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Legal Ecologies der Klimawandelanpassung
Accelerating and more comprehensive legislation and litigation indicate a new significance of law in recent years within climate change politics. However, this development has been scarcely reflected upon in German-language geographical research on climate change adaptation, which primarily focuses on climate adaptation politics and policies. In order to illuminate these issues, this article engages with the political and legal scientific debates on juridification; reflects these in the context of climate adaptation; and traces the processes of juridification of climate policies in the German context from a historical perspective. Intersecting with insights from legal geography, this contribution introduces the concept of „Legal Ecologies of Climate Change Adaptation“ as a novel and legally nuanced perspective. Within human geographic climate adaptation research, this perspective opens up new theoretical and conceptual interests, empirical domains, and possibilities for interdisciplinary collaboration.
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Klimawandelanpassung wird seitens der politikberatenden Klimaforschung häufig als unausweichliche Ausrichtung gesellschaftlicher Verhältnisse auf den äußeren Sachzwang des Klimawandels dargestellt. Solche Verständnisse wurden in der humangeographischen Klimaforschung als post-politisch problematisiert, weil sie den vermachteten, ungleichen und ungerechten Charakter der Anpassungsprozesse ausblenden (Brunnengräber und Dietz, 2013; Klepp und Chavez-Rodriguez, 2018, 3 m.w.N.). „[R]e-centering the political“, so Swyngedouw (2013:2), sei deshalb ein entscheidender Schritt „towards taking the climate […] issue really seriously“. Das Verständnis von Klimawandelanpassung als Politik bildet also eine zentrale Grundannahme humangeographischer Klimawandelanpassungsforschung.
Vor diesem Hintergrund scheint für diese Forschungsrichtung schon theoretisch bedenkenswert, dass Politik- und Rechtswissenschaftler:innen mit dem Begriff der Verrechtlichung der Politik insistiert haben, dass im modernen Rechtsstaat ein Nachvollziehen von Politik unter Ausblendung des Rechts kaum mehr möglich ist (einführend: Görlitz und Voigt, 1985, Kap. 2.1). Hinzu kommt, dass in den letzten Jahren empirisch eine neue Relevanz des Klimarechts zu konstatieren ist. Nicht nur wurden mit dem völkerrechtlichen Pariser Übereinkommen ‚von oben‘ rechtlich bindende Grenzwerte festgelegt, zugleich brachten Aktivist:innen des Rechts ‚von unten‘ eine Vielzahl von Rechtskämpfen auf den Weg. Verfahren wie Urgenda gegen die Niederlande, Juliana vs. United States oder die Klimaklagen in Deutschland haben die Rolle des Rechts und der Gerichte für die Klimapolitik in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Parallel zu diesen Prozessen ‚auf großer Bühne‘ – aber öffentlich weniger beachtet – finden rechtliche Transformation auf niedrigeren Maßstabsebenen statt, in Deutschland etwa in den Bundesländern und Kommunen. Der Zusammenhang von Recht und Klimawandel wird auch in der wissenschaftlichen Sphäre bearbeitet, und hier vor allem in den Rechtswissenschaften (vgl. Peel und Osofsky, 2015; Ekardt et al., 2021; Petzold und Pichl, 2023). Die dort gesehene Relevanz eines sich rapide entwickelnden Klimarechts kommt nicht zuletzt in der Gründung juristischer Fachzeitschriften wie Climate Law (2010) oder Klima und Recht (2022) zum Ausdruck. Ein Schwerpunkt der neuen Relevanz des Rechts in Praxis und Wissenschaft ist bislang im Bereich der Klimawandelmitigation zu verzeichnen. Doch auch mit Blick auf den komplementären Bereich der Klimawandelanpassung, um den es im Folgenden im Besonderen gehen soll, ist für Jurist:innen klar, dass ‚[d]as Recht als Steuerungsinstrument […] eine zentrale Rolle in der deutschen Anpassungspolitik ein[nimmt]“ (Bubeck et al., 2016:297).
Diesem dreifachen Impuls aus generellen theoretischen Erwägungen, empirischer Relevanz und Interesse in Nachbardisziplinen wird im Folgenden für die deutschsprachige humangeographische Klima(anpassungs)forschung nachgegangen. Der Artikel hat zum Ziel, einen rechtsgeographischen Zugang zur Schnittfläche von Recht, Klimawandel(anpassung) und Raum vorzustellen. Die zentrale Frage ist, in welcher Weise im deutschsprachigen Kontext Phänomene der Verrechtlichung und Judizialisierung der (urbanen) Klimawandelpolitik theoretisch-konzeptionell gefasst und in der Anpassungsdebatte berücksichtigt werden können. Um den Begriff Legal Ecologies der Klimawandelanpassung herum wird ein rechtsgeographisches Analyseregister entwickelt, mittels dessen Prozesse der Klimawandelanpassung an der Schnittstelle von Politik und Recht macht-, ungleichheits- und raumsensibel untersucht werden können. Diese Begriffsarbeit ist vor allem als Beitrag gedacht zu humangeographischen Literaturen zu Politiken der Klimawandelanpassung (Schäfer, 2015; Klepp und Chavez-Rodriguez, 2018; Nagorny-Koring, 2018), „urbaner Nachhaltigkeit“ (Mössner et al., 2017) oder Klimawandelanpassungsplanung (Kruse und Pütz, 2014; Fünfgeld und Schmid, 2020), wo rechtliche Dimensionen bislang kaum expliziert sind (vgl. international aber O'Donnell, 2019). Zugleich handelt es sich auch um einen Beitrag zu juristischen oder anwendungsbezogenen Planungsdebatten zu Klimawandelanpassung (Albrecht, 2021) – in diesen wird zwar der Rechtsrahmen kommentiert, in der Regel aber auf eine sozialwissenschaftlich fundierte Reflexion des politischen Charakters von Anpassungsprozessen, wie er in den vorgenannten geographischen Literaturen herausgearbeitet worden ist, verzichtet. Der Beitrag zielt deshalb, ganz in der transdisziplinären Tradition der Legal Geographies, auf das wenig bearbeitete Terrain zwischen Recht, Politik und Raum – in der Annahme, dass hier eine produktive Weiterentwicklung der humangeographischen Klimaanpassungsforschung möglich ist.
Das folgende Kapitel 2 des Beitrags rekonstruiert Kernaspekte der Klimawandelanpassungsforschung in politisch-ökologischer Perspektive. Das 3. Kapitel präsentiert Prämissen einer materialistischen Rechtstheorie und der Verrechtlichungsdebatte, bevor das 4. Kapitel zeitdiagnostisch die Verrechtlichung und Judizialisierung gesellschaftlicher Natur- und Klimaverhältnisse betrachtet. Schließlich wird im Kapitel 5 die Perspektive der Legal Ecologies der Klimawandelanpassung als rechtsgeographisches Analyseregister vorgestellt, bevor der Beitrag mit einem Fazit in Kapitel 6 endet.
Die humangeographische Klimawandelanpassungsforschung im deutschsprachigen Raum lässt sich als Konglomerat unterschiedlicher Zugänge und subdisziplinärer Interessensschwerpunkte charakterisieren. Im Folgenden wird mit einem Zugang in der Tradition der Politischen Ökologie gearbeitet. Diese versteht „‚Umwelt‘ als ein dialektisches Verhältnis von Gesellschaft und Natur, das entlang von Ungleichheitsstrukturen organisiert ist“ (Bauriedl, 2016:342). Entsprechend geht der Ansatz davon aus, dass gesellschaftliche Klimaverhältnisse systematisch als Macht- und Herrschaftsverhältnisse entlang (intersektionaler) sozialer Differenzkategorien beschrieben werden können. Dies betrifft räumlich und intersektional ungleiche Formen der Vulnerabilität gegenüber Klimawandelfolgen, des Wissens und der Strategien für Anpassung, der Anpassungskapazitäten, aber auch der (Nicht-)Transformation nichtnachhaltiger Produktions-, Konsum- und Lebensweisen (Bauriedl, 2014; Dietz und Brunnengräber, 2015). Damit verbunden ist das Verständnis, dass Umwelt- und Klimakonflikte zugleich soziale Konflikte sind, deren Anlässe, Verlaufsformen und Ergebnisse vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse konturiert werden. Eine Politische Ökologie der Klimawandelanpassung legt entsprechend ein besonderes Augenmerk auf „Kämpfe für Klimagerechtigkeit“ (Kalt, 2022). Im Anschluss an Perreault et al. (2015:8f.) baut eine Politische Ökologie der Klimawandelanpassung zusammenfassend auf einem dreifachen Fundament aus kritischer Theorie und post-positivistischem Naturverständnis; qualitativen Methodologien; und normativem Eintreten für soziale Gerechtigkeit und strukturelle Transformation auf.
Eine besondere Arena der Beschäftigung mit Klimawandelanpassung bilden Stadt und Urbanisierung, wie die Urbane Politische Ökologie (UPE) sie perspektiviert. Gandy (2022:24) identifiziert in seiner Historiographie der UPE Beiträge zum Forschungsfeld „Climate, risk, and landscapes of vulnerability“. Die klimawandelbezogene UPE hat bislang etwa den sozio-materiellen städtischen Kohlenstoffkreislauf zwischen städtischer Governance, Zirkulation von Kapital und sozio-räumlicher Ungleichheit beleuchtet (Silver, 2017). Während Nagorny-Koring (2018) das auf diesen Nexus bezogene transformative Potenzial von Best Practices reflektiert, sehen Long und Rice (2019) bereits einen „climate urbanism“ als neues Paradigma städtischer Entwicklung aufziehen. Vor dem Hintergrund einer „considerable discrepancy […] between politically formulated climate change and energy transition goals and norms, and their concrete implementation in particular contexts“ (Mattissek und Sturm, 2017:124) ist die Stadtplanung als Scharnier zwischen Zielsetzung und Umsetzung in den Blick genommen worden (Kruse und Pütz, 2014; Fünfgeld und Schmid, 2020).
In Politischen Ökologien der Klima(anpassungs)forschung spielten lange Zeit rechtliche Dimensionen der Klimaverhältnisse kaum eine Rolle. Erst seit Kurzem werden die vielflächigen und machtvollen Verhältnisse zwischen Recht, Raum und Natur in den Blick politisch-ökologischer Überlegungen gerückt und konzipiert (für Klimawandelanpassung O'Donnell, 2019; überblickend: Petzold, 2023). Diese Neuentdeckung des Rechts scheint folgerichtig, hält man sich vor Augen, dass Recht in den unterschiedlichsten theoretischen Traditionen als zentrale Dimension von Vergesellschaftungsprozessen im Allgemeinen beschrieben und somit als ko-konstitutiv für gesellschaftliche Macht- und Herrschaftsverhältnisse verstanden worden ist (vgl. nur Buckel et al., 2020). Um solchen Neuorientierungen einen begrifflichen Boden zu bereiten, werden im Folgenden zunächst Prämissen einer materialistischen Theorie des Rechts vorgestellt (Kapitel 3.1) und daran anschließend die Verrechtlichungsdebatte in den Politik- und Rechtswissenschaften rekonstruiert (Kapitel 3.2).
3.1 Materialistische Rechtstheorie als Perspektive
Um im Folgenden Recht im Verhältnis zu Politik und Klima zu fassen und dabei eine begriffliche Kohärenz mit der Politischen Ökologie als Perspektive zu wahren, wird rechtstheoretisch auf ein materialistisches Rechtsverständnis (Buckel, 2007; Pichl, 2021) zurückgegriffen. Recht wird hier als Moment der gesellschaftlichen Totalität bzw. als relational autonomes Verhältnis verstanden. Mit dem Kernbegriff der „relationalen Autonomie“ (Buckel, 2007:244) ist gemeint, dass einerseits das Recht aus anderen Formen der Vergesellschaftung wie den Verhältnissen der kapitalistischen Akkumulation oder Geschlechterverhältnissen erwächst. Zugleich wird das Recht aber als autonomisiert von diesen Verhältnissen verstanden: Es bildet ein eigenes soziales Feld mit spezifischer operationeller Logik (Rechtsdogmatik), deren Verständnis auch eigene Erklärungsansätze benötigt.
Eine zentrale Dimension der materialistischen Theorie der relationalen Autonomie des Rechts liegt darin, dass Recht systematisch Macht- und Herrschaftsverhältnisse mit hervorbringt und in längeren Zeithorizonten stabilisiert. Zugleich können sich aber selbst mächtigste Partikularinteressen nicht unmittelbar des Rechts bedienen, sondern müssen mit dem Recht kompatibel gemacht werden. Solche Übersetzungen, etwa aus der politischen in die rechtliche Sphäre, werden als kritische Momente konzipiert: Die Sachverhalte müssen in die eigentümliche Sprache des Rechts übertragen und mit der Logik des Rechts vereinbar gemacht werden. Dieser Prozess ist nicht trivial – er erfordert den geschickten Einsatz der „Ressourcen des Rechts“ (Pichl, 2021:71f.; Klosterkamp et al., 2023) – und er ist machtvoll, denn manche Interessen und Ansprüche sind weniger oder überhaupt nicht kompatibel zu machen mit dem herrschenden Recht. Das Recht wirkt deshalb „juridisch selektiv“, was heißt, dass es systematisch die Durchsetzungschancen mancher partikularer Interessen und Strategien privilegiert und anderer marginalisiert (Petzold, 2018:39f.).
Damit verbunden ist schließlich, dass Positionen, die einmal ins herrschende Recht eingeschrieben sind, qua juridischer Selektivität eine besondere Dauerhaftigkeit und Änderungsfestigkeit erlangen (Petzold, 2018). Vor diesem Hintergrund wird schließlich verständlich, warum die materialistische Rechtstheorie ein besonderes Augenmerk auf „Rechtskämpfe“ (Pichl, 2021) legt: Es handelt sich bei diesen Auseinandersetzungen um zentrale Arenen, in denen langfristig gesellschaftliche Ungleichheits- und Machtverhältnisse festgelegt und damit zu Hinterbedingungen zukünftigen Handelns werden.
3.2 Verrechtlichung und Judizialisierung von Politik – Eine Debatte
Das Verhältnis von Politik, Recht und Natur unterliegt im historischen Verlauf verschiedenen Konjunkturen. Zur Charakterisierung der rezenten Konjunktur wird hier der Begriff der Verrechtlichung der Klimaverhältnisse verwendet. Dieser ist eine Spezifizierung des Begriffs der Verrechtlichung der Politik, womit eine Neukonfiguration politisch-rechtlicher Verhältnisse gemeint ist, die zeitlich mit dem Aufkommen des fordistisch-keynesianischen Wohlfahrts- und Interventionsstaats zusammenhängt.
Die deutschsprachige Verrechtlichungsdebatte (vgl. Teubner, 1984; Maus, 1986)1 entstand unter dem empirischen Eindruck einer generellen Zunahme rechtlicher Normierung, in Gestalt eines Vordringens immer detaillierteren Rechts in immer breitere gesellschaftliche Teilbereiche. Im Mittelpunkt der akademischen Debatte standen gleichwohl weniger quantitative Prozesse der Vermehrung des Rechts, sondern vor allem die widersprüchlichen, umkämpften und prekären Prozesse der qualitativen Neuordnung gesellschaftlicher Verhältnisse unter dem Eindruck des Rechts. Es interessierte also, wie gesellschaftliche und insbesondere politische Abläufe, Strategien und Kräfteverhältnisse entlang der Funktionsweisen der Rechtsform transformiert werden.
Damit verbunden war zugleich ein Interesse am Wandel des Rechts selbst, der daraus resultiert, dass das Recht nicht mehr als bloß abstrakt-formaler Konfliktrahmen fungiert, sondern zu materiellen Steuerungszwecken genutzt wird – was Teubner (1984:306) als „Materialisierung des Formalrechts“ bezeichnet. Diesen Transformationsprozessen sind zugleich paradoxe Momente der Entrechtlichung inhärent: Sie zeigen sich im „Vordringen äußerst unbestimmter Rechtsbegriffe, Generalklauseln und Zielformeln gerade auch in den wichtigsten Rechtsmaterien des sozialgestaltenden Staates wie Planungsrecht, Sozialrecht, Umweltrecht. [… Es] genügt der Einbau einer einzigen unbestimmten Rechtsformel in ein Gesetz von ansonsten größter Feinregulierung, um im konreten Anwendungsfall je nach Bedarf die Einzelbestimmungen des Gesetzes aus den Angeln zu heben“ (Maus, 1986:278). Das Planungsrecht – das für hier relevante Klimaanpassungspraxen von zentraler Relevanz ist – kennzeichnet Maus (1986:284) als Paradebeispiel für diese Prozesse: §1 BauGB beispielsweise ist heute mehr denn je weniger eine materiell präzise Vorgabe planerischer Praxis und mehr eine Auflistung allgemeiner „Anforderungen“ und „Belange“ (Abs. 6), welche „gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen [sind]“ (Abs. 7). Das Moment der Abwägung heißt aber nichts anderes, als dass primär die Verwaltungen als exekutive Abwägungsakteur:innen und mittelbar die Judikative als Arena rechtlicher Abwägungskämpfe vis-à-vis demokratischer Liberation aufgewertet werden (Maus, 1986:286).
Eine konstitutive Dimension dieser paradoxen Verrechtlichungs-Entrechtlichungs-Prozesse bildet eine generelle Zunahme und Aufwertung von Rechtskämpfen. Das zeigt sich gerade auch im Umwelt- und Klimabereich an einer Ergänzung der traditionellen politischen Kämpfe der Umweltbewegung um eine rechtliche Dimension (Loick, 2019:862). Als Aspekt von Verrechtlichungs-Entrechtlichungs-Prozessen gewinnen juridisches Wissen, juridische Aushandlungslogiken und juridische Arenen an Relevanz. Deutlich sichtbar sind die Wirkungen dessen an den Umweltverbänden: Nicht nur sind neue, transnational aktive, klageorientierte Akteurinnen wie ClientEarth oder Wissensnetzwerke wie das Climate Litigation Network entstanden. Auch länger etablierte Verbände wie z. B. die Deutsche Umwelthilfe oder der BUND haben ihre klassische politische Kampagnenarbeit ergänzt durch juridische Strategien.
Ein besonderer Aspekt der Verrechtlichung ist die Judizialisierung. Hiermit wird die Aufwertung gerichtlicher Macht [engl. judical power] in governance-Konstellationen bezeichnet (Landfried, 1984; Shapiro und Stone Sweet, 2002). In einer solchen Perspektive geraten einerseits Gerichte und Richter:innen als (teils auch strategisch handelnde) Akteur:innen politischer Aushandlungen in den Blick. Damit zusammenhängend wurde mit dem Begriff der Judizialisierung aber auch eine Transformation politischer Konfliktlogiken beschrieben: Unter Bedingungen der Verrechtlichung antizipieren politische Akteur:innen juridische Bewertungsmaßstäbe und entwickeln ein Interesse, ‚gerichtsfeste‘ Entscheidungen zu treffen. Die so entstehenden neuen Regierungsformen an der Grenze von Politik und Recht hat Stone Sweet (2000) treffend als „governing with judges“ bezeichnet.
Diese Grundperspektive wird im Folgenden bezüglich der Klimaverhältnisse zeitdiagnostisch konkretisiert. Zuerst werden in historischer Perspektive kritische Momente des Verrechtlichungsprozesses identifiziert (Kapitel 4.1), bevor anschließend das Verhältnis von Verrechtlichung-Entrechtlichung im Klimakontext im Allgemeinen (Kapitel 4.2) und der Bauleitplanung im Besonderen (Kapitel 4.3) betrachtet wird.
4.1 Zeitdiagnose: Kritische Momente der Verrechtlichung der Natur- und Klimaverhältnisse
Etwa seit den 1960er Jahren lässt sich am Schnittpunkt forcierter Umweltzerstörung, moderner Umweltbewegung und der Durchsetzung des Planungs- und Interventionsstaates der Beginn eines „ökologischen Zeitalters“ (Uekötter, 2007:28ff.) diagnostizieren. Zunächst vor allem in den westlichen Staaten – im Zuge der „Globalisierung des Rechts“ aber zunehmend im globalen Maßstab (Shapiro, 1993:51) – war die Herausbildung dieses Zeitalters eng mit der Entstehung des modernen Umweltrechts verbunden. Dieser Prozess, der mit dem oben entwickelten Begriff als Verrechtlichung gesellschaftlicher Naturverhältnisse bezeichnet werden kann, führte in mehreren kritischen Momenten ab ca. 1970 (Kloepfer, 2016, §2 Abschn. C) zu einer Aufwertung juridischer Arenen, Prozesse und Verhältnisse in der Regulation gesellschaftlicher Naturverhältnisse. Damit einher ging eine Reprogrammierung der Staatsapparate im Hinblick auf Umweltschutz als materiellem Ziel staatlicher Tätigkeit, weshalb in der juristischen Literatur bereits ab den ausgehenden 1980er Jahren von der Herausbildung eines „Umweltstaats“ (Kloepfer, 1989) gesprochen wird.
Beschleunigt wurde diese Entwicklung durch die Ausweitung der Klagerechte für Umweltverbände und damit des Zugangs zu Gerichten im Umweltbereich. Dieser Prozess hat als maßgebliche Zeitmarken die Aarhus-Konvention von 1998, deren Umsetzungen im Unionsrecht2 mit besonderer Rolle des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, 2011) und die Adaption im deutschen Umweltrechtsbehelfsgesetz. Im Ergebnis kann die für andere Länderkontexte beschriebene Judizialisierung von Umweltpolitik (Kramarz et al., 2017; Ghertner, 2020) auch für den bundesdeutschen Kontext als einschlägig angenommen werden. Sie zeigt sich in einer Studie für den Sachverständigenrat für Umweltfragen in den 2010er Jahren schon quantitativ in einer Zunahme der Umweltverbandsklagen (Schmidt und Zschiesche, 2018:18).
Eine der neuesten Phasen von Verrechtlichungsprozessen betrifft die Klimaverhältnisse als Teilbereich des Umweltrechts. Ausgehend von dem 1987 unterzeichneten Montrealer Protokoll und vor allem der 1992 verabschiedeten United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) entstand ein kumulativ fortschreitender Prozess der Verrechtlichung, in dem vormals weitgehend unregulierte klimarelevante Prozesse materiell und prozessual durch Recht erfasst wurden (Kuyper et al., 2018). Die mit der Rahmenkonvention in Gang gesetzte Herausbildung eines Klimarechts als eigenem Rechtsgebiet ist als multiskalarer Prozess zu verstehen, in dem völker- und unionsrechtliche Rechtssetzungen mit (sub-)nationalem Recht verwoben werden.
Im Klimaschutzrecht resultierte mit dem Kyoto-Protokoll, dem Europäischen Emissionshandel und dem Pariser Übereinkommen ein maßgebliches Momentum der Verrechtlichung aus dem Völker- und Unionsrecht. Spätestens mit den gescheiterten COP-Verhandlungen von Kopenhagen (2009) ist ein größeres Momentum der Reskalierung der Klima-Governance hin zu nationalen, regionalen und kommunalen Maßstabsebenen des Rechts zu beobachten (Nagorny-Koring, 2018:42ff.). In Gestalt des 2020 in Kraft getretenen Klimaschutzgesetzes hat der aktuellste Verrechtlichungsschub eingesetzt, in dessen Folge bspw. politische Konflikte um sektorale Emissionsminderungsziele zunehmend in einem rechtlichen Horizont geführt werden und die Gerichte einen steilen Anstieg auf die Klimakrise bezogenener Anträge zu verarbeiten haben. Rechtspolitisch wird die verfassungsrechtliche Explizierung des Klimaschutzes diskutiert, insbesondere in Initiativen zur Einführung eines neuen Staatsziels für Klimaschutz und Minderung der Klimawandelfolgen (überblickend Härtel, 2020). Die Bedeutung eines solchen Staatsziels, wie es Hamburg bereits 2020 in die Präambel der Landesverfassung aufgenommen hat, wird insbesondere in der relationalen Aufwertung des Schutzgutes Klima in rechtlichen Abwägungsprozessen gesehen.
Eine mit diesen multiskalaren Prozessen verbundene, aber zunehmend auch eigenständige Arena der Verrechtlichung bildet das Klimawandelanpassungsrecht. Dieses ist als eigenständiges Rechtsgebiet im Entstehen begriffen (Fischer, 2013). Sieht man von der internationalen, auf die Länder mit geringerer Anpassungskapazität orientierten Dimension des Völkerrechts in Art. 7 Pariser Übereinkommen sowie den relativ neuen Entwicklungen um die unionsrechtliche Anpassungsstrategie (2013) ab, so haben in diesem Teilbereich des Klimarechts die (sub-)nationalen Rechtsordnungen historisch eine maßgebliche Relevanz. Die mittlerweile mehrfach weiterentwickelte Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel (erstmals 2008), die Kommunalrichtlinie im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative (erstmals 2008) sowie der Nationale Aktionsplan Klimaanpassung (erstmals 2011) können wesentlich als strategisch-fiskalische Anreizinstrumente der Exekutive gewertet werden. Das heißt, aus ihnen resultierten gerade keine Verrechtlichungstendenzen, vor allem weil sie keine einklagbaren Rechtspositionen etablieren.
Parallel zu diesen strategischen Instrumenten wurde das Erfordernis der Klimawandelanpassung aber bereits in einzelnen Materien des Fachverwaltungsrechts adressiert, „denen eine zentrale Bedeutung bei der Anpassung an den Klimawandel in Deutschland zukommt“ (Dworak et al., 2017:8): Neben den wesentlichen Rechtsrahmen der Planung, dem Raumordnungsgesetz und dem Baugesetzbuch, betraf dies mit dem Wasserhaushaltgesetz ein in Zeiten zunehmender Wetterextreme zentrales Planungs- und Anpassungsmedium des Staates. Aktuell sind Prozesse der Bündelung zu beobachten. So hat die Bundesregierung im Juli 2023 den Regierungsentwurf eines Klimawandelanpassungsgesetz verabschiedet. Solche Prozesse sind auch in den Bundesländern zu beobachten, wo bereits im Juli 2021 der Landtag Nordrhein-Westfalens ein erstes „Klimawandelanpassungsgesetz“ auf Länderebene verabschiedet hat3.
4.2 Verrechtlichung-Entrechtlichung im Klima(wandelanpassungs)recht
In inhaltlicher Hinsicht demonstriert das Klimarecht in vielerlei Hinsicht die in der Verrechtlichungs-Entrechtlichungs-Debatte der 1980er Jahre aufgeworfenen Charakteristika. So ist zunächst deutlich sichtbar, dass in diesem Bereich eine multiskalare, quantitativ zunehmende und in den letzten Jahren noch beschleunigte Rechtsetzungsaktivität zu beobachten ist. Wie in der Verrechtlichungsdebatte der 1980er Jahre für andere Rechtsmaterien argumentiert wurde, entwickelt der Staat das Klimarecht dabei vornehmlich nicht als abstrakt-formellen Konfliktrahmen, sondern als materielles Steuerungsmedium. Dieses operiert im Klimaschutzrecht bislang vor allem mit zu erreichenden Zielbestimmungen (deutlich: Abschn. 2 KSG) und im Klimawandelanpassungsrecht dominiert die planerische Berücksichtigung eines allgemeinen Schutzgutes Klima.
Aufgrund dieser Ausrichtung können im Klimarecht Momente der Entformalisierung nachgewiesen werden, denn aus den allgemeinen Zielen, Belangen und Generalklauseln des Klimarechts resultiert weniger eine spezifische Programmierung der Staatsapparate, sondern mehr ein auslegungsbedürftiges Feld unbestimmter Rechtsbegriffe. Mit der Auslegungsbedürftigkeit verbunden ist erstens eine Aufwertung der Verwaltungen als primär auslegenden Akteur:innen vis-à-vis der Foren demokratischer Deliberation. Im weiteren Verlauf ist damit eine Aufwertung der Gerichte angelegt – aufgrund der erst relativ neuen Rechtsetzungen bei gleichzeitig relativ langen Feststellungs- und Planungsverfahren ist zu erwarten, dass dieses Moment der Verrechtlichung erst mittelfristig verstärkt zu beobachten sein wird (Dworak et al., 2017:9).
Zweitens ist mit der Entformalisierung eine räumliche Ungleichheit des jeweiligen lokalen Umgangs mit dem Schutzgut Klima im Allgemeinen und Klimawandelanpassungsbelangen im Besonderen verbunden. Das Klimarecht zeigt sich hier bislang vor allem als Rechtsposition, deren praktische Nutzung wesentlich von örtlichen Kräfteverhältnissen, Diskursen und dem handelnden Verwaltungspersonal abhängig ist (Kruse und Pütz, 2014; Sturm, 2019:208f.). Das zeigt sich auch im Wunsch von Planer:innen nach Konkretisierung des allgemeinen Belangs Klimawandelanpassung, etwa in Form konditionaler Programmierung durch in der Planung handhabbare Grenzwerte (Dworak et al., 2017:9). Für den Befund der räumlichen Ungleichheit durch Entformalisierung spricht weiterhin auch die breite Relevanz von translokalen Policy Mobilities und Best Practices – also der Zyklus von lokalen Politikexperimenten und deren räumliche Transferierung andernorts – als Regierungstechnologien in (kommunalen) Klimastrategien (vgl. Schäfer, 2015; Nagorny-Koring, 2018). Eine besondere Facette der Entformalisierung ergibt sich schließlich daraus, dass das Schutzgut Klima rechtlich gesehen als neuer Belang neben andere, historisch im Recht kodifizierte Belange tritt. Das heißt, nicht nur ist Klima(wandelanpassung) als rechtliches Belang selbst weitgehend unkonkretisiert, es ist zudem in Abwägungsprozessen ins Verhältnis mit einer Vielzahl weiterer (für sich ebenfalls unbestimmter) Belange zu setzen.
All dies impliziert systematisch Auslegungs- und Abwägungsprozesse, die in Form von Rechtskämpfen verschiedener Akteur:innen in Staat und institutionalisierter Politik sowie Wirtschaft und Zivilgesellschaft initiiert werden. In den dabei erwachsenden, multiskalar und räumlich ungleich konstituierten Rechtsarenen finden die Akteur:innen ein bereits überkommenes Feld möglicher Rechtspositionen vor, welche sie zu einer rechtlich überzeugenden Argumentation verknüpfen müssen. Dieses strategische Miteinanderringen bestätigt einerseits, was Fünfgeld und Schmid (2020:438) in politisch-ökologischer Perspektive herausarbeiten: Die Planung der Klimawandelanpassung bildet ein Feld der Auseinandersetzung, „[which] requires deciding between different alternatives and making policy choices“. Aus einer rechtsgeographischen Perspektive ist andererseits einzuwenden, dass solche Fragen mit Gerechtigkeitsdimension nicht nur ‚politisch‘ gestellt und entschieden werden, sondern in der Regel unter den Bedingungen – das heißt, nach den Maßstäben – des Rechts ablaufen.
Das Spielfeld politischer Entscheidungen über Anpassungsgerechtigkeit, auf dem sich die zivilgesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und administrativen Akteur:innen bewegen, ist aufgrund der Rechtsetzungen der letzten Jahre tiefgreifender rechtlich vorkontuiert und zunehmend auch Gegenstand gerichtlicher Überprüfung. In den deutschsprachigen Kontext übertragbar erscheinen daher auch Befunde aus dem anglophonen Raum, die eine zunehmende Judizialisierung der Anpassungspolitik prophezeien. Peel und Osofsky (2015:108) zitieren etwa die Einschätzung einer (US-amerikanischen) Anwältin, derzufolge „on the adaptation side, climate litigation is just going to become more and more relevant. […] That field is going to be rife with litigation“. Die Rechtsetzungen führen aber nicht allein zu einer verstärkten Judizialisierung der staatlichen Anpassungsstrategien, sondern zu einer generellen Aufwertung der „Ressourcen des Rechts“ (Pichl, 2021:71ff.; Klosterkamp et al., 2023) im Verhältnis zu althergebrachten Mitteln politischer Strategie: Auch staatsferne Akteur:innen wie Umweltverbände, Immobilienprojektentwickler:innen oder Gutachter:innen bewegen sich in dem verrechtlichten Kontext und müssen daher zwangsläufig das Feld der Rechtspositionen zur Durchsetzung ihrer jeweiligen Vorstellung von Anpassungsgerechtigkeit strategisch nutzen.
4.3 Verrechtlichung-Entrechtlichung der Klimawandelanpassung in der Bauleitplanung
Die so allgemein charakterisierten Verrechtlichungs-Entrechtlichungsprozesse im Klimawandelanpassungsrecht können anhand der Bauleitplanung illustriert werden: §1 Abs. 5 und Abs. 6 BauGB formulieren eine lange Liste an Zielen und Belangen, die in der Bauleitplanung zu berücksichtigen sind. Mit der Reform des Baugesetzbuches 2011 zählt §1 Abs. 5 Satz 2 BauGB auch den „Klimaschutz und die Klimawandelanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung“ als Belang auf. Diese lange Liste inhaltlich unbestimmter Rechtsbegriffe ist in sich potenziell widersprüchlich. Um nur eine Dimension herauszugreifen ist beispielsweise fraglich, inwieweit das Belang der Förderung des Klimaschutzes und der Klimawandelanpassung (§1 Abs. 5 Satz 2 BauGB) systematisch mit den „Anforderungen kostensparenden Bauens“ (§1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB) sowie dem Belang „der Wirtschaft“ (§1 Abs. 6 Nr. 8 lit. a BauGB) in Einklang zu bringen ist. Das Verlangen in §1 Abs. 7 BauGB, dass bei der „Aufstellung der Bauleitpläne […] die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen“ sind, hilft bei der Auflösung solcher inhaltlicher Widersprüche materiell nicht weiter, schließlich formuliert das Gesetz keinen Maßstab, der eine Priorisierung zwischen widersprüchlichen Belangen erlauben würde.
Deutlich sichtbar ist dies an einer Streitsache um den Bebauungsplan XVII-4 vor dem OVG Berlin-Brandenburg4. In dem Normenkontrollantrag hatten die Naturfreunde Berlin e. V.5 unter anderem einen Verstoß moniert gegen das Gebot gerechter Abwägung in §1 Abs. 7 BauGB im Hinblick auf die Förderung von Klimaschutz und Klimawandelanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung (§1 Abs. 5 Satz 2 BauGB). In der Entwicklung des Maßstabs für das Gebot der gerechten Abwägung formuliert der entscheidende Senat mit Bezug auf die etablierte Rechtsprechung, dass „das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt [ist], wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung des anderen entscheidet“6. Vor diesem Hintergrund prüfte der Senat dann, ob die Plangeberin alle relevanten Belange erfasst und überhaupt eine hinreichende und fehlerfreie Abwägung vorgenommen hat – und fand keine Mängel. Im Ergebnis waren nach Ansicht des Senats die Abwägungen der Plangeberin nicht zu bemängeln. Dass „[i]nsgesamt […] durch die Umsetzung der Planung eine Verschlechterung für das Schutzgut ‚Klima‘“ eintritt (Bezirksamt Lichtenberg, 2019:61), wie es die Plangeberin selbst ermittelte, war insofern rechtlich nicht zu beanstanden.
Zwar liegt bislang noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung zum expliziten Bereich der Klimawandelanpassung vor, im Bereich der Klimawandelmitigation ist in den letzten Jahren aber eine rapide Judizialisierung zu beobachten. Insofern beide Rechtsprechungslinien das selbe Schutzgut Klima behandeln, ist eine Übertragbarkeit wesentlicher Inhalte auch auf den Anpassungsbereich naheliegend. Das heißt, die Judizialisierung der Klimaschutzpolitik wirkt mittelbar auch auf den Bereich der Klimawandelanpassung.
Die oben angeführte Argumentation des OVG stützte sich etwa auch auf den Klimabeschluss des BverfG. Dieses hatte bezüglich der Wertigkeit des Staatsziels des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG) gerade auch in seiner klimabezogenen Dimension festgestellt, dass dieses Ziel „indessen keinen unbedingten Vorrang gegenüber anderen Belangen [genießt], sondern […] im Konfliktfall in einen Ausgleich mit anderen Verfassungsrechtsgütern und Verfassungsprinzipien zu bringen [ist]“ (Bundesverfassungsgericht, 2021, Rn. 198). Beachtenswert scheint hier der Wortlaut „keinen unbedingten Vorrang“, der die Möglichkeit eines bedingten Vorrangs offenlässt. So setzt der Senat fort, dass aufgrund „der nach heutigem Stand weitestgehenden Unumkehrbarkeit des Klimawandels […] eine Überschreitung der zum Schutz des Klimas einzuhaltenden Temperaturschwelle jedoch nur unter engen Voraussetzungen – etwa zum Schutz von Grundrechten – zu rechtfertigen [wäre]. Zudem nimmt das relative Gewicht des Klimaschutzgebots in der Abwägung bei fortschreitendem Klimawandel weiter zu“ (Bundesverfassungsgericht, 2021, Rn. 198). In anderen Worten geht das Gericht davon aus, dass bei fortschreitendem Klimawandel, insbesondere wenn dieser über die im Art. 2 Abs. 1 lit a Pariser Übereinkommen bestimmte „deutlich unter 2 ∘ über dem vorindustriellen Niveau“-Grenze hinauszugehen droht, ein Vorrang gegenüber anderen Belangen entsteht. Dieser findet seine Grenze dort, wo Grundrechte berührt sind.
Es wird zusammenfassend deutlich, dass die Relevanz, die Klima(anpassungs)aspekten in politisch-planerischen Entscheidungen zukommt, durch das Recht mit hervorgebracht und damit der Raum des Politischen rechtlich ko-konstituiert wird – was für die Verrechtlichung der Klimawandelanpassungpolitik spricht. Zwar sahen weder das OVG Berlin-Brandenburg noch die etablierte Rechtsprechung im Bereich Klimawandelmitigation bislang einen unbedingten Vorrang des Schutzgutes Klima gegenüber anderen Belangen. Dies sprach für Prozesse der Entformalisierung, in deren Folge Verwaltungen, Gerichte und generell die Ressourcen des Rechts eine Aufwertung erfahren. Die Rechtsprechung des BVerfG zeichnet in den kommenden Perioden bei steigendem Problemdruck eine Zunahme der Bedeutung des Belangs des Klimaschutzes und der Klimaanpassung vor.
Vor dem Hintergrund der relationalen Autonomie des Rechts sowie der skizzierten Verrechtlichungs- und Judizialisierungsprozesse der Klimapolitik stellt sich für die humangeographische Klimawandelanpassungsforschung schließlich die Frage, wie Rechtsverhältnisse expliziert und konzipiert werden können. Hierzu wird abschließend die Perspektive der Legal Ecologies vorgestellt (Kapitel 5.1) und mit Blick auf vielversprechende Raumformen diskutiert (Kapitel 5.2).
5.1 Legal Ecologies als Perspektive
Andrews und McCarthy (2014:9) hatten einige Gemeinsamkeiten der Felder der politischen Ökologie und der Rechtsgeographie destilliert und einen intensiveren Dialog für fruchtbar gehalten:
Indeed, any adequate analysis of the operations of power must carefully and empirically trace how, where, and by whom power is used. For many cases of concern to political ecologists, that requires a careful, informed engagement with the legal arena […] Political ecology thus has much to gain from a closer encounter with legal geographies.
Von dieser Aufforderung ausgehend ist in den letzten Jahren mit den Legal Ecologies eine neue Perspektive im Entstehen (überblickend Petzold, 2023). Eine Kurzbestimmung findet sich bei Cantor und Emel (2018:5):
[L]egal ecologies, which we define as the specific places and more-than-human ecosystems that are co-produced along with laws, contracts, and their implementation.
Mit dieser Analyseperspektive ist also eine rechtlich sensibilisierte Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Naturverhältnissen bezeichnet. Sie ist grundsätzlich in der oben beschriebenen Tradition der Politischen Ökologie situiert, erweitert diese aber explizit um die relationale Autonomie des Rechts.
Das Themenfeld der Klimawandelanpassung wurde bislang vor allem von O'Donnell (2016, 2019) in einer Perspektive der Legal Ecologies bearbeitet. Sie diskutiert das Verhältnis von place und Recht an der australischen Küste mit besonderem Fokus auf Rechtsprechung. Zunehmende Extremwetterereignisse stellen sich dort als Bedrohung privaten und öffentlichen Eigentums dar. In der Folge entsteht ein Spektrum von Gesetzgebungsaktivitäten (O'Donnell, 2016, 2019) und rechtlichen Auseinandersetzungen vor Gericht (O'Donnell, 2016). In diesen Momenten wird die Küste als sich klimawandelbedingt dynamisch verändernder Ort rechtlich aufgeladen (O'Donnell, 2019:131).
Vor dem Hintergrund dieser neu entstehenden Perspektive der Legal Ecologies können mit Blick auf die (deutschsprachige) humangeographische Klimawandelanpassungsdebatte abschließend drei Fokuspunkte für Anschlussforschungen destilliert werden. Eine erste vielversprechende Refokussierung der Forschungsansätze bilden Akteur:innen des Rechts als bislang kaum beachtete Akteursgruppe. Dazu gehören die rechtlichen Professionen, also insb. Anwält:innen, Richter:innen und Rechtswissenschaftler:innen. Interessant sind neben diesen aber auch Akteur:innen an der Schnittstelle von Recht, Politik und Raum, insbesondere Planer:innen dies- und jenseits des Staates, Sachbearbeiter:innen, Gutachter:innen sowie Interessensgruppen. All diese Akteur:innen verweben in ihrer Alltagsarbeit politische Strategien, räumliche Verhältnisse und Positionen des herrschenden Rechts und erzeugen so Pfade der Klimawandelanpassung. Zwar sind Planer:innen als Teilgruppe dieser Akteursgruppe als solche schon untersucht worden, auch in Bezug auf gesetzliche Festsetzungen (Kruse und Pütz, 2014:2626f.) – inwiefern ihre Praxis rechtlich geframt wird und welche Barrieren und Möglichkeiten damit einhergehen, scheint aber vertieft erforschenswert. O'Donnell (2016:9) thematisiert etwa „planning and engineering staff within local councils, who refer to case law for additional insights into the legal and climate risks […] as part of their climate adaptation decision-making processes“. Inwiefern diese aber konkret auslegen und Rechtspositionen in Gesetzen und Rechtsprechung für ihre strategische Arbeit konstruieren, wird von ihr nicht weiter thematisiert. Jenseits der Planer:innen sind die klimawandelanpassungsbezogenen rechtlichen Strategien von Interessensgruppen in Form von Verbänden, Umweltbewegungen oder Bürgerinitiativen bislang in der humangeographischen Forschung überhaupt nicht untersucht worden.
Ein anderer interessanter Zugang zu Klimawandelanpassung aus einer Perspektive der Legal Ecologies kann über Arenen des Rechts als bislang nicht untersuchten Orten der Klimawandelanpassung erfolgen. Solche Untersuchungen können an das wachsende Feld der Rechtsgeographien des Gerichts anschließen und von dem dort entwickelten Konzept- und Methodenbaukasten profitieren (Klosterkamp, 2022). Neben den Gerichten als hochinstitutionalisierten Arenen des Rechts geraten auch hier Schnittstellenforen in den Blick, etwa Anhörungen, Planungs- oder Genehmigungsverfahren, die durch Recht ko-konstiuiert werden. In diesen Arenen führen Akteur:innen des Rechts „Rechtskämpfe“ (Pichl, 2021; Klosterkamp et al., 2023), das heißt Formen strategischer Aktion, die mit den Mitteln des Rechts durchgeführt werden. Solche Konfliktarenen zeichnen sich dadurch aus, dass aufgrund ihrer rechtlichen Konstitution nur bestimmte Argumente und Strategien vorgetragen werden können, weshalb „social conflicts are transformed when they enter the law“ (Buckel et al., 2023:16). Mit Blick auf die existierende humangeographische Klimawandelanpassungsforschung ist hier etwa fraglich, inwiefern es Akteur:innen (nicht) gelingt, sozio-räumlich ungleiche Vulnerabilität und Anpassungskapazität in diesen Rechtsarenen relevant zu machen.
Schließlich bilden auch Rechtsdiskurse als Macht-Wissen-Konstellationen einen in der Humangeographie bislang nicht bearbeiteten Bereich der Klimawandelanpassung. Rechtsdiskurse bilden den Schauplatz von Auseinandersetzungen um die im Recht offen so bezeichnete „herrschende Meinung“, also hegemoniale Verständnisse rechtlicher Begriffe, Zusammenhänge oder Argumentationsmethoden. Zwar bilden Gesetzestexte wichtige Diskursfragmente der Rechtsdiskurse, aber letztere gehen weit darüber hinaus. Diese Diskurse formen sich wesentlich um Rechtsprechungslinien herum und werden in der juristischen Kommentarliteratur sedimentiert. Die geographische Klimawandelanpassungsforschung kann Formierung und Veränderung dieser Rechtsdiskurse in räumlicher Perspektive verfolgen. Interessante Anschlüsse bieten sich in rechtspluraler Perspektive (Robinson und Graham, 2018) auch hin zu Alltagsverständnissen von Recht und Gerechtigkeit, die als Kontext der Rechtsdiskurse über Klimawandelanpassung wirken.
5.2 Raumformen der Legal Ecologies (urbaner) Klimawandelanpassung
Geographisch sensibilisiert erfolgt eine solche Auseinandersetzung mit Legal Ecologies der Klimawandelanpassung, wenn aufbauend auf den Konzepten und Methodologien der Rechtsgeographie (Bennett und Layard, 2015) Fragen von Raum eine besondere Bedeutung eingeräumt wird. Es wird dann gefragt, welche Rolle unterschiedliche „Raumformen“ (Belina, 2013:86) in Aushandlungsprozessen an der Schnittstelle von Recht, Politik und Natur spielen. Drei Raumformen werden abschließend als vielversprechend für eine geographische Sensibilisierung dieses Nexus charakterisiert.
Ein erstes vielversprechendes, aber bislang wenig genutztes rechtsgeographisches Konzept sind Lawscapes, also das Verständnis, dass Landschaften (im Sinne der Materialisierung sozio-ökologischer Praxis) dies- und jenseits der Stadt durch ein Netz rechtlicher Normierung ko-konstitutiert sind (Graham, 2011). Ein wesentlicher Aspekt, den Graham an Lawscapes hervorhebt, sind Territorialisierungen durch das Grundeigentum. Im hier relevanten Kontext lässt sich daraus als Desiderat entwickeln, welche räumlich differenten Möglichkeiten und Barrieren für Klimawandelanpassungsstrategien aus den Eigentumsverhältnissen und damit verbundenen Prozessen resultieren. Zugleich lässt sich im Anschluss an die Forschung O'Donnells (2016, 2019) fragen, wie solche Lawscapes durch den Klimawandel brüchig und zum Gegenstand von Rechtskämpfen werden, weil etwa etablierte und rechtlich kodierte Bodenutzungsregime problematisch werden.
Eine zweite vielversprechende Raumform, die in der rechtsgeographischen Literatur bereits große Aufmerksamkeit erfahren hat, ist Place (Graham, 2011; Bennett, 2016; Bartel, 2017). Dieses Konzept eignet sich als Brückenkonzept zu politisch-ökologischen Perspektiven, weil es auch in der Literatur zu Klimawandelanpassung untersucht worden ist. Hier wurde Place als Konzept verwendet, um zweckrationale Argumentationsfiguren in Politik und Wirtschaft zu problematisieren und die Relevanz von „local material and symbolic contexts in which people create their lives, and through which those lives derive meaning“ (Adger et al., 2011:2) als kulturelle Dimension der Klimawandelanpassungspolitik hervorzuheben. In dem Maße, wie sich als Effekt des Klimawandels die Naturverhältnisse ändern, entstehen systematisch Triebfedern sowie Arenen für Auseinandersetzungen um Place-Frames und damit verbundene Neuverhandlungen der Bedeutungen, Praxen, materiellen Beschaffenheiten und Einbindungen spezifischer Orte.
Zwei in der Literatur zu Place und Klimawandelanpassung wenig bearbeitete Fragen sind, in welcher Weise Place-Frames als Place materialisieren. Damit verbunden ist als zweite Frage, wie bestimmte Formierungen von Place temporär stabilisiert werden (vgl. Bennett, 2016:183). In der hier gewählten Perspektive der Legal Ecologies kommt für beide Aspekte dem Recht große Relevanz zu. Generell hat Recht unter Bedingungen des Rechtsstaats die besondere (wenn auch immer prekäre) Eigenschaft, partikulare Vorstellungen – bzw. hier konkreter: partikulare Place-Frames – normativ als abstrakt-allgemeinen Maßstab sozialer Praxis zu formieren und auf Dauer stellen zu können. Ein rechtlich verdichteter Place kann gegenüber abweichenden Place-Frames vor Gericht ‚eingeklagt‘ und im Zweifel mit den Mitteln staatlicher Sanktion durchgesetzt werden. Zudem sind Recht und damit juridische Place-Konstellationen selbst unter wechselnden Kräfte- und Naturverhältnissen relativ träge, weil das geltende Recht nur im Rahmen langwieriger Prozesse verändert werden kann. Die unter Klimaschutzaspekten zwar problematische, rechtlich aber genehmigte Weiternutzung von Orten des Carbon Capitalism wie Kohletagebaue oder -kraftwerke und die darum geführten Konflikte sind ein eindrückliches Beispiel hierfür.
Die Rechtsgeographie hat eingewandt, dass solche Prozesse der Durchsetzung und Stabilisierung des Rechts auf Raumproduktionen angewiesen sind (Blomley, 2008). Im Spezifischen wird in Anschluss an diese Literatur deutlich, in welcher Weise das Verhältnis von Recht und Place für die Stabilisierung gesellschaftlicher Klimawandelanpassungspfade relevant sein kann: Benett (2016:184) beschreibt mit dem Begriff der Lokalisierung, wie Rechtsnormen an konkreten Orten platziert („em-placement“) und dabei von abstrakt-sprachlichen Inhalten in konkrete Rechtspraxis umgesetzt werden:
Instead law works through localisation – its em-placement and embodiment into things and places. A provision in a statute that no-one at a place is aware of, and which is not incorporated into either the fabric of the place (e.g. via conformity to building codes, lease covenants or suchlike) or cultural systems of custom and practice for its management, is weak in its effect on that local situation.
Die resultierenden Place-Bündel lokalisierter Klima(anpassungs)verhältnisse werden zugleich durch Recht auf Dauer gestellt.
Exemplarisch können solche Prozesse der Materialisierung und Stabilisierung an den Auseinandersetzungen um Vorgärten als rechtlich verdichteten Places vorgestellt werden. Scheint dies auf den ersten Blick trivial, so sieht eine Marktforschungsstudie immerhin 15 % der deutschen Vorgärten von versiegelten Flächen und insbesondere Schottergärten geprägt (BGL, 2017). Auch aufgrund der für den Wasserhaushalt sowie thermisch ungünstigen Eigenschaften gehen Bundesländer und Kommunen in den letzten Jahren vermehrt dazu über, solche Flächen aus Klimawandelanpassungserwägungen zu problematisieren. Für ein nicht nur diskursives Reframing, sondern eine materielle Transformation der Vorgärten als Place müssen diese Strategien das juridische Feld bearbeiten: Im Bereich des Neubaus sind teils multiskalare Änderungen des Baurechts in Verbindung mit einer neuen, jeweils kommunal umzusetzenden Rechtspraxis bei den Bebauungsplänen nötig. Diese Rechtsänderungen müssen wiederum platziert werden, um eine konkret-materielle Rechtspraxis zu stiften. All dies ist zeitlich langwierig. Im Bestand können Kommunen versuchen, solche Anpassungsstrategien bauaufsichtlich durchzusetzen – sie stoßen dabei gleichwohl nicht selten auf Eigentümer:innen, welche den Status Quo ihrer Places mit Rechtsmitteln zu retten versuchen7 und sehen sich daher mit ressourcenintensiven Prozessen konfrontiert. In jedem Falle zeigen diese Vorgänge exemplarisch, wie die klimawandelbezogene Neuverhandlung von Places durch Recht co-konstituiert wird und welche stabilisierende Effekte das etablierte Recht aufweisen kann.
Eine dritte, mit dem Konzept Place verbundene Raumform betrifft schließlich die geographische Mobilisierung von Klimawandelanpassungspolitik (Schäfer, 2015). Aus einer rechtsgeographischen Perspektive können bei diesen Prozessen Rechtsprechungslinien (insbesondere, wenn sie von höheren und höchsten Gerichten etabliert werden) eine strategische Infrastruktur der Mobilisierung von Politik bilden. Weil die Rechtsprechung auf den Einzelfall bezogen funktioniert, entstehen diese Rechtsprechungslinien zwar aufgrund konkreter, an einen Place rückgebundener Rechtskämpfe. Das besondere am Recht ist aber zugleich, dass es von diesen konkreten Qualitäten abstrahiert und in Form etablierter Rechtsfiguren Interpretations- und Auslegungsschablonen hervorbringt. Diese Rechtsfiguren können in Prozessen der juridischen „Translokalisierung“ (Bennett, 2016:184) mobilisiert werden, indem sie als strategische Referenz in Rechtskämpfen herangezogen werden. So trägt das Recht dazu bei, dass „multiple similar places are formed by reference to legal mores already tried and tested elsewhere“ (Bennett, 2016:184). Übertragen auf Klimawandelanpassungsstrategien ergibt sich also als Desiderat, wie deren Mobilisierung auch durch und im Recht (nicht) erfolgt.
Der Text hat sich mit der Verrechtlichung der Klimaverhältnisse beschäftigt, die bereits jetzt, aber noch verstärkt in der Zukunft das Feld der Klima(anpassungs)politik prägen wird. Im Anschluss an die Verrechtlichungsdebatte der 1980er Jahre wurde darunter eine qualitative Transformation gesellschaftlicher und politischer Verhältnisse verstanden, die zu einer Aufwertung der Rechtsform im Allgemeinen und rechtlicher Akteur:innen, Arenen, Diskurse und Strategien im Besonderen führt. In der Verschneidung mit Literaturen der humangeographischen Klimawandelanpassungsforschung, der Politischen Ökologie und Rechtsgeographie wurden Eckpunkte einer hierfür sensibilisierten Analyseperspektive vorgestellt, die Legal Ecologies der Klimawandelanpassung. Diese Perspektive eröffnet der humangeographischen Klimawandelanpassungsforschung neue theoretisch-konzeptionelle Interessen, empirische Arenen und auch interdisziplinäre Kooperationsmöglichkeiten mit den Rechtswissenschaften.
In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, welche praktische Rolle geographische Klimawandelanpassungsforscher:innen in den beschriebenen Prozessen der Verrechtlichung spielen können. Geograph:innen können Expertisen beisteuern, welche die im Recht oftmals nur implizit im Hintergrund verhandelten oder essenzialisierten Raumkonstruktionen der Klimawandelanpassung thematisieren und die damit verbundenen Macht- und Ungleichheitseffekte explizieren. Dies betrifft erstens den Bereich der Politikberatung, der ja letztlich zur Rechtsetzung führt. Es kann zweitens die Rechtskämpfe in den verschiedenen, im Text beschriebenen Arenen des Rechts und der Auslegung betreffen. Geograph:innen können im Bereich der Klagestrategien gemeinsam mit Jurist:innen etabliertes Recht in innovativen Raumkonstruktionen neu interpretieren und so an Taktiken gerechtigkeitsorientierter Rechtskämpfe mitwirken. So sind etwa Rechtskämpfe um die externalisierten Folgen des Klimawandels ganz wesentlich auch geographische Grenzkämpfe, ohne dass dies im Recht expliziert würde – und zugleich ermöglicht ein geographischer Externalisierungsbegriff, rechtspolitisch über inklusivere Raumkonstruktionen nachzudenken (Petzold und Pichl, 2023). Eine dritte Variante bilden die Erarbeitung von Gutachten, Wissen und Expertisen oder Counter Forensics, die durch Anwält:innen als Klagen mobilisiert werden können oder die Gerichte als Beweismittel in juridische Argumentationen einflechten können. Und viertens schließlich können Geograph:innen durch retrospektive Analysen auch als öffentlichkeitsorientierte Kontroll- und Problematisierungsinstanz wirken, welche die Macht- und Ungleichheitseffekte des Rechts und der herrschenden Meinung thematisieren und damit rechtspolitischen Änderungsbedarf markieren.
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Dieser Beitrag hat von der Ermutigung, der Geduld und den Kommentaren der beiden Themenheftherausgeber:innen Susann Schäfer und Hartmut Fünfgeld enorm profitiert. Zwei engagierte anonyme Reviewer:innen haben ebenso wie der TheoAdapt-Zusammenhang wertvolle Denkrichtungen aufgeworfen. Helen Dabo hat die Forschung unterstützt und die formale Seite des Manuskripts betreut.
This paper was edited by Jevgeniy Bluwstein and reviewed by two anonymous referees.
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Der Begriff der Verrechtlichung ist sektorspezifisch, insbesondere im Bereich der Arbeitsverhältnisse, schon länger diskutiert worden. Zudem ist eine breite internationale Debatte unter dem Begriff „judicialization“ zu konstatieren. Eine ausführliche Rezeption dieser historischen und internationalen Dimensionen überschritte die Möglichkeiten dieses Beitrags. Deshalb beschränkt sich die Darstellung auf Kernaspekte der deutschsprachigen Debatte der Verrechtlichung der Politik, wie sie vor allem seitens der Politikwissenschaften und Rechtssoziologie etwa ab 1980 geführt wurde.
Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie, 2003/35/EG.
GV NRW 2021/53, 893.
OVG Berlin-Brandenburg – 10 A 1/20.
Das Eilrechtsschutzverfahren wurde unter Az. OVG 10 S 17/21 geführt. Die anonymisierten Schriftsätze für beide Anträge wurden von der Antragstellerin zur Einsicht zur Verfügung gestellt, wofür ich mich herzlich bedanken möchte.
OVG Berlin-Brandenburg v. 25. Januar 2022 – 10 S 17/21, juris Rn. 39.
Z. B. VG Hannover v. 12. Januar 2022 – 4 A 1791/21 und OVG Lüneburg v. 17. Januar 2023 – 1 LA 20/22.
- Kurzfassung
- Einleitung
- Politische Ökologie der Klimawandelanpassung
- Recht und Verrechtlichung als Perspektive
- Zeitdiagnose: Verrechtlichung-Entrechtlichung der Klimaverhältnisse
- Legal Ecologies der Klimawandelanpassung
- Fazit
- Datenverfügbarkeit
- Interessenkonflikt
- Haftungsausschluss
- Danksagung
- Begutachtung
- Literatur
- Kurzfassung
- Einleitung
- Politische Ökologie der Klimawandelanpassung
- Recht und Verrechtlichung als Perspektive
- Zeitdiagnose: Verrechtlichung-Entrechtlichung der Klimaverhältnisse
- Legal Ecologies der Klimawandelanpassung
- Fazit
- Datenverfügbarkeit
- Interessenkonflikt
- Haftungsausschluss
- Danksagung
- Begutachtung
- Literatur