Begriff der Beobachtung“ zu überwinden (Schützeichel, 2007:260). Dabei hält sich die Systemtheorie an die Beobachtungen und Beobachtungsschemata der Systeme selbst und beobachtet sie auf ihre Unterscheidungsformen hin. Durch diesen „Realitätsbezug der Erkenntnis“ (Luhmann, 1984:245) lässt sie sich von der erwähnten Paradoxie nicht blockieren, handelt sich aber den Vorwurf ein, sich in (affirmativen) Beobachtungen von Beobachtungen zu verlieren.
Gleichwohl die Ideologiekritik eng mit der Kritischen Theorie und die Beobachtungstheorie eng mit der Systemtheorie verbunden ist, gilt in beiden Fällen, dass zwischen Theorie und Methode getrennt wird und somit auch andere Kombinationen möglich sind. Diese grundsätzliche Unterscheidung ermöglicht es, Theorie und Methodenprogramme unter letztlich „willkürlichen und vorläufigen Limitierungen in Operation“ zu setzen, „da jede Limitation von der anderen Seite der Unterscheidung her infrage gestellt und gegebenenfalls ausgewechselt werden kann. Limitationen ohne Limitation also!“ (Luhmann, 1990:403). Eine Theorie, die nicht mit einer Methode gestützt werden kann, ist wissenschaftlich ebenso wertlos wie eine Methode, die zu keiner Abstraktion führt.
So praktisch dieses Verhältnis von Theorie und Methode auch sein mag, durchschaut wird es schon lange. Und so haben die Diskussionen um die Beobachtungs- oder Ideologieabhängigkeit allen Wissens zu einer umfassenden Relativierung der Wahrheitskategorie geführt. Die wissenschaftlichen Entscheidungsprobleme der Gegenwart sind daher auch das Ergebnis einer dynamischen erkenntnistheoretischen Doppelbewegung zuungunsten eines erkenntnistheoretischen Realismus. Zumindest gelten repräsentationalistische und positivistische Wissensbegriffe, die eine Meinung oder Überzeugung als Wissen bezeichnen, „wenn sie mit einem Sachverhalt oder Zustand in der Welt übereinstimmt“, als ausgesprochen naiv (Schützeichel, 2007:258; vgl. auch Luhmann, 1995:155f.) – Positivist „becomes a swear-word, by which nobody is swearing“ (Williams, 2015:182).
Im Gegenzug gewannen konstruktivistische Positionen an Geltung. Sie reichen in ihrer expliziten Form wenigstens bis ins Jahr 1710 zu Giambattista Vico zurück (von Glasersfeld, 1995:35ff.) und finden seit dem frühen 20. Jahrhundert vermehrt in den Sozialwissenschaften Beachtung. Ein Beispiel ist das Thomas-Theorem: „If men define situations as real, they are real in their consequences“ (Thomas und Thomas, 1928:572). In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts werden sie ausformuliert. Zu erinnern ist an Bergers und Luckmanns Schrift zur gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit (1969), an Maturanas und Varelas Baum der Erkenntnis (1987) oder an Heinz von Foersters Sentenz, dass die Umwelt keine Informationen enthalte, sondern so ist, wie sie ist (2003 [1970]:189). Die genannten Positionen gehen grosso modo weiterhin von einer existierenden Welt außerhalb unserer selbst und der Möglichkeit ihrer Aufschlüsselung aus, doch das Kriterium einer beobachtungsunabhängigen Objektivität oder Wahrheit ist nach ihren Interventionen nur noch wider besseres Wissens vertretbar. Frei von Gegenworten sind die Interventionen nicht. So gibt es Kritik an den vorgeblich anheischigen Gedankenspielen konstruktivistischer Philosoph:innen, die nicht mehr als nette Übungsstücke für Student:innen der Philosophie seien (Gerhardt, 2005:773). Und Boghossian (2013) macht eine „Angst vor der Wahrheit“ aus. Auch arbeiten viele Wissenschaftler:innen weiterhin in einem wenigstens schwachen repräsentationalen Modus.
Die epistemischen Verschiebungen haben den Druck auf die wissenschaftliche Wissensproduktion und die Geltung wissenschaftlichen Wissens erhöht. Dies gilt umso mehr, da andere Wissensproduzent:innen an Bedeutung gewinnen. In Forschungsabteilungen von Unternehmen, in politischen Think-Tanks und anderen NGOs sowie an vielen weiteren Orten wird zudem Wissen produziert, das leichter genutzt werden kann. Doch die Wissenschaft kann Nützlichkeitskriterien nicht bedingungslos folgen, weil sie dann einen Teil ihrer Identität preisgäbe. Wissenschaft erschöpft sich für gewöhnlich nicht in der wahrheitsförmigen Betrachtung von Gegenständen, sondern macht, so zumindest eine wichtige Erwartung, „das konventionell Selbstverständliche zum Problem“ (Weber, 1985 [1917]:502). Die Gegenstände der Wissenschaft sind daher immer auch nach disziplinären Gesichtspunkten aufgelöste und somit verfremdete Gegenstände. Damit steht die Wissenschaft vor einem doppelten Anspruch: Sie will und muss Aussagen mit besonderen Wahrheitsansprüchen formulieren und dies wenigstens in Teilen durch eine verfremdende wissenschaftliche Brille. Vor dem Hintergrund eines relativierten Wahrheitscodes, anderer Wissensproduzent:innen und sich wandelnder gesellschaftlicher Erwartungen ist daher zu fragen, wie in der Wissenschaft noch über Themen, Theorien, Methoden und Karrieren entschieden werden kann.
Auf der Suche nach empirischen Antworten in der humangeographischen Wissenschaftspraxis ist zunächst ein Befriedungsmodus als konkrete Form des zwingend notwendigen Paradoxiemanagements zu erkennen. Plädiert wird dafür, tausend Blumen blühen zu lassen (Philo, 2000:44), die geographische „Multiperspektivität ausdrücklich als Vorzug und Stärke des Faches“ zu sehen sowie theoretische Mehrsprachigkeit und Offenheit gegenüber „allen anderen Richtungen“ zu praktizieren (Weichhart, 2008:398). Etwaige Kritik an einer „viele bunte Blüten-Haltung“ wird als „typisch modernistisch“ diskreditiert (Oßenbrügge, 2014:31). Diese Forderung nach mehr Vielfalt hat tatsächlich zu einer Befriedung innerwissenschaftlicher Konflikte beigetragen. Statt Geltungs- und Wahrheitsansprüche von Theorien in der ästhetischen Form des Kampfes um die Sprecher:innenposition auszutragen, sei man zu einer Kulturalisierungspraxis von Sprecher:innenpositionen übergegangen (Nassehi, 2006:65). Frei von Kritik ist diese Praxis nicht. Korfs Kritik an den „Schonstellungen“ oder „diffusen Theorieverschleifungen“ einer kritisch gestimmten Geographie (2022:21) hat vielleicht auch etwas damit zu tun, dass im Befriedungsmodus die Lust am konstruktiv-korrigierenden und lebendigen Streit abhandenkam. Wie in einem Zoo, so heißt es bei Nassehi (2006:65), würden die Theorien ausgestellt und betrachtet. Doch trotz Demonstration ordentlicher Beißwerkzeuge blieben sie in ihren Gehegen völlig ungefährlich. Der weiteren Öffentlichkeit ist das nicht entgangen. Zumindest Kaube (2010:28) bemerkt zum Rückzug des Streites aus der Wissenschaft süffisant, dass Schulen früher Recht haben wollten und Paradigmen heute ihre Ruhe haben wollen.
Die zweite klassische Form soll als Konfliktmodus bezeichnet werden. Gefolgt wird einer Gestaltungsnorm, die einen proaktiven Umgang mit der Erkenntnis der kontingenten Selbstkonstruktion von Theorien pflegt: Wenn jede Position bedingt und als ein „travelling discourse“ zu verstehen ist (Gregory, 1994:12; vgl. dazu auch Haraway, 1988), dann soll – so ist speziell in der anglophonen und im weiten Feld der Kritischen Geographie zu erkennen – möglichst nach den eigenen normativen Spielregeln gespielt werden. Heteronormativität wird dann zum Beispiel als zu entlarvendes Übel betrachtet und entsprechend thematisiert, emanzipativen Bewegungen ist der Rücken zu stärken etc. Die Haltung wird politisch, die Themen werden auswechselbar und man gerät in Konflikt mit anderen Normen. Ob Einzelne dem Diskurs wirklich entkommen und ihn nach eigenen Regeln gestalten können, wird in der Regel nur selten thematisiert oder gar reflektiert (z. B. Rose, 1997; Blomley, 2006).
Beide Modi warten mit Vorteilen auf, gebaren aber schon immer eigene Probleme. Folgt man dem Befriedungsmodus, so besteht unter anderem die Chance, überhitzte Gemüter normativ abzukühlen und für mehr kognitive Diversität zu sorgen, die ihrerseits das Potential für robustere Erkenntnisse hat (vgl. Page, 2007). Doch bei der Wahl von Theorien, Methoden und Themen droht wissenschaftliche oder disziplinäre Beliebigkeit. Nicht zufällig werden dann Theorie-Methoden-Kombinationen gewählt, bei denen die Last der Begriffsbildung an die zu erforschende Praxis delegiert wird oder den Akteur:innen zu folgen ist (vgl. Marcus, 1995; Cook et al., 2004; Latour, 1999; für eine pointierte Kritik dieser Strategie vgl. Elam, 1999). Im Effekt ist Desintegration zu beobachten, weil kaum mehr für eine Theorie argumentiert wird, indem man eine andere Theorie angreift, herausfordert und sie so integriert (vgl. Nassehi, 2012). Der Konfliktmodus mit seiner Gestaltungsnorm hat das Potenzial zur Veränderung der Praxis, weil er sich nicht auf wissenschaftliche Spitzfindigkeiten versteift. Doch politische Konfrontationen sind nicht mehr zwingend wahrheitsförmige Konfrontationen.
Es verwundert folglich nicht, dass weder der Befriedungs- noch der Kritikmodus einen historischen Endpunkt markieren. In welche genauen Formen ein aktualisiertes Paradoxiemanagement in der Humangeographie mündet, ist nicht vorherzusagen. Gegenwärtig fällt nur auf, dass der Befriedungsmodus über sein Vielfaltsgebot in einen Diversitymodus aufzugehen und Elemente des Konfliktmodus zu integrieren scheint. Schließlich ist anzuerkennen, dass Diversity nicht einfach gegeben, sondern in den Institutionen der Gesellschaft und damit auch in der Wissenschaft und Universitäten herzustellen und abzusichern ist. Beim Diversitymodus werden Demokratieideale mobilisiert und Haltungen gesucht, die möglichst nicht zu konfrontativen Konflikten führen, sondern ganz im Sinne einer Achtsamkeits- und Mediationskultur jede potenzielle Aggressivität zähmen sollen. Die neuerlichen Positionsbestimmungen zu Fragen der Verantwortung von Geographie und Geograph:innen sind als flankierende Überlegungen dieser Bewegungen zu deuten (Dickel und Böhmer, 2021).
Insgesamt fallen bei den jüngsten Suchbewegungen die vielfachen Überlagerungen von verschiedenen individuellen, disziplinären, organisationalen und funktionalen Logiken auf. Es ist keine zentrale Rationalität zu erkennen und so erinnern die Bewegungen an Campbells (1969) altes, aber zukunftsweisendes „Fish-Scale Model of Omniscience“. Ob das für die Geographie eine Chance der Wissensorganisation ist oder die Geographie als Universitätsfach bedroht, lässt sich ebenso wenig beantworten wie die Kollateralschäden in Form von exkludierten Themen, Theorien, Methoden und Personen kaum bestimmt werden können. Für den Moment festgehalten werden kann, dass die Geographie sowohl mit dem Befriedungs- und Konfliktmodus als auch mit den neueren Konzepten der Diversity durchaus erfolgreich war und ist, zumal sie über mehr als einen Zweck verfügt. Diese Zweckvielfalt ermöglicht es ihr, gegenüber ihren Umwelten Freiheitsgrade und Autonomie zu behaupten, ohne intern sonderlich auf Disziplin achten zu müssen. Blickt man vor diesem Hintergrund auf zwei aktuelle Beispiele aus der deutschsprachigen Humangeographie, so wird deutlich, wie sehr um Positionen und Haltungen gerungen wird und wie nachrangig die Idee von wissenschaftlicher Geltung geworden ist.
Im ersten Beispiel geht es unter anderem um eine zeitgemäße Interpretation des Kynismus. Mit Bezug auf Foucaults Vorlesungen am Collège de France bemerkt der Autor, dass Foucault nicht verrate, „wie ein heutiger Kynismus gelebt werden könnte“ (Korf, 2022:45). Um diese Lücke zu füllen, schlägt er „Techniken der Umständlichkeit und prozeduralen Phantasie“ vor, um „Raum für Nachdenklichkeit zu schaffen“, statt sich in eine „direkte diskursive Konfrontation“ mit seinem Stein des Anstoßes, in diesem Fall der Denkstimmung der Kritischen Geographie, zu begeben (Korf, 2022:37). Die genauere Argumentation ist feinteilig und muss hier nicht vertieft werden. Bedeutsam scheint mir erstens, dass sich der Autor mit seinem Plädoyer für Umständlichkeit dem von Wilhelm von Ockham formulierten wissenschaftlichen Bewertungskriterium der Sparsamkeit entzieht. Zweitens scheint er kaum mehr über die Welt respektive die Kritische Geographie sprechen zu wollen und sucht stattdessen ein stimmiges Verhältnis von sich zur Welt. Und drittens fällt auf, dass sich der Autor allen Bewertungen und Festlegungen zu entziehen versucht. Im Ergebnis entsteht ein intellektuell reizvoller Text mit interessanten therapeutischen Introspektionen und einem guten Maß an Weltfremdheit.
Sprecher:innenpositionen stehen auch beim zweiten Beispiel im Fokus – und dies gleicht doppelt. Zum einen als Explanandum – Gegenstand sind die Positionen bei einer Diskussionsveranstaltung anlässlich des Kongresses der Geographie in Kiel 2019 – und zum anderen als Explanans: Aus der Positionalität der beiden Diskutant:innen, namentlich Carolin Schurr und Peter Weichhart, wird auf die Möglichkeiten ihres Sprechens geschlossen respektive die Form des Dialoges zu verstehen versucht. Dieser „Dialog für die Zukunft“ (Hannah, 2020) fand sein gemeinsames Fundament in einer ebenso abstrakten wie unterkomplexen Wertbestimmung: Die Geographie, so Schurr und Weichhart, solle „zur Aufdeckung und Veränderung gesellschaftlicher Missstände“ beitragen (Hannah, 2020:320). Dass dieses normativ tadellose Konsensgebot auch exkludiert – was ist zum Beispiel mit den Arbeiten der Historischen Geographie? – stand bei der Diskussion anscheinend nicht zur Debatte. Die beiden Diskutant:innen, so die Beobachtung des Autors, seien angesichts ihres (unvermeidlichen) Nichtwissens bescheiden und neugierig auf die Bühne getreten (Hannah, 2020:321). Offensichtlich suchten sie nach angemessenen Positionen. Doch obwohl der Autor die Form des offenen Dialoges schätzt und bewirbt, entlässt er Schurr und Weichhart nicht ganz in die Freiheit. Standpunktepistemologisch, und jetzt wechselt das Genre von der freien Suche nach Positionen hin zu Erklärung von Sprechakten durch Positionen, attribuiert er Schurr die epistemisch privilegierte Position einer intersektional vielfach marginalisierten Person, die qua ihres Standpunkts disziplinäre Machtmechanismen klarer als Weichhart erkennen könne. Der ältere Weichhart hingegen habe aus einer Position gesprochen, die ihre eigenen Privilegien nicht unmittelbar erkennen könne respektive besondere Denkschleifen dafür benötige (Hannah, 2020:322). Interessanterweise deckt sich diese koordinative Positionierung der Sprecher:innen nicht vollständig mit ihren Aussagen. So sei Weichhart zum Beispiel überhaupt nicht überheblich aufgetreten, habe seine Nichtteilnahme in Kiel 1969 zugegeben und eine „genuine Offenheit und Neugier“ für Schurrs Perspektiven gezeigt (Hannah, 2020:322). Allerdings, und schon wird Weichhart standpunktepistemologisch wieder festgelegt, habe er auf der Bühne eine ältere Äußerung aktualisiert und die Geographie als Spielwiese mit vielen Steckenpferdchen beschrieben. Diese Metaphorik im Diminutiv deutet der Autor nicht nur als Trivialisierung und Geringschätzung von Vielfalt. Vielmehr untergrüben diese „respektlosen Formulierungen“ ziemlich klar und gegen seinen Willen die „respektvolle persönliche Teilnahme am Dialog“ (Hannah, 2020:323).
Ob man die Bewegungen von Korf goutiert oder die Analyse von Hannah teilt, soll hier keine Rolle spielen. Wichtig ist zu erkennen, dass um die Legitimität von Sprecher:innenrollen in der Wissenschaft gerungen, aber über wissenschaftsinterne Theoriebewertungskriterien geschwiegen wird. Diese Beobachtungen sind weder als ein frontales Argument gegen die Beiträge noch als Argument gegen Forderungen nach mehr Diversity zu deuten. Aber die Frage nach Entscheidungsregeln und dem Verhältnis von wissenschaftsfremden und wissenschaftseigenen Kriterien liegt erneut und ohne Antwort auf dem Tisch. Im folgenden Kapitel soll daher versucht werden, für Auseinandersetzungen um wissenschaftliche Bewertungskriterien zu werben, ohne auf letzte Gewissheiten zu hoffen.
„Ein Dialog ist ein Verlauf. Schritt für Schritt entdecken die beiden – durch einen Abstand voneinander getrennten – Positionen sich gegenseitig, die eine reflektiert sich in der anderen, allmählich erarbeiten sie die Bedingungen der Möglichkeit einer effektiven Begegnung.“ (Jullien, 2019:89)
Der Bedeutungsgewinn konstruktivistischer Positionen, die unabweisbare Kontingenz des wissenschaftlichen Wahrheitscodes, das Wissen um die Schattenseiten der Wissenschaft und die gestiegenen normativen Ansprüche an die Wissenschaft, zum Beispiel hinsichtlich demokratischer Gleichheits- und Inklusionsideale, haben die Bezugspunkte für wissenschaftliche Entscheidungen stark verändert. Alte Objektivitätsansprüche sind angesichts der Beobachtungsabhängigkeit allen Wissens längst zur lästigen Fußfalle der Wissenschaft geworden (von Foerster et al., 1997:130) und wer noch immer die eine Wahrheit für sich beansprucht, macht die jeweils anderen deutlicher als je zuvor zu Lügner:innen (von Foerster und Pörksen, 2011). Doch die Verabschiedung des Alten ist mitunter leichter als die Neubestimmung der Zukunft, zumal auch die vermeintlich guten Ideale ihre eigenen Abwertungen produzieren: Wer sich innerhalb der Wissenschaft dezidiert für Gleichheit oder Inklusion einsetzt und diese Normen als vernünftig betrachtet, wird kaum umhinkommen, die Verteidiger:innen anderer Normen wenigstens implizit als unvernünftige, gestrige oder engstirnige Normverletzer:innen zu betrachten. Sollten sich Wissenschaftler:innen jemals komfortabel auf die Absolutheit und vermeintliche Sicherheit von Wahrheit zurückgezogen und sich auf diesem Weg von ihrer Verantwortung für ihre kontingenten Beobachtungen entbunden haben, so gilt Tempi passati.
Die verstärkten Zuschreibungen von Entscheidungen und Entscheidungsverantwortungen auf individuelle Wissenschaftler:innen oder einzelne Organisationen der Wissenschaft stehen allerdings in einem auffälligen Missverhältnis zu jenen sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen, die auf die soziale Konditionierung oder Situiertheit von kognitiven Positionen hinweisen (z. B. Haraway, 1988; Page, 2007). Auch verkennen die Zuschreibungen von individueller Verantwortung oder die Aufforderungen zu bestimmten Praktiken wie etwa Nachdenklichkeit (Korf, 2022) bisweilen die dynamische Komplexität der sozialen Welt, wie sie in vielen Gesellschafts- und Sozialtheorien wiederholt herausgearbeitet wurde (vgl. dazu mit Blick auf die Wissenschaft: Luhmann, 1990; Latour, 1999). In diesem Sinne genügt es nicht, wenn einzelne Wissenschaftler:innen bestimmte Anforderungen erfüllen oder bestimmte Organisationen der Wissenschaft vorbildhaft entscheiden. Geboten sind explizite Offenlegungen und Begründungen von Entscheidungen, sodass inner- und außerhalb der Wissenschaft um die Legitimität dieser Entscheidungen gerungen werden kann. Denn nur wenn die Leistungen der Wissenschaft als legitim betrachtet werden, ist mit einer fortdauernden gesellschaftlichen Finanzierung derselben zu rechnen. Und nur wenn wissenschaftliches Entscheiden und Arbeiten besonderen Kriterien genügt, sind die Geltungsansprüche wissenschaftlichen Wissens durchzusetzen. Wer auf die Generierung von Legitimität verzichten möchte, muss vermutlich den hohen Preis in Form des Verlusts wissenschaftlicher Autonomie bezahlen.
Die konkrete Suche nach praktikablen, sinnvollen und legitimen Auswegen aus dieser Lage gleicht einem Umzug ins Offene und Unbekannte. Es kann gut sein, dass sich Herbert A. Simons Idee (1994 [1969]) durchsetzt, mit Algorithmen der Optimierung zu arbeiten, „die es erlauben, statt zwischen Wahrheit und Falschheit zwischen Zielerreichung und Abweichung zu unterscheiden“ (Baecker, 2020:91). Solche Leitwertverschiebungen von Wahrheit hin zu Zielerreichung und Optimierung sind derzeit vor allem in jenen Bereichen zu erkennen, bei denen ein enger Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis gepflegt wird. Interessanterweise betrifft das innerhalb der Geographie nicht allein die klassische Angewandte Geographie, sondern auch Teile einer Kritischen Geographie wie etwa die Debatten um Urban Gardening (Kumnig et al., 2017), Postwachstumstheorien (Lange et al., 2020) oder kritisches Kartieren (Dammann und Michel, 2022) zeigen. Der alte Zentralwert Wahrheit wird darin nicht ganz verabschiedet, doch ihm zur Seite werden Werte wie Aktivismus, Partizipation oder Kollektivität gestellt. Dass es bei diesen wissenschaftlichen und demokratischen Formaten zu fragwürdigen Komplizenschaften kommen kann, weil die eigenen Normen nicht mehr auf Lernbereitschaft abstellen und folglich wissenschaftliche Erkenntnis blockieren, wird zum Beispiel der Nachhaltigkeitsforschung zu Last gelegt. So kritisieren Blühdorn und Dannemann (2019:115), dass sich Teile der Nachhaltigkeitsforschung dagegen sperrten, ihre „Glaubenssätze etwa zum Verhältnis zwischen Emanzipation und Nachhaltigkeit, Demokratie und Nachhaltigkeit“ kritisch-reflexiv zu durchdenken.
Vor den skizzierten Hintergründen und den teils großen Legitimationsproblemen speziell mancher Sozial-, Geistes- und Kulturwissenschaften irritiert es wenigstens mich an dieser Stelle, dass die legitimatorischen Anstrengungen mehrheitlich auf die Außenverhältnisse der Wissenschaft abstellen, aber nur wenig Aufmerksamkeit den wissenschaftlichen Besonderheiten gewidmet wird. Diese empirische Lage und ihre epistemische Dimension motivieren mich mit Blick auf Theorieentscheidungen nach Auswegen zu suchen und zu explorieren, wie der Weg hin zu epistemisch begründeten Entscheidungen für und wider Theorien aussehen kann. Erste allgemeine Vorschläge finden sich im offenen Feld der Theorietheorie (Grizelj und Jahraus, 2011), zu der auch der konkrete Vorschlag der dialogischen Theorie von Peter Zima (2004) gerechnet werden kann. Ob die Ideen praktikabel sind und akzeptiert werden, ist angesichts der beobachtbaren Driften offen, doch im Zusammenspiel mit François Julliens (2019) jüngsten Überlegungen zum Gemeinsamen und Dialogischen angesichts verhärteter Identitätsfronten gewinnen sie in meinen Augen neue produktive Wendungen.
Semantisch lehnt sich die Theorietheorie an Wortschöpfungen wie Gesellschafts-, Raum- oder Machttheorie an. Folglich geht es um Theorien über Theorien, wobei über Theorien nicht hierarchisch-doktrinär meint. Statt wie manche Wissenschafts- und Erkenntnistheorien von oben herab im bischöflichen Ton zu predigen, über den richtigen Weg zu urteilen oder gar als Wunder- und Heilmittel aufzutreten, möchte die Theorietheorie mit Blick auf ihre Gegenstände, d. h. mit Blick auf Theorien und Methoden, jene epistemischen Brüche, Unverträglichkeiten oder überraschenden Zusammenschlüsse herausarbeiten, die für die Entwicklung der Wissenschaft mitverantwortlich sind (Grizelj und Jahraus, 2011; Jahraus, 2011).
Paradigmatischer Ausgangspunkt ist die konstruktivistische Annahme, dass uns die Welt nicht unmittelbar zugänglich ist und zum Zwecke einer Verständigung notwendigerweise bezeichnet und somit versprachlicht werden muss. Dieses konstruktive Moment der Bezeichnung ist aber durch Historien, Zufälle und viele weitere Bedingungen mitbestimmt und daher unmöglich verobjektivierbar. Theoriebildung wird also zwingend zu einem offenen und dynamischen Prozess. Dabei bedingt die Unzugänglichkeit der Welt, dass wir sie immer nur von innen bezeichnen können. Folglich kommt es „zu einer konstitutiv operativen Autoreflexivität“ von Theorien, weil sie immer zugleich das sind, wovon sie sprechen (Jahraus, 2011:31). Damit tritt Prozessualität an die Stelle von Vergegenständlichung und Differenzialität verdrängt Identifikation (Jahraus, 2011:33). Diese theorietheoretische Verdichtung von teils alten Einzelargumenten hat weitreichende Folgen. Stärker denn je gilt, dass Begriffsarbeit als produktive Arbeit zu sehen ist. Über ihren Wert ist zu entscheiden, zumal die Fiktion einer schon entschiedenen Welt, die über den Wert der Begriffe eine Rückmeldung geben könnte, kollabiert ist (vgl. Luhmann, 1971:25). Unabweislich und ohne doppelten Boden muss Theorieentwicklung nun an die Gültigkeit, kognitive Kraft und intellektuelle Kreativität theoretischen Denkens glauben.
Mit diesem autopoietischen Impuls erübrigen sich sämtliche Beherrschungsphantasien mittels Theorie. Innerhalb der Geisteswissenschaften ist das nicht neu:
„theory makes mastery impossible, […] because theory is itself the questioning of presumed results and the assumptions on which they are based. The nature of theory is to undo, through a contesting of premises and postulates, what you thought you knew, so the effects of theory are not predictable. You have not become master, but neither are you where you were before.“ (Culler, 2000:16)
Wenig anders postulierte Foucault (1996:24), dass er eigentlich nur schreibe, weil er noch nicht genau wisse, was er von dem halten solle, was ihn so sehr beschäftige. Darüber hinaus erübrigen sich auch rückwärtsgewandte Wege zu bekannten Theorievergleichskriterien. Zwar ist es weiterhin möglich, klassische Kriterien oder Alexanders (1982:3) Theoriesortierungsspektrum zwischen einer metaphysischen und einer empirischen Umwelt zur ersten Verständigung über Theorien zu verwenden. Und ebenso sind genauere Blicke auf theoretische Leitbegriffe, auf für das Sehen konstitutiv notwendige blinde Flecken (Esposito, 2011), auf Auflösungs- und Differenzierungsvermögen, auf Chancen zur Autoreflexivität und auf tautologische Grundkonstruktionen zur Stimulierung von Forschung möglich (Klett, 2014). Doch solche Theoriesortierungen eröffnen weder einen Weg zur Herrschaft über Theorien noch zu allgemein akzeptierten Entscheidungen über Theorien. Theorietheoretisch geschult ist einfach zu klar, dass auch diesen Kriterien kontingente Entscheidungsprämissen zugrunde liegen – das Geschmäckle der Selbstbeweihräucherung können solche Vergleiche unmöglich mehr ablegen. Überdies muten Theorievergleiche mittels Vergleichskriterien und imaginierten Überlegenheitspositionen auch deshalb antiquiert an, weil ein guter Teil der Gegenwartsprobleme etwas mit Überbietungswettbewerben, Konkurrenz und Besserwisserei zu tun hat. Eine Verstrickung in diese Kämpfe, das wird jetzt in aller Drastik klar, ist epistemisch fragwürdig bis sinnlos und darüber hinaus kräftezehrend bis unergiebig.
Unglücklicherweise blockieren Verbote, hier in Form von benannten Unmöglich- und Sinnlosigkeiten, das Denken. Das Gehirn muss Energie aufwenden, um etwas nicht zu tun, bekommt aber keine Alternative aufgezeigt. Genau an dieser Stelle hilft die Zuwendung zur dialogischen Theorie, weil sie Wege hin zu einem erkenntnisfördernden Dialog von Theoretiker:innen und Theorien aufzeigt (Zima, 2004). Die Notwendigkeit eines solchen Weges ist für die dialogische Theorie zweifach bedingt. Einerseits weil das Gebot zum Pluralismus nicht zur Indifferenz führen sollte. Andererseits weil die Probleme einer hermetischen Abschließung angesichts einer unabweisbaren ideologischen Konditionierung von Theorie praktisch zu bearbeiten sind. Auch wenn gegenwärtig andere Idiome bevorzugt werden (statt Pluralismus etwa Diversity und statt Ideologie eventuell Beobachtungsabhängigkeit oder Positionalität) und sich manche Problemlage verschoben hat (statt allein um Autonomieprobleme der Wissenschaft geht es auch um eine Bedrohung der Politik durch die Macht des Wissens (Bogner, 2021)), so hat die Ausgangsspannung Bestand.
Dabei ist Zimas Einladung zum Dialog nicht einfach ein „Vorschlag zur Güte“ (2004:279) oder theoretischen Ökumene. Zu reflektieren seien die theoretischen und ideologischen Diskurse in ihren Wechselbeziehungen und mit Blick auf die sozio-linguistische Situation, in der sie sich zusammen mit ihren Gesprächspartner:innen befänden. Dialogische Theorie ist folglich „ein Vorschlag zu semiotischer Reflexion, Rekonstruktion und Kritik. Es ist zugleich ein Vorschlag, die wissenschaftliche Neugier so weit zu treiben, daß sich der Theoretiker seines Wahrheitsanspruches vergewissert, indem er ihn durch das ganz andere, das ihm Fremde überprüfen lässt“ (Zima, 2004:279). Zimas Wahl des Singulars, wo vielleicht ein Plural geboten wäre, und die rein maskulinen Formen irritieren heute, doch der Grundgedanke ist beachtenswert: Es geht ihm entscheidend um eine Befragung durch Fremde. Dies aber nicht um über Sieg und Niederlage zu unterscheiden, sondern um zu lernen und im Dialog zu Entscheidungskriterien zu kommen. Im Idealfall kann ein solcher Dialog auch zu fairen Entscheidungen über Theorien, Methoden, Themen und Karrieren führen, weil die Teilnehmer:innen um Kriterien ringen und sie so öffentlich machen.
Für einen gelingenden Dialog formuliert Zima die Bedingungen der Ausdrücklichkeit und Öffentlichkeit. Ausdrücklichkeit ist geboten, weil speziell die formale Beobachtungslogik Spencer Browns (1972) zeigt, dass jeder Bezeichnung eine Unterscheidung vorausgeht, die aber im Moment der Bezeichnung unbezeichnet und damit latent bleibt. Dieses als blinder Fleck benannte Phänomen wird üblicherweise als lästiges Übel geschmäht. Die Beobachtungstheorie in der Tradition Spencer Browns betont hingegen die Produktivität jeder Unterscheidung und begreift den blinden Fleck als notwendige Bedingung für die Möglichkeit des Sehens (Esposito, 2011:139). Die Welt tritt uns schließlich unentschieden entgegen und erst die Unterscheidungen der Beobachter, seien es soziale oder psychische Systeme, lassen Universen entstehen (Spencer Brown, 1972:v). Bestimmungen des Anfangs sind unmöglich: Beobachter, Sprache und Gesellschaft können wie im Fall von Henne, Hahn und Ei nicht auf einen Teil zurückgeführt werden – „You cannot say who was first and you cannot say who was last. You need all three in order to have all three“ (von Foerster, 2003 [1979]:284). Angesichts dieser Unbestimmbarkeit des Anfangs wird radikale Reflexivität möglich. Ausdrücklichkeit fordert dazu auf, die Bedingungen des Sehens offenzulegen. Für die Kritische Theorie hieße das zum Beispiel, die postulierte Notwendigkeit der Kritik als Konstituens ihrer Existenz zu begreifen und sie mit anderen Theorien zu reflektieren. Dass dies anspruchsvoll ist, wurde innerhalb der Kritischen Theorie bereits beschrieben (Honneth, 2000).
Ganz ähnlich ist Öffentlichkeit nicht einfach zentral, weil Wissenschaft nachvollziehbar sein und dem Gemeinwohl dienen sollte. Vielmehr verbindet sich mit Öffentlichkeit das Potential, eingefahrene Dispute in dritte Positionen aufzulösen und agonale Positionen zu Dialogen zu leiten. Das ist nicht bloße Hoffnung. Die Erwartung ruht auf der Erkenntnis, dass nicht die Autor:innen, nicht ihre Texte und nicht einzelne Leser:innen Bedeutungen hervorbringen, sondern Interpretationsgemeinschaften (mit Bezug auf Stanley Fish: Zima, 2004:282). Zudem fordert die Öffentlichkeit, egal wie gleichförmig, bunt oder auch stumm sie sein mag, kontinuierlich zu Reflexion darüber auf, welchen Positionen diese Dritten sich aus welchen Gründen potenziell anschließen könnten. Indifferenz gegenüber den Dialogpartner:innen oder der Öffentlichkeit bleibt weiterhin möglich, etwa wenn man über genug eigene Ressourcen verfügt, kein weiteres Interesse an der Geltung des eigenen Wissens hat oder nicht auf die Wirksamkeit der eigenen Rhetorik setzt (Zima, 2004:283). In diesen Fällen würde die Hermetik der Ideologie aber offenbar und eine solche Wissenschaft unterschritte praktisch jedes wissenschaftliche Minimalgebot. Aus einem ausdrücklichen und öffentlichen Dialog sollte hingegen die Erkenntnis emergieren, dass es immer nur Teilwahrheiten geben kann, die keinesfalls zu Konsenswahrheiten überführt werden können.
Diese Grundbestimmungen lassen Fragen offen. Nur folgerichtig wurde in den Gutachten zum ersten Entwurf bemängelt, dass das Fremde nicht näher beschrieben, die Öffentlichkeit angesichts fortschreitender Mediatisierung der Weltverhältnisse unklar und die genaue Dialogform höchstens schemenhaft zu erkennen sei. Und mit Verweis auf die Literatur wurde unter anderem Skepsis am Heilmittel der Öffentlichkeit artikuliert. Diese Einwände haben ihre volle Berechtigung. Doch weil in den Gutachten auch darauf verwiesen wurde, dass ohnehin nicht alle gestellten Fragen behandelt oder gar erschöpfend beantwortet werden könnten und ich selbst niemals einen bischöflich normierten oder pädagogisch moderierten Großgruppendialog vor Augen hatte, soll eine Präzisierung des Dialogkonzepts in philosophischer Abstraktion geboten werden.
Gedankliches Vorbild ist François Julliens (2019) Plädoyer für Dialoge angesichts fortwährender Auseinandersetzungen um kulturelle Identität. Dabei berücksichtigt er wohl, dass der Dialog nicht ohne historischen Verdacht sei, weil der mächtige Westen erst zu dialogisieren begann, als seine Macht bröckelte (2019:87). Dieser Verdacht, der auch gegen jene gerichtet werden kann, die einen Dialog über Themen, Theorien und Methoden fordern und sich dabei, so die Unterstellung, Vorteile in eigener Sache erhoffen, leitet Jullien indes nicht zu einer Ablehnung, sondern zu einer Nuancierung des Dialogbegriffs. Die erste Nuancierung eröffnet sich mit dem Doppelsinn von Dia, also Abstand und Verlauf. Es ist die Abständigkeit der Dialogteilnehmer:innen, die die Ergiebigkeit mitbestimmt (2019:89). Das Fremde kann im Dialog über und mit Theorien in der Form einer nur leicht differenten theoretischen Option oder in Form einer von der Wissenschaft weit entfremdeten Position erscheinen. Bei großer Nähe verwandelt sich der Dialog zum Monolog und bei extremer Fremdheit droht er unmöglich zu werden. Dia ist folglich auch als Raum zu denken, den es im Verlauf zu queren gilt und in dem man sich durch das Fremde von seinen eigenen Positionen partiell zu entfremden beginnt (2019:89). Als Logos, die zweite Nuancierung, bestimmt Jullien „das Gemeinsame des Intelligiblen“ und stößt damit – wie wäre es anders zu erwarten – auf die unvermeidliche Paradoxie jedweder Wissensproduktion, weil das Gemeinsame des Intelligiblen „zugleich die Bedingung und das Ziel dieses Dia-logs darstellt“ (2019:89). Durch die Fremdheit oder eben Abständigkeit „hindurch wird ein Gemeinsames geboren, indem jede Sprache, jeder Gedanke, jede Position sich durch die andere entgrenzen lässt, so dass in diesem nun aktiven Zwischen ein gemeinsames Verständnis auftauchen kann“ (2019:89).
Die Herausstellung des Gemeinsamen verweist ihrerseits auf eine dem Dialoggedanken vorausgehende wichtige Wendung differenztheoretischen Denkens. Ohne die Logik oder den Wahrheitsgehalt differenztheoretischer Positionen zu negieren, erkennt Jullien, dass differenztheoretisches Denken Klüfte betont und Positionen voneinander isoliert. Insofern die Differenzen aber auf Gemeinsamkeiten basieren, setzt er gleich bei diesen Gemeinsamkeiten an. Die genauere Bestimmung des Gemeinsamen ist kontingent. Sie kann das Gemeinsame des Menschlichen, der menschlichen Umwelt, des wissenschaftlichen Projektes etc. umfassen. Auf dem Boden des Gemeinsamen, so die Idee, werden Differenzen zu Abständen und Klüfte sind nicht mehr unüberwindlich. Im zu querenden Raum kann „anderes Mögliches“ entstehen oder können Ressourcen entdeckt werden, „die wir bislang nicht in Betracht“ zogen (Jullien 2019:43). Für die Wissenschaft, um den Bogen zu schließen, eröffnen sich neue Möglichkeiten der Selbstpositionierung. Das alte und nie ganz verschwundene Streben nach Wahrheit oder besonderer wissenschaftlicher Geltung kann nun „als ein vor uns liegender Horizont, der niemals erreicht wird, als ein nie erfüllbares Ideal entworfen“ werden. Statt sich in Unterschiede zurückzuziehen, steht die Aufforderung zum Suchen im Raum. Dem Fremden wende man sich auf der Ebene des Gemeinsamen zu, strecke sich ihm entgegen, heißt es bei Jullien, um „dementsprechend nie aufzuhören, an sich zu arbeiten, sich zu verändern – mit anderen Worten: lebendig zu bleiben“ (2019:33f.).
„Man kann nicht anfangen, ohne schon angefangen zu haben, und der Beginn von etwas kann erst im Nachhinein verstanden werden.“ (Esposito, 2011:138)
Ausgangspunkt dieses Beitrags war ein wissendes Unbehagen an bestimmten Arbeits-, Diskussions- und Entscheidungsstilen in der Wissenschaft respektive in der Humangeographie. Der Ausgangspunkt war wissend, weil nur wider besseres Wissen davon abgesehen werden kann, dass Wissen beobachtungs- oder ideologieabhängig ist und dass auch die wissenschaftliche Wissensproduktion nicht allein vernünftigen Kriterien folgt, zumal obendrein strittig ist, was genau vernünftig ist. Zu diesem Wissen gesellte sich ein Unbehagen, das sich keinesfalls auf eine Theorieströmung beschränkt und deutlich über bekannte Problemlagen wie etwa im Verhältnis zur Kritischen Geographie hinausgeht (dazu Redepenning, 2007; Goeke, 2013). Dieses Unbehagen kreist um die gegenwärtig prominenten Modi des Paradoxiemanagements angesichts der Beobachtungsabhängigkeit allen Wissens. Diese Modi, die heute vor allem für Diversity plädieren, Haltung einfordern oder Aussagen unter Vorbehalt formulieren, haben begrüßenswerte Optionen eröffnet. Wie in allen anderen Fällen von unlösbaren Problemen haben sie allerdings auch eigene und neuartige Probleme hervorgebracht. Sie lassen insbesondere offen, wie wissenschaftliches Wissen noch eine besondere Geltung beanspruchen kann, wenn klassische Wissenschaftskriterien nicht mehr explizit geltend gemacht werden können. Und damit lassen sie auch offen, wie in der Wissenschaft über Themen, Theorien, Methoden und somit über individuelle Karrieren zu entscheiden ist.
So sind, um ein Beispiel zu nennen, viele der kursierenden Vorschläge zum richtigen Entscheiden sozialtheoretisch heikel. Wenn etwa Wissenschaftsfreiheit nicht im Sinne einer Freiheit von äußeren Zwängen, sondern als „positive Freiheit zur Teilnahme und Teilhabe an der wissenschaftlichen Praxis der Verbesserung der eigenen und der kollektiven Überzeugungen“ angesehen wird, verlagert sich die Argumentation wiederkehrend ins Individuum und nimmt die Form von Appellen an: „Für das Gelingen und Prosperieren dieser Praxis [der Wissenschaftsfreiheit] trägt auch jede Wissenschaftler:in Verantwortung“ (Özmen, 2021:7). Das ist richtig und doch zu kurz gegriffen, weil es das Individuum praktisch und normativ überlastet. Im Spannungsfeld von Wissen und Unbehagen war es daher ein wichtiges Anliegen dieses Beitrags, die normativen, epistemischen und gesellschaftlichen Aspekte des Problemzusammenhangs bestmöglich zu artikulieren und zu sortieren. Hinter all dem steht die Annahme, dass die Wissenschaft, im Sinne eines Kollektivsingulars, nur dann mit Ressourcen aus ihren gesellschaftlichen Umwelten rechnen kann, wenn sie die Sonderstellung wissenschaftlichen Wissens glaubhaft machen kann.
Dass die Rechtfertigung eines wissenschaftlichen Sonderstatus von inneren und äußeren Kräften bestimmt ist, lässt sich theoretisch ableiten und empirisch beobachten (z. B. Stichweh, 1984; Goeke und Moser, 2011). Und dass in diesem Kräftespiel von außen eher Leistungskriterien wie Nützlichkeit oder Hilfestellung bei der sozial-ökologischen Transformation an die Wissenschaft herangetragen werden, ist weder verwunderlich noch per se illegitim. Doch gäbe die Wissenschaft sich allein dieser Option der Fremdbestimmung hin, braucht es nicht viel Phantasie, um zu erkennen, dass dann zukünftig vor allem drei Faktoren über sinnvolle und richtige Wissenschaft bestimmen würden: erstens die formale Politik mit ihren jeweiligen Mehrheiten und in Form ihrer Verwaltungen, zweitens die auf ökonomische Nützlichkeit bedachte Wirtschaft in Form von Unternehmen, und drittens, aber zu einem sicher kleineren Teil, der Wissenschaft zugeneigte Personen, die mit unterschiedlichsten Motiven den Gang der Wissenschaft zu beeinflussen versuchen. Schon jetzt zeitigen die äußeren Einflussnahmen zweifelhafte Effekte in der Wissenschaft. Zu nennen sind hier die Bedeutungsgewinne von Rankings, Zitationsindices oder Drittmittelvolumen. Auch ästhetisch-praktisch-motivationale Kriterien wie die Kategorie des „Inspiresting“ – ein Kofferwort, das sich aus interessant und inspirierend zusammensetzt und über die TED-Talks in die Wissenschaft eindringt (Schwartz, 2022) – wecken mit ihren Verbesserungsoptionen für jeden Einzelnen und Rettungsoptionen für die Welt mehr Hoffnungen als die Wissenschaft jemals wird einlösen können.
Äußere Erwartungen an die Wissenschaft sind nicht in Bausch und Bogen abzulehnen. Sie können die wissenschaftsinterne Suche nach Verbesserungen anregen. Diese Suche, so das Argument und Plädoyer des Beitrags, sollte angesichts ihrer epistemischen Grundierungen und politischen Dimension in Form von theorietheoretischen Dialogen praktiziert werden. Bei diesen öffentlichen und expliziten Dialogen gilt es sich anderen Positionen zu stellen, dabei immer auch gegen sich zu denken und auf der Ebene von Gemeinsamkeiten die Abständigkeit der Positionen produktiv zu nutzen. Der Erfolg des Dialogs hängt zweifelsohne von Bedingungen ab, die er selbst nicht garantieren kann. Doch lässt man sich auf der Ebene des Gemeinsamen auf das wissenschaftliche Projekt der Auf- und Abklärung sowie auf das Gebot zu wissenschaftlicher Responsivität im Sinne von Ver-Antwortlichkeit ein, dann können Entscheidungskriterien verhandelt werden. Wie die prinzipiell offene Zukunft aussehen wird, wäre das Ergebnis dieses epistemisch-politischen Prozesses. Auch Rück- und Selbstbezüge oder Provinzialisierungen erhalten in diesem Dialog einen neuen Wert. Sie ermöglichen aufgrund ihrer Abständigkeit zu anderen Positionen Fremdheitserfahrungen, vermischen sich im Idealfall mit anderen Gedanken und beginnen eventuell in anderen Milieus zu gedeihen (vgl. Goodchild, 1996:211). Mit Julliens French Kiss können dann sogar die vermeintlich biederen systemtheoretischen, kybernetischen oder theorietheoretischen Argumente aus der deutsch-österreichischen Provinz sehr anregend wirken.
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Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Anmerkung des Verlags: Copernicus Publications bleibt in Bezug auf gerichtliche Ansprüche in veröffentlichten Karten und institutionellen Zugehörigkeiten neutral.
Dieser Beitrag nahm seine Form an, weil Benedikt Korf, Eberhard Rothfuß und Wolf-Dietrich Sahr den Rahmen dafür schufen und speziell Benedikt Korf für Ermunterung sorgte, weil zwei Gutachter:innen zu mehr Klarheit mahnten, weil ihn Jace Proske lektorierte, weil die DAAD-Lektor:innen und DAAD-Langzeitdozent:innen der FIW-Sommeruniversität zum Thema „Formen und Probleme der Wissenschaftsfreiheit im weltweiten Vergleich“ einen dazugehörigen Vortrag kommentierten, weil Johannes Wirths mich auf François Jullien stieß und weil Evelyn Moser ihn mit vielen Fragen prüfte – ihnen allen gebührt mein Dank.
This paper was edited by Nadine Marquardt and reviewed by two anonymous referees.
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Wenn im Folgenden von Wissenschaft die Rede ist, dann soll es um Anstrengungen gehen, die auf die Herstellung von Wissen hinauslaufen und die die Qualität dieses Wissens trotz aller Umstrittenheit primär am wissenschaftseigenen Code wahr/unwahr orientieren respektive Kriterien wie Nützlichkeit, Profitabilität, Sittlichkeit etc. in die Schranken weisen. Dies muss nicht zwingend an Hochschulen und öffentlich finanzierten Forschungseinrichtungen geschehen.
- Kurzfassung
- Entscheidungen in der Wissenschaft – Aspekte eines Problems unter partiellem Latenzschutz
- Die Paradoxie der Wissensproduktion und Möglichkeiten des Paradoxiemanagements
- Auswege: Theorietheoretische Dialoge auf gemeinsamen Gründen
- Theorietheoretische Dialoge als Potenzialnutzungsoptionen und Entscheidungshilfe – ein Blick zurück nach vorn
- Datenverfügbarkeit
- Interessenkonflikt
- Haftungsausschluss
- Danksagung
- Begutachtung
- Literatur
- Kurzfassung
- Entscheidungen in der Wissenschaft – Aspekte eines Problems unter partiellem Latenzschutz
- Die Paradoxie der Wissensproduktion und Möglichkeiten des Paradoxiemanagements
- Auswege: Theorietheoretische Dialoge auf gemeinsamen Gründen
- Theorietheoretische Dialoge als Potenzialnutzungsoptionen und Entscheidungshilfe – ein Blick zurück nach vorn
- Datenverfügbarkeit
- Interessenkonflikt
- Haftungsausschluss
- Danksagung
- Begutachtung
- Literatur